Leitsätze:
a) Verhindert der Mieter – etwa indem er Erhaltungsmaßnahmen pflichtwidrig nicht duldet oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig macht – unberechtigt die Mangelbeseitigung durch den Vermieter, folgt aus den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB, dass er sich ab dem Zeitpunkt nicht mehr auf die Minderung berufen kann, ab dem die Mangelbeseitigung ohne sein verhinderndes Verhalten nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge voraussichtlich abgeschlossen gewesen wäre und der Vermieter wieder die ungeminderte Miete hätte verlangen dürfen.
b) Bei der infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittenen Umsatzeinbuße handelt es sich nicht um eine Aufwendung im Sinn von § 555 a Abs. 3 BGB.
c) Der Vermieter haftet für Schäden des Mieters aufgrund einer Erhaltungsmaßnahme (hier: Umsatzausfall) nicht allein deshalb, weil er die Maßnahme veranlasst hat.
d) Ein Mietrückstand von über einer Monatsmiete ist bei gewerblichen Mietverhältnissen erheblich im Sinn des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB (im Anschluss an Senatsurteil vom 23.7.2008 – XII ZR 134/06 NJW 2008, 3210).
e) Bei Mietverhältnissen, die nicht Wohnraum betreffen, kann ein Rückstand von einer Monatsmiete oder weniger auch – und nur dann – erheblich im Sinn des § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB sein, wenn besondere Einzelfallumstände hinzutreten. Als solche kommen in der Gewerberaummiete neben der Kreditwürdigkeit des Mieters insbesondere die finanzielle Situation des Vermieters und die Auswirkungen des konkreten Zahlungsrückstands auf diese in Betracht.
BGH vom 13.5.2015 – XII ZR 65/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 25 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
An dem Mietobjekt traten Mängel auf, deretwegen die Gewerbemieter ab Juli 2011 die Miete minderten. Mit Schreiben vom 22. Januar 2013 kündigte der Vermieter gegenüber den Mietern die Mangelbeseitigung an und bat um Bestätigung. Diese verweigerten die Mieter jedoch und erklärten, das Mietobjekt für die Sanierungsmaßnahmen nur zur Verfügung zu stellen, wenn vorab die für eine sechswöchige Schließung des Restaurants zu erwartenden „Umsatzausfälle, sprich Fixkosten, Gewinnverluste etc. pp. … geprüft und finanziert beziehungsweise geregelt“ seien. Die Mieter minderten die Miete in der Folge wegen der Mängel. Der Vermieter klagte wegen Zahlungsverzugs auf Räumung.
Der BGH verneinte das Vorliegen des Minderungsrechts, weil die Mieter die Mängelbeseitigung durch den Vermieter treuwidrig verhindert hätten. Eine treuwidrige Verhinderung sei etwa dann anzunehmen, wenn der Mieter entgegen seiner aus § 555 a Abs. 1 BGB folgenden Pflicht, Maßnahmen zur Instandhaltung oder Instandsetzung (Erhaltungsmaßnahmen) zu dulden, Einwirkungen auf die Mietsache nicht zulasse oder ihre Duldung von ungerechtfertigten Forderungen abhängig mache. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Auch könne der Mieter die teilweise Nichtzahlung der Miete nicht auf § 320 BGB stützen. Denn auch dem aus § 320 BGB folgenden Zurückbehaltungsrecht stünden die Grundsätze von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegen, weil die Mieter die Durchführung der Mangelbeseitigung durch ihre Duldungsverweigerung verhindert hätten.
Die infolge einer Erhaltungsmaßnahme erlittenen Umsatzeinbußen müssten Mieter hinnehmen. Es handele sich nach zutreffender einhelliger Meinung auch nicht um eine Aufwendung im Sinn von § 555 a Abs. 3 BGB, die der Vermieter zu erstatten hätte. Der Aufwendungsbegriff des § 555 a Abs. 3 BGB gelte nämlich nicht für nicht auf einer Leistung des Mieters beruhende Vermögensschäden.
Ebenso wenig könnte die Umsatzeinbuße gegenüber dem Vermieter als Schadensersatz nach § 536 a BGB geltend gemacht werden. Der hierfür notwendige Schuldvorwurf scheide aus, weil es an einem Rechtsverstoß fehle, wenn der Vermieter lediglich eine Erhaltungsmaßnahme veranlasse. Damit handele er in Erfüllung seiner ihm aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB erwachsenden Verpflichtung zum Erhalt der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, mit der die Pflicht des Mieters zur Duldung dieser Erhaltungsmaßnahme in § 555 a Abs. 1 BGB korrespondiere. Sofern die Erfüllung der Erhaltungspflicht eine vorübergehende Einschränkung oder Unterbindung des Gebrauchs der Mietsache durch den Mieter bedinge, führe dies zwar zu der – auf eine willentliche Entscheidung des Vermieters zurückzuführenden – vorübergehenden Nichterfüllung der vertraglichen Pflicht des Vermieters zur Gewährung des Mietgebrauchs. Dies begründe aber keinen Schuldvorwurf, wenn es – wie hier – gerade notwendige Folge der Erfüllung dieser Pflicht sei.
Die in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB für die Wohnraummiete geregelte Grenze von einer Monatsmiete erlaube zwar den Erst-Recht-Schluss, dass bei Gewerberaummietverhältnissen jedenfalls ein Rückstand von über einer Monatsmiete nicht als unerheblich angesehen werden könne. Dass Rückstände unterhalb dieser Schwelle keinesfalls als erheblich einzustufen seien, lasse sich dem jedoch auch wieder nicht entnehmen. Anderenfalls, also wenn § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 lit. a Alt. 2 BGB stets nur bei einem Rückstand von über einer Monatsmiete anwendbar wäre, hätte es der speziellen Schutzvorschrift für Wohnraummieter in § 569 Abs. 3 Nr. 1 Satz 1 BGB nicht bedurft.
29.06.2017