Leitsatz:
Zur Frage der wirksamen Vereinbarung einer Indexmiete (§ 557 b Abs. 1 BGB) und der Geltendmachung einer hierauf gestützten Mietänderung (§ 557 b Abs. 3 BGB).
BGH vom 26.5.2021 – VIII ZR 42/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der etwas allgemein gehaltene amtliche Leitsatz mag darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier quasi um eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofes zur Indexmiete handelt. Normalerweise geht es bei Indexmieterhöhungen um relativ geringe Beträge. Vorliegend wollte der Vermieter jedoch eine Mieterhöhung in Höhe von 120 Euro im Monat. Dem lag folgender Sachverhalt zugrunde: Mietvertragsabschluss im Mai 2007. Vereinbarung einer Nettokaltmiete von 900 Euro monatlich. Der Mietvertrag enthielt folgende Klausel:
„Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex um mindestens 3 %, kann jeder Vertragspartner durch schriftliche Erklärung und unter Angabe der eingetretenen Indexänderung eine Anpassung der Miete um den entsprechenden Prozentsatz verlangen, sofern der Mietzins jeweils mindestens 1 Jahr unverändert bestand. (…).“
Mehr als 10 Jahre nach Mietvertragsbeginn machte der Vermieter im Dezember 2017 erstmalig eine Mieterhöhung nach § 557 b BGB um 120 Euro/Monat auf 1020 Euro ab dem 1.3.2018 geltend. Zur Begründung führte er aus, dass der Verbraucherpreisindex zu Beginn des Mietverhältnisses am 1.5.2007 bei 95,8 Punkten und zum 30.11.2017 bei 109,4 Punkten gelegen habe, was „einer prozentualen Erhöhung von 13,5 %“ (121,50 Euro) entspreche. Diesem Schreiben war der Verbraucherpreisindex des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg beigefügt.
Der Mieter hielt diese Mieterhöhung für nicht berechtigt, weil die Indexklausel im Mietvertrag unwirksam sei. Er zahlte deshalb die Mieterhöhungsbeträge nicht.
Der Vermieter erhob daraufhin Klage auf Zahlung und bekam vor den Instanzgerichten recht.
Der BGH bestätigte die Vorinstanzen.
Sowohl die Vereinbarung der Indexmiete (§ 557 b Abs. 1 BGB) als auch die konkrete Mieterhöhungserklärung (§ 557 b Abs. 3 BGB) seien wirksam.
Die Klausel sei nicht wegen der fehlenden Angabe eines Basisjahrs des Verbraucherpreisindexes intransparent. Einer solchen Angabe bedürfe es vorliegend nicht.
Zum einen verlange der Wortlaut des § 557 b Abs. 1 BGB eine solche Festlegung nicht. Hiernach genüge die schriftliche Vereinbarung, dass die Miete durch den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte in Deutschland bestimmt werde (Indexmiete). An diesem Gesetzeswortlaut hätten sich die Parteien vorliegend orientiert. Einer Erläuterung, wie sich die Mietänderung im Einzelfall berechne, bedürfe es nicht.
Überdies wäre bei der hier vereinbarten Prozentklausel die Festlegung eines Basisjahrs im Mietvertrag für die (spätere) Berechnung der Mietänderung, anders als bei einer sogenannten Punkteklausel, bei welcher maßgebend ist, ob die Indexentwicklung einen bestimmten Punktwert erreicht, unerheblich. Denn die Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der Geltung einer Indexmiete gehe dahin, mit der Prozentklausel nicht den Verbraucherpreisindex nach einem fixen Basisjahr in Bezug zu nehmen, sondern ungeachtet einer Festlegung im Mietvertrag den Index nach dem jeweils gültigen Basisjahr. Dies folge daraus, dass solche Verbraucherpreisindizes, die auf unterschiedlichen Basisjahren beruhten, nicht miteinander vergleichbar seien und mit der Veröffentlichung der Indexreihen für ein neues Basisjahr allein diese Gültigkeit hätten, während die früheren Veröffentlichungen auf einem statistisch überholten Berechnungsschema beruhten und daher nicht länger herangezogen werden könnten. Damit wäre selbst ein in der Vereinbarung einer Indexmiete genanntes Basisjahr für die Berechnung der Mietänderung unerheblich, wenn der Verbraucherpreisindex für Deutschland im Zeitpunkt der Mietänderungserklärung bereits auf ein neues Basisjahr umgestellt wurde.
Vorliegend sei der im Zeitpunkt des Zugangs der Erhöhungserklärung vom 19. Dezember 2017 veröffentlichte Verbraucherpreisindex maßgebend. Aus diesem würden die zur Berechnung maßgebenden Indexpunkte entnommen und die prozentuale Mietsteigerung errechnet. Nur durch (alleinige) Zugrundelegung des im Zeitpunkt des Zugangs der Erhöhungserklärung geltenden Verbraucherpreisindexes sei sichergestellt, dass sich die Berechnung der Mietänderung auf Basis eines durchgehenden, für den gesamten Betrachtungszeitraum – hier 2007 bis 2017 – nach einem einheitlichen Maßstab berechneten Index richtete.
