Leitsatz:
Weigert sich der Mieter, die Beseitigung von Mängeln durch den Vermieter, dessen Mitarbeiter oder von ihm beauftragte Handwerker zu dulden, ist er ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich zu einer weiteren Minderung nicht mehr berechtigt und entfällt ein etwaiges Zurückbehaltungsrecht in der Weise, dass einbehaltene Beträge sofort nachzuzahlen sind und von den ab diesem Zeitpunkt fälligen Mieten ein Einbehalt nicht mehr zulässig ist. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter die Mangelbeseitigung unter Berufung darauf verweigert, dass er im Hinblick auf einen anhängigen Rechtsstreit über rückständige Miete (hier: Prozess mit dem Rechtsvorgänger des Vermieters) den bestehenden mangelhaften Zustand aus Gründen der „Beweissicherung“ erhalten will.
BGH vom 10.4.2019 – VIII ZR 12/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 24 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Hier gab es in der Vergangenheit mit den mehrfach wechselnden Vermietern wegen zahlreicher Mängel der Wohnung Prozesse. In mehreren Prozessen waren dem Mieter Mietminderungen zugesprochen worden.
Wegen weiterhin vorhandener Mängel berief sich der Mieter auch danach noch auf ein Leistungsverweigerungsrecht bis zur Beseitigung der Mängel und behielt weitere Teile der Miete ein. Darauf erklärte die Vermieterin eine Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzuges und erhob Räumungsklage. Zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs hatte der Mieter unter Berufung auf ein angebliches ihr zustehendes Leistungsverweigerungsrecht etwa 4900 Euro einbehalten. Die ungeminderte Miete betrug 785 Euro monatlich.
Im Prozess verteidigte der Mieter sich damit, er sei wegen eines mit dem vorigen Vermieter anhängigen Rechtsstreits und der dortigen Beweiserhebungen nicht zu einer Duldung der Mängelbeseitigung verpflichtet. Eine Beseitigung der Mängel komme einer „Vernichtung von Beweissachverhalten“ und einer „Beweisvereitelung“ gleich. Eine Mängelbeseitigung könne nicht erfolgen, solange das andere Verfahren andauere. Zwar könne ein Termin zur Besichtigung der Mängel stattfinden, eine Mängelbeseitigung sei aber nur mit Zustimmung des vorigen Vermieters (dem Kläger im anderen Verfahren) möglich.
Der BGH gab der Vermieterin Recht. Bei Ausspruch der Kündigung hätte sich der Mieter nicht mehr auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufen können. Dieses sei entfallen, weil der Mieter es abgelehnt habe, eine Beseitigung der Mängel zu dulden. Das Leistungsverweigerungsrecht (§ 320 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfülle den Zweck, den Vermieter durch den dadurch ausgeübten Druck zur Mängelbeseitigung anzuhalten und könne deshalb redlicherweise nicht mehr ausgeübt werden, sondern entfalle, wenn dieser Zweck verfehlt werde oder nicht mehr erreicht werden könne. Deshalb ende das Zurückbehaltungsrecht nicht nur bei der Beseitigung des Mangels, sondern auch – unabhängig von einer Mängelbeseitigung – bei Beendigung des Mietverhältnisses, sowie dann, wenn der Mieter dem Vermieter beziehungsweise den von ihm mit der Prüfung und Beseitigung der Mängel beauftragten Personen den Zutritt zur Wohnung nicht gewähre oder sonst die Duldung der Mängelbeseitigung verweigere. In all diesen Fällen könne das Zurückbehaltungsrecht die Funktion, den Vermieter zur Mängelbeseitigung anzuhalten, offensichtlich nicht mehr erfüllen und es würden die zurückbehaltenen Beträge in ihrer Gesamtheit grundsätzlich sofort zur Zahlung fällig, selbst wenn der Einbehalt zunächst zu Recht erfolgt sein sollte.
Der Mieter durfte eine Mängelbeseitigung auch nicht deshalb verweigern, weil er mit dem vorigen Vermieter in Streit lag und eine Vernichtung von Beweismitteln fürchtete. Die Mängel hätten auch im Falle ihrer Beseitigung beispielsweise durch Fotos oder das Zeugnis der mit der Mangelbeseitigung befassten Handwerker bewiesen werden können.
Bei der Kündigung befand sich der Mieter somit mit der Zahlung des einbehaltenen Betrages von mehr als 4900 Euro in Verzug, was die zweifache Monatsmiete deutlich überstieg. Die Kündigung wegen Zahlungsverzuges war deshalb gerechtfertigt.
26.08.2019