Leitsatz:
Gibt der Insolvenzverwalter für das Wohnraummietverhältnis des Schuldners eine Enthaftungserklärung ab, wird der Anspruch des Schuldners auf Rückzahlung einer die gesetzlich zulässige Höhe nicht übersteigenden Mietkaution vom Insolvenzbeschlag frei.
BGH vom 16.3.2017 – IX ZB 45/15 –
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Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Es ging um die Frage, wem die Kaution zusteht, wenn das Mietverhältnis eines ehedem im Verbraucherinsolvenzverfahren befindlichen Mieters endet und der Treuhänder nach Eröffnung der Insolvenz die Freigabe des Mietverhältnisses nach § 109 Abs. 1 InsO erklärt hatte.
Hier wurde am 19.10.2012 über das Vermögen des Mieters das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und ein Treuhänder (Insolvenzverwalter) bestellt. Am 24.12.2012 gab der Treuhänder gegenüber dem Vermieter der Wohnung des Mieters eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO ab. Mit Beschluss vom 22.4.2014 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Am 31.7.2014 endete das Mietverhältnis. Der Vermieter überwies die vom Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses gezahlte Mietkaution in Höhe von 700 Euro zuzüglich 6,15 Euro Zinsen auf ein Anderkonto des Treuhänders. Dieser beantragte die Anordnung der Nachtragsverteilung über das Guthaben.
Das Insolvenzgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Der für Insolvenzsachen zuständige neunte Senat des BGH folgt dieser Rechtsauffassung.
Eine Nachtragsverteilung könne nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur angeordnet werden, wenn nach dem Schlusstermin Gegenstände der Masse ermittelt würden. Diese Voraussetzungen lägen nicht vor. Der Anspruch des Mieters auf die Mietkaution gehöre, wenn der Insolvenzverwalter eine Enthaftungserklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO abgegeben habe, nicht mehr zur Insolvenzmasse.
Der Insolvenzverwalter könne das Mietverhältnis über die Wohnung des Wohnraummieters nicht nach § 109 Abs. 1 Satz 1 InsO kündigen. Er könne aber erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf der dort bestimmten Kündigungsfrist fällig würden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können (§ 109 Abs. 1 Satz 2 InsO). Mit dieser Regelung wollte der Gesetzgeber den Mieter vor Obdachlosigkeit schützen, die drohte, wenn der Insolvenzverwalter das Mietverhältnis über die Wohnung des Schuldners kündigte, um die Mietkaution für die Masse zu vereinnahmen.
Mit dem Wirksamwerden der Erklärung gehe die Verfügungs- und Verwaltungsbefugnis betreffend das Mietverhältnis über die Wohnung in vollem Umfang vom Verwalter wieder auf den Mieter über.
Die mit der Erklärung nach § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO verbundene Freigabe erstrecke sich auf dasjenige Vermögen des Mieters, das der weiteren Durchführung des Mietvertrags zuzuordnen sei. Vom Insolvenzbeschlag frei würden deshalb insbesondere alle mietvertraglichen Forderungen des Schuldners, die erst nach dem Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Enthaftungserklärung entstünden. Der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung einer geleisteten Mietkaution entstehe zwar aufschiebend bedingt bereits mit der Leistung der Kaution. Nach Sinn und Zweck der Mietkaution sei der Anspruch auf Rückzahlung jedoch der Fortsetzung des Mietverhältnisses nach dem Wirksamwerden der Enthaftungserklärung zuzuordnen. Deshalb sei es gerechtfertigt, dass mit der Freigabe des Mietverhältnisses auch der Anspruch auf Rückzahlung der Kaution aus dem insolvenzbefangenen Vermögen ausscheide, jedenfalls soweit es sich um eine Kaution im gesetzlich zulässigen Rahmen handelt.
Es bleibt abzuwarten, ob der achte Senat des BGH, der für Wohnraumsachen zuständig ist, sich dieser Rechtsauffassung anschließen wird.
21.08.2017