Die Klausel sei auch nicht deshalb intransparent, weil in ihr der Anknüpfungspunkt der Wartefrist des § 557 b Abs. 2 Satz 1 BGB nicht genannt sei. Hiernach müsse die Miete während der Geltung einer Indexmiete, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 BGB abgesehen, jeweils mindestens ein Jahr unverändert bleiben. Denn die Frage der Einhaltung der Wartefrist werde (erst) mit der konkreten Erhöhungserklärung relevant. Während § 557 b Abs. 1 BGB die Voraussetzungen der Vereinbarung einer Indexmiete regele, betreffe § 557 b Abs. 2 BGB mit der dort enthaltenen Wartefrist die Rechtsfolgen einer (wirksamen) Vereinbarung. Somit sei die Wartefrist eine gesetzliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der konkreten Änderungserklärung, nicht jedoch für die eigentliche Vereinbarung einer Indexmiete.
Der Wirksamkeit der Indexmietklausel steht auch nicht entgegen, dass in ihr nicht ausdrücklich angegeben sei, ob sich die Bruttomiete oder die Nettokaltmiete (prozentual zum Verbraucherpreisindex) ändere. Im Wege der Auslegung sei aus der maßgebenden Sicht des verständigen Mieters insoweit auf die Mietstruktur abzustellen. Damit werde bei einer wie hier vereinbarten Nettokaltmiete mit abzurechnenden Betriebskostenvorauszahlungen lediglich die Nettokaltmiete von der Indexierung erfasst. Die Betriebskostenvorauszahlungen nähmen nicht an der Änderung nach dem Index teil.
Die Klausel sei schließlich auch nicht deshalb als intransparent anzusehen, weil in ihr nicht angegeben sei, ob sich die Anpassung der (Nettokalt-)Miete nach dem Jahres- oder dem Monatsverbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts richte. Nach der eindeutigen Auslegung sei der Monatsverbraucherpreisindex maßgebend. Dies folge daraus, dass die Miete, die sich entsprechend dem Verbraucherpreisindex ändere, monatlich zu entrichten ist.
Auch die konkrete Mietänderungserklärung des Vermieters nach § 557 b Abs. 3 BGB sei wirksam. Zur formellen Wirksamkeit der Mietänderungserklärung müsse der Index nicht beigefügt werden.
Die hier erfolgte Beifügung des zur Berechnung der Mietänderung nicht maßgebenden Indexes eines Landesamts führe daher nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung wegen Widersprüchlichkeit. Für den Mieter sei klar erkennbar gewesen, dass der Mietänderung der Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts zugrunde lag, denn der Vermieter habe in der Erhöhungserklärung auf die Regelung im Mietvertrag und die dortige Vereinbarung der „Entwicklung der Miete an den Lebenshaltungsindex aller privater Haushalte in der Bundesrepublik Deutschland (jetzt: Verbraucherindex)“ verwiesen.
Auch dass der Vermieter nicht die gesamte mögliche Mieterhöhung geltend gemacht habe, stehe der Wirksamkeit seiner Änderungserklärung nicht entgegen.
Es reiche auch aus, lediglich die beiden Indexwerte zum Beginn des Mietverhältnisses (Mai 2007) und zu dem in der Änderungserklärung genannten Zeitpunkt (November 2017) gegenüberzustellen. Eine gestaffelte Berechnung je nach dem Zeitpunkt des Überschreitens der im Mietvertrag angegebenen Drei-Prozent-Schwelle sei nicht erforderlich. Die Schwelle einer nötigen dreiprozentigen Änderung des Indexwertes stelle eine sogenannte Bagatellklausel dar. Hierdurch solle verhindert werden, dass jede geringfügige Änderung des Verbraucherpreisindex zum Anlass einer Änderung der Miete genommen werde. Die Klausel schränke somit die Geltendmachung der Mietänderung ein, berühre aber nicht deren Berechnung. Diese sei vielmehr durch eine Gegenüberstellung des Indexwerts zum Zeitpunkt der Erhöhungserklärung mit dem Wert zum Zeitpunkt des Mietbeginns vorzunehmen. Die prozentuale Differenz beider Werte ergebe die prozentuale Änderung der Miete; die Indexmiete ändere sich im gleichen Verhältnis wie der Index.
Letztendlich sei der Vermieter auch nicht zu einer schrittweisen Anpassung der Miete nach dem jeweiligen Überschreiten des Schwellenwertes verpflichtet. Er könne vielmehr die Miete auch erst nach einem längeren Zeitraum und somit nach einer mehrmaligen Überschreitung der Drei-Prozent-Schwelle erhöhen.
19.09.2021