Leitsatz:
Zu den Anforderungen an die Darlegung eines zur Mietminderung berechtigenden Mangels (hier: Lärmbelästigungen in einem hellhörigen Gebäude).
BGH vom 21.2.2017 – VIII ZR 1/16 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 10 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mietparteien stritten um die Berechtigung einer Mietminderung wegen Lärms.
Der Mieter wohnte im 4. Obergeschoss eines 1954 gebauten Hauses. Er beanstandete fortwährend bestehende unzumutbare Lärmbelästigungen (unzumutbar laute Klopfgeräusche, festes Getrampel, Möbelrücken und so weiter), denen er in seiner Wohnung ausgesetzt sei. Nach seiner Meinung kämen die unzumutbaren Geräusche von den Mietern aus der Wohnung darüber.
In den Vorinstanzen hatten zwar mehrere Zeugen den geschilderten Lärm im Haus bestätigt; auch hatte der Mieter detaillierte Lärmprotokolle vorgelegt. Hieraus ließ sich aber nach Ansicht des Landgerichts nicht der Schluss ziehen, dass die Wohnung mangelhaft sei. Nicht jeder Lärm in einem hellhörigen Haus begründe einen Mietmangel. Außerdem habe der Mieter die Minderung nicht darauf gestützt, dass der nach dem Baujahr des Hauses geschuldete Schallschutz nicht eingehalten sei, sondern darauf, dass die Vermieterin nichts gegen die Lärmbelästigung durch Mitbewohner, insbesondere die Mieterin der Wohnung über ihm, unternommen habe. Das Amtsgericht habe daher zu Recht kein Sachverständigengutachten eingeholt, auch weil ein Sachverständiger keine Feststellungen zu Lärm in der Vergangenheit treffen könne.
Der BGH hob das Urteil der Vorinstanz auf und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück.
Es liege auf der Hand, dass es einem Mieter, der die Miete wegen Lärms mindert, nicht in erster Linie um die Ursache des Lärms, sondern um die für ihn nachteiligen Auswirkungen bei der Nutzung seiner Wohnung gehe. Denn die Minderung der Miete hänge nicht davon ab, ob ein für den Mieter nicht mehr hinnehmbarer Lärm durch Baumängel, durch unangemessenes Wohnverhalten des einen oder anderen Mitbewohners oder durch ein Zusammenwirken mehrerer Ursachen ausgelöst werde. Hinzu komme, dass der Mieter in der Berufungsinstanz ausdrücklich klargestellt habe, dass der in seiner Wohnung wahrnehmbare und von den im Gebäude wohnenden Zeugen bestätigte unzumutbare Lärm und nicht dessen Ursache maßgeblich sei.
Da die Minderung nach § 536 Abs. 1 BGB kraft Gesetzes eintrete, genüge der Mieter seiner Darlegungslast schon mit der Darlegung eines konkreten Sachmangels, der die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch beeinträchtigt; das Maß der Gebrauchsbeeinträchtigung (oder einen bestimmten Minderungsbetrag) brauche er hingegen nicht. Von ihm ist auch nicht zu fordern, dass er über eine hinreichend genaue Beschreibung der Mangelerscheinungen („Mangelsymptome“) hinaus die ihm häufig nicht bekannte Ursache dieser Symptome bezeichne. Vielmehr obliege es dem Gericht schon dann, wenn der Mieter einen Mietmangel durch Beschreibung der Mangelsymptome darlegt, die für das Vorliegen des Mangels angebotenen Beweise zu erheben und – im Falle eines beantragten Sachverständigengutachtens – dem Sachverständigen die beweiserheblichen Fragen zu unterbreiten.
So liegen die Dinge auch hier. Der Mieter habe die Lärmbelastung, der er sich in seiner Wohnung ausgesetzt sehe, ausreichend beschrieben und überdies durch detaillierte „Lärmprotokolle“ konkretisiert, derer es nach der Rechtsprechung des BGH bei ausreichender Beschreibung wiederkehrender Lärmbeeinträchtigungen nicht einmal bedarf (BGH vom 20.6. 2012 – VIII ZR 268/11 -). Zur Ursache des beanstandeten Lärms hätte der Mieter nichts weiter vortragen müssen, zumal es ihm als Laien weder möglich sei, die Lärmquelle einer bestimmten anderen Wohnung zuzuordnen, noch darzulegen, ob der als unzumutbar empfundene Lärm auf einem unangemessenen (nicht mehr sozialadäquaten) Wohnverhalten anderer Bewohner des Hauses, auf einem mangelhaften Schallschutz (Nichteinhaltung der zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes geltenden Schallschutzvorschriften) oder auf einer Kombination beider Ursachen beruhe. Wenn der Mieter gleichwohl eine aus seiner Sicht bestehende Lärmursache benenne, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, er wolle Mängelrechte nur für den Fall geltend machen, dass ausschließlich diese Ursache und nicht eine andere zutreffe.
Dass der Mieter nicht ausdrücklich geltend gemacht habe, die Ursache des Lärms könne auch in der Nichteinhaltung der zur Errichtung des Gebäudes geltenden Schallschutzvorschriften liegen, sei unschädlich. Zwar könne ein Mieter nach der Rechtsprechung des BGH mangels konkreter anderweitiger Vereinbarungen in seiner Wohnung nur einen Schallschutz erwarten, der dem zur Zeit der Errichtung des Gebäude geltenden Standard entspreche (vgl. zuletzt BGH vom 5.6.2013 – VIII ZR 287/12 –). Das enthebe den Tatrichter aber – selbstverständlich – nicht von der Notwendigkeit der Einholung eines beantragten Sachverständigengutachtens, mit dessen Hilfe genau diese Prüfung erst vorgenommen werden könne. Zudem liege nach den Angaben, die die als Zeugen vernommenen Bewohner des Gebäudes zur Intensität der in den Wohnungen wahrnehmbaren Geräusche aus anderen Wohnungen, aus dem Treppenhaus und sogar aus dem Nachbarhaus gemacht haben, die Möglichkeit nicht fern, dass selbst der vergleichsweise niedrige Schallschutzstandard im Zeitpunkt der Errichtung des aus der Nachkriegszeit stammenden Gebäudes nicht eingehalten ist. Sollte dies der Fall sein, sei es nicht auszuschließen, dass auch sozialadäquates Wohnverhalten von Mitbewohnern, etwa wegen bestehender Schallbrücken, zu einer schlechthin unzumutbaren und deshalb als Mietmangel einzustufenden Lärmbelastung in der Wohnung des Mieters geführt und ihn auch zur Minderung der Miete berechtigt habe.
Zusammenfassend lassen sich aus dieser Entscheidung folgende Ergebnisse ableiten: Mindert ein Mieter wegen Lärmbelastung der Wohnung die Miete, muss er nur darlegen, wie sich der Lärm bemerkbar macht. Zur Mangelursache muss er nichts vortragen. Nennt er dennoch eine Ursache, engt dies sein Minderungsrecht nicht auf solche Mängel ein, die auf dieser Ursache beruhen. Ein Sachverständigenbeweis zu Baumängeln ist auch dann einzuholen, wenn der Mieter „nur“ lärmendes Wohnverhalten von Nachbarn rügt. Falsche Vermutungen des Mieters zu den Mängelursachen schaden also nicht!
22.05.2017