Leitsatz:
Um die Lieferung von Fernwärme handelt es sich nur dann, wenn der Energieversorger/Energiedienstleister hohe Investitionen vorzunehmen hat, um seine Vertragspflicht zur Wärmelieferung erfüllen zu können. Hieran fehlt es regelmäßig, wenn der Energieversorger/Energiedienstleister sich im Wesentlichen lediglich dazu verpflichtet, eine bereits vorhandene, im Eigentum des Kunden stehende funktionstüchtige Heizungsanlage für ein symbolisches Entgelt anzupachten, zu warten und zu betreiben.
BGH v. 21.12.2011 – VIII ZR 262/09 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft und ein Energiedienstleistungsunternehmen stritten über die Laufzeit ihres Wärmelieferungsvertrags. Der Energielieferer schloss am 17.9.2002 einen vorformulierten Wärmelieferungsvertrag mit der Eigentümergemeinschaft. In dem Vertrag war die Geltung der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Fernwärme (AVBFernwärmeV) vereinbart. Weiter sah der Vertrag vor, dass der Heizraum und die Heizstation, in denen die Wärme erzeugt wird, vom Kunden, also der Wohnungseigentümergemeinschaft, gestellt und von dem Energiedienstleistungsunternehmen für 1 Euro pro Jahr gepachtet werden solle und dass der Kunde die Kosten der baulichen Instandhaltung und künftig notwendig werdende Ersatzinvestitionen zu tragen habe. Die Laufzeit des Vertrages war mit 10 Jahren vereinbart. Die Wohnungseigentümergemeinschaft hielt diese Laufzeitvereinbarung für unwirksam und hatte den Vertrag zum 31.8.2007 gekündigt.
Der BGH entschied, dass sich die Wirksamkeit einer zehnjährigen Vertragsbindung der Wohnungseigentümergemeinschaft nicht aus § 32 Abs. 1 AVBFernwärmeV – der an sich eine zehnjährige Dauer erlaube – herleiten lasse, da der Wärmelieferungsvertrag vom 17.9.2002 nicht die Lieferung von Fernwärme zum Gegenstand habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei für den gesetzlich nicht definierten Begriff Fernwärme entscheidend, dass aus einer nicht im Eigentum des Gebäudeeigentümers stehenden Heizungsanlage Wärme geliefert werde. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall, da die Heizanlage lediglich an den Energiedienstleister verpachtet wurde.
Die 10-Jahres-Laufzeitklausel halte aber auch nicht der Inhaltskontrolle des § 307 BGB stand, weil es mangels hoher Investitions- und Vorhaltekosten auf Seiten des Wärmelieferers an einer sachlichen Rechtfertigung für die zehnjährige Vertragsbindung fehle.
Für Mieter hat diese BGH-Entscheidung insoweit eine praktische Bedeutung, als hier vom BGH nochmals sehr eingehend ausgeführt wird, dass „Fernwärme“ im Rechtssinne etwas anderes ist als „Wärmecontracting“ oder „Wärmelieferung“. Die Umstellung auf Wärmecontracting im laufenden Mietverhältnis bedarf bekanntlich einer mietvertraglichen Vereinbarung. In vielen alten Mietverträgen ist aber lediglich Fernwärme vereinbart. Für die Umlage der Kosten von „Wärmecontracting“ beziehungsweise „Wärmelieferung“ reicht die mietvertragliche Vereinbarung von „Fernwärme“ aber nicht aus.
30.03.2013