Leitsatz:
Im Falle der Beifügung eines Sachverständigengutachtens ist der Pflicht des Vermieters zur Begründung seines Mieterhöhungsverlangens grundsätzlich Genüge getan, wenn das Gutachten Angaben über Tatsachen enthält, aus denen die geforderte Mieterhöhung hergeleitet wird, und zwar in einem Umfang, der es dem Mieter gestattet, der Berechtigung des Erhöhungsverlangens nachzugehen und diese zumindest ansatzweise selbst überprüfen zu können. Der Sachverständige muss somit eine Aussage über die tatsächliche ortsübliche Vergleichsmiete treffen und die zu beurteilende Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordnen (Bestätigung der Senatsurteile vom 12.12.2007 – VIII ZR 11/07, NJW 2008, 573 Rn. 12; vom 19.5.2010 – VIII ZR 122/09, NZM 2010, 576 Rn. 10). Etwaige kleinere Mängel des Gutachtens führen nicht zur Unwirksamkeit des Mieterhöhungsverlangens aus formellen Gründen.
BGH vom 3.2.2016 – VIII ZR 69/15 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Das Mieterhöhungsbegehren des Vermieters nahm zur Begründung auf ein beigefügtes Gutachten einer öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Bezug, das in der Art eines „Typengutachtens“ Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete für die dortigen Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen enthielt.
Das Landgericht Gießen hatte das Mieterhöhungsverlangen für unzulässig erachtet, weil es auf ein unzureichendes Gutachten gestützt sei. Denn das Gutachten enthalte keine Ausführungen dazu, wie sich die Mieten in den letzten vier Jahren entwickelt hätten. Dies sei indes erforderlich, wie sich bereits aus dem Wortlaut von § 558 Abs. 2 Satz 1 BGB ergebe. Zudem lasse das Gutachten nicht erkennen, für welchen Zeitpunkt die ortsübliche Vergleichsmiete ermittelt worden sei.
Dieser Beurteilung ist der BGH entgegengetreten: Das Berufungsgericht habe verkannt, dass die (hohen) Anforderungen, die an ein im Prozess zum Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete vom Gericht einzuholendes Sachverständigengutachten als Beweismittel zu stellen seien, nicht bereits für die (formelle) Begründung des Mieterhöhungsbegehrens durch Beifügung eines Sachverständigengutachtens gemäß § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten würden.
Ein Gutachten, das gemäß § 558 a BGB zur Begründung eines Mieterhöhungsverlangens beigefügt wird, müsse keine Darstellung über die Entwicklung der Mieten in den letzten vier Jahren enthalten. Auch bei den weiteren Begründungsmitteln, die § 558 a BGB gleichberechtigt nebeneinander stellt, würden derartige Anforderungen nicht bestehen. Besonders deutlich werde das durch die Regelung des § 558 a Abs. 2 Nr. 4 BGB, wonach die Benennung von drei Vergleichswohnungen ausreiche. Die Begründung des Mieterhöhungsverlangens diene nicht dazu, bereits den Nachweis der ortsüblichen Vergleichsmiete zu führen oder dem Mieter ein etwaiges Prozessrisiko abzunehmen. Vielmehr solle das Begründungserfordernis den Mieter lediglich in die Lage versetzen, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise nachzuvollziehen.
Davon abgesehen wäre ein etwaiger Mangel des Gutachtens, nicht oder nicht im angemessenen Umfang auch Bestandsmieten berücksichtigt zu haben, nicht so gravierend, dass dies seiner Verwendung als Begründungsmittel des § 558 a BGB entgegenstünde oder zur Unwirksamkeit eines hierauf gestützten Mieterhöhungsverlangens führte.
Letztlich sei das Mieterhöhungsverlangen des Vermieters nicht deshalb unwirksam, weil das zur Begründung beigefügte Sachverständigengutachten weder die besichtigte Musterwohnung gleichen Typs noch die für das Gutachten herangezogenen Vergleichswohnungen in der Weise identifizierbar angegeben habe, dass der Mieter diese Wohnungen besichtigen und die Angaben der Sachverständigen im Detail hätte überprüfen können. Vielmehr genüge es bei einer Begründung des Mieterhöhungsverlangens nach § 558 a Abs. 2 Nr. 3 BGB, dass ein öffentlich bestellter Sachverständiger in einem mit Gründen versehenen Gutachten Angaben zur ortsüblichen Vergleichsmiete macht und die streitige Wohnung in das örtliche Preisgefüge einordne. Derartige konkrete Angaben ermöglichten es dem Mieter, der Berechtigung des Mieterhöhungsverlangens des Vermieters nachzugehen und dieses zumindest ansatzweise zu überprüfen und so die Entscheidung zu treffen, ob er der begehrten Mieterhöhung zustimmen oder den Vermieter auf einen Prozess verweisen wolle.
29.06.2017