Leitsatz:
Zu den Voraussetzungen, unter denen Maßnahmen des Vermieters zur Mangelerforschung und Mangelbeseitigung die Annahme eines „tatsächlichen“ Anerkenntnisses der vom Mieter behaupteten Mängel der Mietsache rechtfertigen können.
BGH vom 23.9.2020 – XII ZR 86/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 16 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ein Gewerberaummieter zeigte gegenüber der Hausverwaltung an, dass in einem der Büroräume ein beißender, die Atemwege und Augen reizender Geruch feststellbar sei. Der Mieter zahlte seit Juli 2015 nur noch eine um 10 Prozent geminderte Bruttomiete; ferner forderte er die Vermieterin unter Fristsetzung und Klageandrohung zur Beseitigung der beanstandeten Geruchsbeeinträchtigung auf. Daraufhin erfolgte am 7. Juli 2015 eine Begehung der Mieträume durch den Hausmeister. Am 9.11.2015 richteten die Rechtsanwälte der Vermieterin an den Mieter ein Schreiben, das auszugsweise den folgenden Inhalt hatte:
„… wir kommen zurück auf vorbenannte Angelegenheit und bitten zunächst um Mitteilung, ob Sie entsprechend Ihrer Ankündigung (…) mittlerweile Klage auf Beseitigung und Mietminderung eingereicht haben.
Gleichwohl bieten wir Ihrem Auftraggeber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz zum Zwecke einer einvernehmlichen Regelung der bestehenden Meinungsverschiedenheiten das Folgende an:
1. Die Mandantschaft tauscht den textilen Bodenbelag im streitgegenständlichen Raum komplett auf eigene Kosten aus.
2. Nach Abschluss der unter Ziffer 1 beschriebenen Maßnahme zahlt Ihr Auftraggeber die seit Juli 2015 aufgelaufenen Mietrückstände (…) vollständig an die Mandantschaft nach …“
Der Mieter kündigte mit Schreiben vom 7.12.2015 das Mietverhältnis zum 31.12.2016 außerordentlich unter Hinweis auf den gerügten Mangel. Die Vermieterin veranlasste am 22.3.2016 eine erneute Begehung der Mieträume durch den Hausmeister und zwei Mitarbeiter. Nachdem dabei im streitgegenständlichen Büroraum ein Geruch festgestellt worden war, ließ die Vermieterin am 13.4.2016 eine Wand im angrenzenden WC öffnen, um einen etwaigen Rohrschaden im Versorgungsschacht auszuschließen. Im November und Dezember 2016 zahlte der Mieter keine Miete mehr; er gab die Mieträume im Dezember 2016 zurück.
Das Berufungsgericht wies die Klage der Vermieterin auf Ausgleich der Mietrückstände ab.
Das Gericht hielt die Minderung von 10 Prozent für berechtigt, obwohl die Vermieterin bestritten habe, dass es sich bei der Geruchsbelästigung um einen erheblichen Mangel gehandelt habe. Im Angebot, den Bodenbelag zu tauschen, liege aber ein tatsächliches Anerkenntnis der Vermieterin, dass die Gebrauchstauglichkeit nicht nur unerheblich beeinträchtigt gewesen sei. Eine auf Gewinnerzielung ausgerichtete Kapitalgesellschaft finde sich nicht allein zur Wahrung eines guten Verhältnisses zu den Gewerbemietern zu einem solchen Angebot bereit, sondern nur, wenn wirklich ein Mangel vorliege.
Zudem stelle die Öffnung der Wand ein tatsächliches Anerkenntnis dar. Ein gewerblich handelnder Vermieter würde einen solchen Aufwand nicht auf sich nehmen, wenn er die Geruchsbelästigung als unerheblich ansehen würde. Diese tatsächlichen Anerkenntnisse hätten eine Umkehr der Beweislast zur Folge. Da die Vermieterin nicht nachgewiesen habe, dass die Geruchsbeeinträchtigungen unerheblich waren, sei die Mietminderung gerechtfertigt gewesen.
