Leitsätze:
a) Die Kündigungsbeschränkung nach § 577 a Abs. 1 a Satz 1 BGB erfordert nicht, dass zusätzlich zu den im Tatbestand dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen – hier die nach der Überlassung an den Mieter erfolgte Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft (§ 577 a Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 Alt. 1 BGB) – an dem vermieteten Wohnraum Wohnungseigentum begründet worden ist oder der Erwerber zumindest die Absicht hat, eine solche Wohnungsumwandlung vorzunehmen.
b) Diese Auslegung des § 577 a Abs. 1 a Satz 1 BGB verstößt weder gegen die verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Vermieters gemäß Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 14 GG noch gegen den verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
BGH vom 21.3.2018 – VIII ZR 104/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 27 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier hatte der jetzt 70-jährige Mieter 1981 eine 160 Quadratmeter große Vierzimmerwohnung in Frankfurt gemietet. Im Januar 2014 kaufte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) das Haus und trat als Vermieter in den Mietvertrag ein. Vier Monate später kündigte die Gesellschaft den Mietvertrag wegen Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter. Dieser benötige als erfolgreicher Immobilienunternehmer repräsentative Wohnräume in entsprechender Wohnlage in der Nähe seines Büros.
Amts- und Landgericht wiesen die Räumungsklage ab. Der BGH bestätigte diese Entscheidungen.
Der Bundesgerichtshof ließ die Frage offen, ob in diesem Fall überhaupt Eigenbedarf vorliegt. Darauf komme es auch gar nicht an, weil der Vermieter vor Ablauf der dreijährigen Kündigungssperrfrist gar nicht hätte kündigen dürfen (in Berlin gilt gemäß § 577 a Abs. 2 BGB sogar eine zehnjährige Kündigungssperrfrist).
Der 2013 eingeführte § 577 a Abs. 1 a Satz 1 BGB gelte trotz der Überschrift des § 577 a BGB („Kündigungsbeschränkung bei Wohnungsumwandlung“) unabhängig davon, ob die Mietwohnung in eine Eigentumswohnung umgewandelt wurde, umgewandelt werden soll oder nicht. Die amtliche Gesetzesüberschrift gebe lediglich schlagwortartig wieder, welche Materie die Vorschrift betreffe, ohne den Regelungsbereich in allen Einzelheiten zu umfassen. Maßgebend sei daher grundsätzlich, jedenfalls bei dessen – hier gegebener – Eindeutigkeit, der Wortlaut des Gesetzes.
Anders als Kapitalgesellschaften (GmbH oder AG) könne eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die eine Immobilie erworben habe, wegen Eigenbedarfs zugunsten eines Gesellschafters kündigen.
Mit der Einführung des § 577 a Abs. 1 a BGB habe der Gesetzgeber zwar insbesondere beabsichtigt, die faktische Umgehung des in § 577 a Abs. 1 BGB vorgesehenen Kündigungsschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach dem sogenannten „Münchener Modell“ zu unterbinden. Bei diesem verzichte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb des mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Begründung von Wohnungseigentum und den anschließenden Verkauf von Eigentumswohnungen an Interessenten. Stattdessen kündige sie den betreffenden Mietwohnraum wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter oder der Miteigentümer und umgehe so die Kündigungssperre des § 577 a Abs. 1 BGB.
Mit der eingefügten Neuregelung des § 577 a Abs. 1 a BGB wollte der Gesetzgeber jedoch nicht allein Umgehungen der Sperrfrist nach dem „Münchener Modell“ entgegenwirken, sondern ausdrücklich auch etwaigen neuen Umgehungstatbeständen vorbeugen. Deshalb habe er für ein Eingreifen der Sperrfrist jede Veräußerung eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder an mehrere Erwerber ausreichen lassen, da sich nach seiner Einschätzung bereits hierdurch das Verdrängungsrisiko für den Mieter erhöhe und dieser insoweit eines Schutzes bedürfe.
Auch die weitere 2013 vorgenommene Einfügung eines Abs. 2 a in § 577 a BGB unterstreiche, dass der Gesetzgeber das Eingreifen der Kündigungsbeschränkung nach § 577 a Abs. 1 a Satz 1 BGB nicht an die Begründung von Wohnungseigentum oder eine darauf gerichtete Absicht, sondern alleine an das Tatbestandsmerkmal der Veräußerung des vermieteten Wohnraums an eine Personengesellschaft oder an mehrere Erwerber beziehungsweise an eine zu deren Gunsten erfolgte Belastung geknüpft habe.
§ 577 a Abs. 1 a BGB verstoße auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht. Denn neben der Rechtsposition des Vermieters sei auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG) geschützt. Den insoweit zum Schutz des Mieters erforderlichen Eingriff in die Eigentumsrechte des Vermieters habe der Gesetzgeber mit der Kündigungssperrfrist in § 577 a Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 1 a Satz 1 BGB dabei auf das erforderliche Maß beschränkt und etwa davon abgesehen, einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts grundsätzlich zu verwehren, sich entsprechend § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines Gesellschafters zu berufen. Ebenso wenig verletzte es das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), dass nach § 577 a Abs. 1 a Satz 1 BGB nur der Erwerb durch eine Personengesellschaft oder -mehrheit, nicht aber durch eine Einzelperson die Sperrfrist auslöse. Denn es liege auf der Hand, dass sich mit jeder weiteren Person, deren Eigenbedarf dem Mieter gegenüber geltend gemacht werden könne, die Wahrscheinlichkeit für den Mieter erhöhe, auch tatsächlich wegen Eigenbedarfs in Anspruch genommen zu werden.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die Kündigungssperrfrist des § 577 a Abs. 1 a BGB nicht für jede Personenmehrheit gilt. In Satz 2 des Absatzes werden Gesellschafter oder Erwerber, die derselben Familie oder demselben Haushalt angehören und die ein (noch) nicht umgewandeltes Mietshaus erwerben, von dieser Kündigungssperrfrist befreit.
21.05.2018