Leitsatz:
Mit dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung des Insolvenzverwalters oder Treuhänders hinsichtlich der Wohnung des Schuldners erlangt der Mieter die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Mietvertragsverhältnis zurück. Dem Insolvenzverwalter oder Treuhänder fehlt die Prozessführungsbefugnis, gegen den Vermieter Ansprüche auf Auszahlung von Guthaben aus Nebenkostenabrechnungen an die Masse für einen Zeitraum nach Wirksamwerden der Enthaftungserklärung geltend zu machen.
BGH vom 22.5.2014 – IX ZR 136/13 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 15 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Treuhänderin (Insolvenzverwalterin) begehrte nach Wirksamkeit der gemäß § 109 InsO abgegebenen Enthaftungserklärung die Auszahlung eines Betriebskostenguthabens, welches der Vermieter der Treuhänderin mitgeteilt, aber an den insolventen Mieter ausgekehrt hatte.
Der BGH wies das Ansinnen der Treuhänderin zurück.
Denn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis hinsichtlich des Mietverhältnisses gehe mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung in vollem Umfang auf den insolventen Mieter als Schuldner über.
Zwar könne der Wortlaut des § 109 InsO dafür sprechen, dass die Enthaftungserklärung nur Folgen für Passivansprüche habe, die der Vermieter nicht mehr gegen die Masse, sondern nur noch gegen den Schuldner persönlich geltend machen könne. Die Enthaftungserklärung trete jedoch an die Stelle der Kündigung nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO. Durch die Kündigung des Mietverhältnisses werde die Verbindung zur Masse für die Zeit nach Ablauf der Kündigungsfrist vollständig gelöst. Dies spreche dafür, Entsprechendes für die Enthaftungserklärung anzunehmen. Durch die Enthaftungserklärung werde der Mietvertrag nicht beendet, er werde, sofern keine anderweitigen Beendigungsgründe eintreten, zwischen Schuldner und Vermieter fortgesetzt. Der Mieter erhalte dadurch die Möglichkeit, durch die Übernahme der Mietzahlung und der Nebenkostenvorauszahlung aus seinem freien Vermögen die Wohnung zu behalten.
Für den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Schuldner mit Wirksamwerden der Enthaftungserklärung spreche auch der Schutz des Vermieters.
Diesem dürften bestehende Aufrechnungsmöglichkeiten nicht dadurch entzogen werden, dass die nach § 387 BGB erforderliche Gegenseitigkeit der Ansprüche durch die Enthaftungserklärung aufgelöst werde. Könnte der Vermieter danach entstehende Ansprüche nur gegen den Schuldner geltend machen, während gegen ihn gerichtete neue Ansprüche aus dem Mietvertrag der Masse zuständen, hätte er wegen der Unzulässigkeit der Aufrechnung Nachteile hinzunehmen, die mit dem Wesen des an sich unverändert fortgesetzten Mietvertrages nicht vereinbar wären.
Ob möglicherweise der Mieter das an ihn ausgezahlte Guthaben aus der Betriebskostenabrechnung an den Treuhänder auszahlen muss, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Diese Frage ließ der BGH daher offen.
25.10.2017