Leitsatz:
Vom Mieter zu duldende Modernisierungsmaßnahmen im Sinne von § 555 b Nr. 4 oder Nr. 5 BGB liegen nicht vor, wenn die beabsichtigten Maßnahmen (hier: Hinzufügung neuer Räume [Wintergarten; Ausbau des Spitzbodens] unter Veränderung des Grundrisses; veränderter Zuschnitt der Wohnräume und des Bads; Anlegung einer Terrasse; Abriss einer Veranda) so weitreichend sind, dass ihre Durchführung den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würde.
BGH vom 21.11.2017 – VIII ZR 28/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Vorliegend schickte der Vermieter eine Modernisierungsankündigung auf 9½ eng beschriebenen Seiten. Die geplanten Maßnahmen umfassten im Wesentlichen die Anbringung einer Wärmedämmung an der Fassade, am Dach und an der Bodenplatte, den Austausch der Fenster und Türen, den Einbau leistungsfähiger Elektrostränge im Bereich des Schornsteins, die Verlegung von Leitungen unter Putz, die Veränderung des Zuschnitts der Wohnräume und des Bades, die Entfernung der von den Mietern eingebauten Gasetagenheizung und den Einbau einer neuen Etagenheizung, den Ausbau der vorhandenen Sanitärobjekte im Bad und den Einbau einer neuen Badewanne und einer neuen Dusche, eine neue Verfliesung des Bodens und die Herstellung von Anschlüssen für eine Spülmaschine beziehungsweise eine Waschmaschine, die Errichtung eines Wintergartens mit Durchbruch zur neu entstehenden Wohnküche, die Entfernung der Drempelwände, den Ausbau des Spitzbodens über dem Obergeschoss, die Herstellung einer Terrasse, die Herausnahme des Bodens im Hauswirtschaftsraum, die Tieferlegung des Bodenniveaus, die Einbringung einer neuen Treppe sowie Instandsetzungsmaßnahmen an den Fenstern, der Klingel- und Schließanlage, den Innentüren, den Kaltwasserleitungen, der Treppen zum Obergeschoss und am Abwasseranschluss. Die Miete sollte sich von bisher 463,62 Euro auf 2.149,99 Euro monatlich erhöhen.
Der BGH entschied, dass die Mieter diese Bauarbeiten weder als Erhaltungs- noch als Instandsetzungsmaßnahmen dulden müssen.
Soweit das Gesamtkonzept der Vermieterin auch von den Mietern an sich nach § 555 a Abs. 1 BGB zu duldende Instandhaltungsmaßnahmen umfasse, habe sie nicht zu erkennen gegeben, dass sie deren Duldung losgelöst von ihrem Gesamtbaukonzept, bei dem die einzelnen Gewerke aufeinander abgestimmt seien, verlange. Bei den weiteren im Rahmen ihres Gesamtkonzepts aufgeführten Maßnahmen handele es sich nicht um Modernisierungsmaßnahmen nach § 555 b BGB – insbesondere nicht nach Nr. 4 oder Nr. 5 dieser Vorschrift –, die nach § 555 d BGB von den Mietern zu dulden wären. Eine Modernisierungsmaßnahme zeichne sich dadurch aus, dass sie einerseits über die bloße Erhaltung des bisherigen Zustands hinausgehe, andererseits aber die Mietsache nicht so verändere, dass etwas Neues entstehe.
Die „Modernisierungsmaßnahmen“ seien so weitreichend, dass ihre Durchführung den Charakter der Mietsache grundlegend verändern würde. Sie beschränkten sich nicht auf eine Verbesserung des vorhandenen Bestands, sondern sollten ausweislich der Baubeschreibung unter anderem dazu führen, dass das Reihenhaus unter Veränderung seines Grundrisses weitere Räume (Ausbau des Spitzbodens; Wintergarten) und einen anderen Zuschnitt der Wohnräume und des Bads erhalte. Außerdem sollten eine Terrasse angelegt und der Anbau an der Gartenseite des Hauses (Veranda) abgerissen werden. Bei solch weitreichenden Maßnahmen könne nach der Verkehrsanschauung nicht entfernt mehr von einer bloßen Verbesserung der Mietsache im Sinne einer nachhaltigen Erhöhung des Wohnwerts der Mietsache (§ 555 b Nr. 4 BGB) oder einer dauerhaften Verbesserung der allgemeinen Wohnverhältnisse (§ 555 b Nr. 5 BGB) gesprochen werden.
Soweit für einzelne Maßnahmen eine Duldungspflicht nach einer anderen Alternative des § 555 b BGB (etwa Nr. 1, Nr. 2 oder Nr. 6) in Betracht käme, habe die Vermieterin nicht dargetan, dass sie für diese Maßnahmen eine isolierte Duldung beanspruche.
Für eine sich ausnahmsweise aus § 242 BGB ergebende Duldungspflicht bezüglich des beabsichtigten Maßnahmenpakets bestünden keine Anhaltspunkte.
21.02.2018