Leitsätze:
a) Auch bei hohen Wohnungsleerständen (hier: im Hinblick auf einen im Rahmen der Stadtplanung vorgesehenen Abriss eines 28-Familien-Hauses) hat es grundsätzlich bei der in § 9 Abs. 4, § 8 Abs. 1 Heizkostenverordnung vorgeschriebenen anteiligen Umlage von Warmwasserkosten nach Verbrauch zu bleiben.
b) Im Einzelfall kann der Vermieter nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet sein, dem Verlangen des Mieters auf eine Vertragsänderung dahingehend zuzustimmen, den nach Verbrauch zu berechnenden Teil der Warmwasserkosten auf das gesetzliche Mindestmaß von 50 Prozent der Gesamtkosten abzusenken, um die Fixkosten bei hohen Leerständen angemessen zu verteilen.
c) Leerstandsbedingten Kostenverschiebungen zu Lasten des Mieters kann darüber hinaus im Einzelfall mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch der Vermieter durch den Leerstand beträchtliche Nachteile erleidet, weil er – ohne entsprechende Mieteinnahmen zu erhalten – bereits über den von ihm zu tragenden Wohnflächenanteil ebenfalls nicht unbeträchtliche Kosten zu tragen hat.
BGH vom 10.12.2014 – VIII ZR 9/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
1,30 Euro monatlich pro Quadratmeter allein für die Warmwasserkosten (ohne Heizung) zahlen zu müssen, dürfte wohl jeden Mieter „auf die Palme“ bringen. So erging es einem Mieter in Frankfurt an der Oder, der eine entsprechend hohe Warmwasserkostenabrechnung bekam, weil sein Plattenbau zum Abriss vorgesehen war und während der Abrechnungsperiode von den 28 Wohnungen nach Angaben des Mieters lediglich 2 und nach Angaben des Vermieters lediglich 7 Wohnungen bewohnt waren. Der erhebliche Leerstand hatte zur Folge, dass die Heizungs- und Warmwasseranlage, die für viele Wohnungen ausgelegt war, gemessen am geringen Verbrauch der wenigen verbliebenen Mieter nicht mehr kostengünstig arbeitete.
Wie sich später im Prozess herausstellte, betrug der tatsächliche Energieverbrauch etwa das Siebenfache des durchschnittlich für die Erwärmung zu erwartenden Energieverbrauchs.
Insgesamt fielen 7848,61 Euro Warmwasserkosten an. 50 Prozent der Kosten verteilte der Vermieter nach Wohnfläche. Auf die 47,46 Quadratmeter große Mieterwohnung entfielen so 131,02 Euro. 50 Prozent der Warmwasserkosten wurden – so, wie es die Heizkostenverordnung vorschreibt – nach Verbrauch abgerechnet. Der Kostenanteil für die 47,46 Quadratmeter große Mieterwohnung betrug 1195,06 Euro. Der Vermieter – eine Wohnungsbaugenossenschaft – reduzierte den Betrag im Nachhinein „aus Kulanz“ auf 597,53 Euro.
Der Mieter weigert sich, Nachzahlungen zu erbringen. Er meint, die Wohnungsbaugenossenschaft dürfe die Warmwasserkosten wegen des hohen Leerstands im Haus nicht nach Verbrauch, sondern ausschließlich nach der Wohnfläche umlegen.
Der BGH hingegen gab dem Vermieter Recht. Die Berechnung auf der Grundlage von § 8 Abs. 1 HeizkostenVO sei aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Auch bei hohen Leerständen bleibe es grundsätzlich bei der gesetzlich vorgegebenen Abrechnung, wonach die Kosten zu mindestens 50 Prozent nach Verbrauch umzulegen seien. Eine analoge Anwendung von § 9 a HeizkostenVO komme nicht in Betracht, denn die in § 9 a HeizkostenVO geregelten Fälle, in denen aus zwingenden technischen Gründen eine Verbrauchserfassung nicht möglich ist, seien mit dem hier in Rede stehenden Fall einer jetzt unwirtschaftlich arbeitenden Heizungsanlage nicht vergleichbar.
Allerdings könne die strikte Anwendung der Vorgaben der HeizkostenVO bei hohen Leerständen in Einzelfällen zu derartigen Verwerfungen führen, dass eine angemessene und als gerecht empfundene Kostenverteilung nicht mehr gegeben sei. Diesen Fällen könne mit einer aus dem Prinzip von Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleitenden Anspruchsbegrenzung Rechnung getragen werden.
Ob eine solche Anspruchskürzung geboten sei, sei immer eine Frage des Einzelfalles. Vorliegend sei zu berücksichtigen, dass der Vermieter in Anwendung von § 8 Abs. 1 HeizkostenVO bereits den für den Mieter günstigsten Maßstab (50 Prozent) gewählt habe und von dem sich so ergebenden Betrag lediglich die Hälfte geltend gemacht habe.
Auf der anderen Seite habe auch der Vermieter – ohne für die leerstehenden Wohnungen Mieteinnahmen zu erhalten – schon über den Wohnflächenanteil beträchtliche Kosten zu tragen und müsse es insoweit seinerseits ebenfalls hinnehmen, dass die angesichts des Leerstandes unwirtschaftliche Heizungsanlage erhebliche Mehrkosten verursache.
Insgesamt erscheint es dem BGH daher nicht unangemessen, dass auch die Mieter einen nicht ganz unerheblichen Teil der leerstandsbedingten Mehrkosten zu tragen haben. Eine weitere Anspruchskürzung über den von dem Vermieter bereits freiwillig abgezogenen Betrag hinaus ist deshalb nach Ansicht des BGH auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben nicht geboten.
24.02.2015