Leitsatz:
Mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Hauptmieter begründet allein die Gefahr, einer auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützten Kündigung des Hauptmietverhältnisses durch den Vermieter ausgesetzt zu sein, ein berechtigtes Interesse der seit 1995 nicht mehr in Berlin ansässigen Hauptmieter an der Kündigung des Untermietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht. Denn dem allgemeinen Interesse der Hauptmieter an einem (vorsorglichen) Erhalt der seit Jahrzehnten von ihm nicht genutzten Wohnung für einen möglicherweise in Zukunft entstehenden Nutzungsbedarf kommt ein für eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliches Gewicht nicht zu.
BGH vom 3.8.2021 – VIII ZR 329/19 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 8 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Hauptmieter der Wohnung beschlossen im Jahr 1995 aus beruflichen Gründen aus B. wegzuziehen. Da sie die Absicht hegten, zu einem späteren Zeitpunkt in die Wohnung zurückzukehren, baten sie die damalige Eigentümerin, die Wohnung ab 1. Juli 1995 untervermieten zu dürfen. Die Erlaubnis hierfür wurde ihnen von der damaligen Eigentümerin unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs erteilt. Seither wohnte ein und derselbe Untermieter in der Wohnung. Mit Schreiben vom 16. Dezember 2017 widerrief die neue Eigentümerin die Erlaubnis zur Untervermietung und forderte die Hauptmieter auf, das Mietverhältnis mit dem Untermieter unverzüglich zu beenden, diesem spätestens bis zum 31. Dezember 2017 zu kündigen und ihr die Kündigung nachzuweisen. Eine weitere Nutzungsüberlassung an den Untermieter betrachte sie als Vertragsverletzung, die eine Abmahnung und gegebenenfalls die Kündigung des Hauptmietverhältnisses nach sich ziehen werde.
Daraufhin kündigten die Hauptmieter mit Anwaltsschreiben vom 29. Januar 2018 das Untermietverhältnis ordentlich zum 31. Oktober 2018 unter Hinweis darauf, dass ihnen die Fortsetzung des Mietverhältnisses aufgrund des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis unzumutbar geworden sei. Ferner teilten sie mit, sie wollten die Wohnung in Zukunft teilweise wieder selbst nutzen, da sie künftig „öfter in B. wohnen“ würden. Mit Schreiben vom 30. August 2018 widersprach der Untermieter der Kündigung. Die Räumungsklage der Hauptmieter wurde vom Landgericht abgewiesen.
Das Revisionsverfahren vor dem BGH hatte keinen Erfolg. Das Landgericht habe die Räumungsklage zu Recht abgewiesen, da sich die Hauptmieter für die gegenüber dem Untermieter ausgesprochene Kündigung selbst bei einem – hier unterstellt wirksamen – Widerruf nicht auf ein hierfür erforderliches berechtigtes Interesse im Sinne des § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen können.
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kündigung des Untermietverhältnisses könne die Wirksamkeit des Widerrufs der Untervermietungserlaubnis dahinstehen; auch die Frage, welche Pflichten sich gegebenenfalls aus einem wirksamen Widerruf für den Hauptmieter gegenüber seinem Vermieter in Bezug auf das von ihm als Vermieter begründete Untermietverhältnis ergeben, sei für die Lösung des Streitfalls ohne Belang.
Gleiches gelte für die Klärung der weiteren Frage, unter welchen Voraussetzungen sich aus der (eventuell bestehenden) Pflicht des Mieters, das Untermietverhältnis in Folge des Widerrufs zu beenden, ein berechtigtes Interesse zur Kündigung des Untermietverhältnisses im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB ergeben könne und welche Schritte zur Beendigung des Untermietverhältnisses von dem Hauptmieter unternommen werden müssten, um eine zur Kündigung des Hauptmietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB führende schuldhafte Pflichtverletzung auszuschließen. Denn ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Beendigung des Untermietverhältnisses verlange – unabhängig von etwaigen weiteren Voraussetzungen – in Sachverhaltskonstellationen wie dem Streitfall jedenfalls die konkrete Absicht des Hauptmieters, in die angemietete Wohnung alsbald zurückkehren zu wollen. Nach den Feststellungen des Landgerichts fehle es aber hieran im vorliegenden Fall.
Da andere berechtigte Interessen der Hauptmieter im Streitfall nicht in Rede stünden, hätte die Kündigung der Hauptmieter mit Erfolg allenfalls auf deren Eigenbedarf (§ 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB) gestützt werden können, etwa weil sie die Wohnung als Hauptmieter alsbald wieder (ganz oder teilweise) selbst nutzen wollten. Das Landgericht habe hierzu indes festgestellt, dass es den Hauptmietern derzeit an einem konkreten Willen fehle, in die Wohnung zurückzukehren. Mangels eines konkreten Rückkehrwillens der Hauptmieter begründe allein die Gefahr, einer auf § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB gestützten Kündigung des Hauptmietverhältnisses durch die Eigentümerin und Vermieterin ausgesetzt zu sein, ein berechtigtes Interesse der seit 1995 nicht mehr in B. ansässigen Hauptmieter an der Kündigung des Untermietverhältnisses (§ 573 Abs. 1 Satz 1 BGB) nicht. Denn dem allgemeinen Interesse der Hauptmieter an einem (vorsorglichen) Erhalt der seit Jahrzehnten von ihnen nicht genutzten Wohnung für einen möglicherweise in Zukunft entstehenden Nutzungsbedarf komme ein für eine Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB erforderliches Gewicht nicht zu. Es könne daher dahinstehen, ob ein – unterstellt wirksamer – Widerruf der Untermieterlaubnis überhaupt eine Pflicht des Hauptmieters zur Kündigung des aufgrund dieser Erlaubnis eingegangenen Untermietverhältnisses begründen kann.
25.01.2022