Der BGH sah die Rechtslage anders, hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache an das Landgericht zurück.
Wolle ein Mieter die Miete wegen eines Mangels mindern, trage er nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für die ihm vorteilhafte Tatsache der Existenz dieses Mangels. Weil nicht schlechthin jede Geruchsentwicklung in gemieteten Räumen zu einer Gebrauchsbeeinträchtigung führe, müsse der Mieter darlegen und im Bestreitensfall beweisen, dass mit der Geruchsentwicklung eine spürbare und das Wohlbefinden der Nutzer erheblich beeinträchtigende Belastung des Geruchsempfindens einhergehe. Soweit das Berufungsgericht für die diesbezügliche Beweisführung dem Schreiben vom 9.11.2015 ein Tatsachenanerkenntnis entnehme, werde dies dem eindeutigen Wortlaut des Schreibens nicht gerecht. Der von der Vermieterin unterbreitete Vorschlag, den Bodenbelag im streitgegenständlichen Büroraum auszutauschen, erfolgte im Rahmen eines Vergleichsangebots und ausdrücklich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und Präjudiz“. Der damit eindeutig zum Ausdruck gebrachte Vorbehalt, nur zur gütlichen Beilegung des bestehenden Streits handeln und darüber hinaus keine rechtlich bindende Verpflichtung eingehen zu wollen, stehe der Annahme eines rechtsgeschäftlichen (kausalen) Schuldanerkenntnisses entgegen.
Die Ansicht, dass sich die Vermieterin zu einem Austausch des Bodenbelags wegen der damit verbundenen Kosten nur beim wirklichen Vorliegen einer unzumutbaren Geruchsbeeinträchtigung bereitgefunden hätte, weil sie als Kapitalgesellschaft auf Gewinnerzielung ausgerichtet sei und sie deshalb anders als ein Privateigentümer kein gesteigertes Interesse daran habe, sich gegenüber ihren Gewerbemietern kulant zu zeigen, sei sachfremd.
Auch im Zusammenhang mit Mangelbeseitigungsarbeiten gebe es keine Vermutung für die Abgabe eines Anerkenntnisses. So enthalte die Bereitschaft des Vermieters, einer Mangelanzeige des Mieters nachzugehen, für sich genommen noch keine Aussage dahingehend, das Vorhandensein eines Mangels und die Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs der Mietsache außer Streit stellen zu wollen. Maßnahmen des Vermieters zur Erforschung oder Beseitigung eines von dem Mieter angezeigten Mangels könnten nur dann als Zeugnis des Vermieters gegen sich selbst angesehen werden, wenn besondere Umstände des Einzelfalls die Wertung tragen, dass der Vermieter nicht nur aus Kulanz oder zur gütlichen Beilegung des Streits um die vermeintliche Mangelhaftigkeit der Mietsache, sondern in dem Bewusstsein gehandelt habe, im Rahmen seiner Gewährleistungspflicht zur Beseitigung des behaupteten Mangels verpflichtet zu sein. Von Bedeutung seien dabei vor allem der Umfang, die Dauer und die Kosten der Mängelbeseitigungsarbeiten.
Bei der Öffnung der Wand handelte es sich vorliegend aber um eine Maßnahme mit überschaubarem Aufwand. Hieraus lasse sich nicht das eindeutige Bewusstsein der Vermieterin herleiten, zur Beseitigung eines erheblichen Mangels verpflichtet zu sein. Zudem habe ein Gebäudeeigentümer ein generelles Interesse daran, Hinweisen auf mögliche Undichtigkeiten von Leitungen nachzugehen. Zudem sei das Öffnen der Wand eine punktuelle Maßnahme gewesen, auf die keine weiteren Schritte folgten. Es liege daher auch in der Gesamtschau fern, im Verhalten der Vermieterin ein tatsächliches Anerkenntnis zu sehen.
Nach alledem obliegt es somit dem Mieter, das Vorliegen eines erheblichen Mangels zu beweisen. Dieser Frage muss das Landgericht nun in einem erneuten Verfahren nachgehen.
25.01.2021