Leitsatz:
Die Kosten eines externen Dienstleisters für die regelmäßige Kontrolle der Restmüllbehälter des Mietobjekts auf Einhaltung der satzungsmäßigen Vorgaben für die Mülltrennung und für die bei fehlerhafter Abfalltrennung erfolgende Nachsortierung von Hand sind im Wohnraummietverhältnis gemäß § 2 Nr. 8 BetrKV auf den Mieter umlegbare Betriebskosten.
BGH vom 5.10.2022 – VIII ZR 117/21 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 24 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mietvertragsparteien stritten unter anderem darüber, ob die Mieter verpflichtet seien, anteilig die für die Überprüfung der ordnungsgemäßen Mülltrennung einschließlich des Nachsortierens durch einen externen Dienstleister anfallenden Kosten als Betriebskosten zu tragen.
Der Mietvertrag enthielt auszugsweise folgende Vereinbarungen:
„Der Mieter hat alle Betriebskosten im Sinne des § 19 Wohnraumförderungsgesetz (WoFG) in Verbindung mit § 2 der Verordnung über die Aufstellung von Betriebskosten (BetrKV) zu tragen. Hierauf werden u.a. Vorauszahlungen erhoben für Allgemeine Betriebskosten (kalte Betriebskosten), insbesondere:
…
f) Müllbeseitigung (§ 2 Nr. 8 BetrKV)
…
o) Sonstige Betriebskosten (§ 2 Nr. 17 BetrKV), so insbesondere für Dachrinnen- und Gullyreinigung, den Betrieb von Notstromaggregaten, den Betrieb von Brandschutz-, Brandmelde-, Lüftungs-, Tür- und Tor-, Notlicht-, Notruf- und Brunnenanlagen, Wartung und Pflege von Türsprech-, Öffner- und Müllabwurfanlagen.
…“
Nach Nr. 2 der in den Mietvertrag einbezogenen „Allgemeinen Vertragsbestimmungen (AVB)“ des Wohnungsunternehmens war dieses berechtigt, „neu entstehende Betriebskosten entsprechend den gesetzlichen Vorschriften geltend zu machen“.
Das Wohnungsunternehmen beauftragte einen externen Dienstleister mit der Erbringung eines sogenannten Behältermanagements, in dessen Rahmen der Restmüll der Mieter auf fehlerhafte Mülltrennung überprüft und gegebenenfalls von Hand nachsortiert wird.
Auf die Mieter entfiel dabei im Jahr ein Betrag von 12,09 Euro für das „Behältermanagement“. Das Wohnungsunternehmen zog den sich aus der Betriebskostenabrechnung ergebenden Nachzahlungsbetrag vom Konto der Mieter ein. Die Mieter widersprachen der Betriebskostenabrechnung fristgemäß.
Amtsgericht und Landgericht haben die auf anteilige Rückzahlung der Kosten für das „Behältermanagement“ gerichtete Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Revision zugelassen.
In der Revisionsinstanz bestätigte der BGH das landgerichtliche Urteil.
Die Kosten des externen Dienstleisters für die regelmäßige Kontrolle der Restmüllbehälter der Liegenschaft auf Einhaltung der satzungsmäßigen Vorgaben für die Mülltrennung und für die bei fehlerhafter Abfalltrennung erfolgende Nachsortierung von Hand seien grundsätzlich auf den Mieter umlegbare Betriebskosten im Sinne von § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrKV. Sie entstünden der Grundstückseigentümerin regelmäßig wiederkehrend durch die Mietnutzung des Grundstücks und seien insbesondere nicht den durch die Grundmiete abgedeckten Verwaltungskosten zuzuordnen.
Dem könne nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass die betreffende Maßnahme eine Reaktion des Vermieters auf ein fehlerhaftes Mülltrennungsverhalten von Teilen der Mieterschaft sei, die diesbezüglichen Kosten also durch ein vertragswidriges Verhalten von Mietern verursacht und demzufolge nicht – wie es § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB voraussetze – durch einen bestimmungsgemäßen Gebrauch entstanden seien.
Denn der durch das vorgenannte Merkmal beschriebene erforderliche Bezug der Kosten zur Mietsache bestehe nach der Rechtsprechung des BGH (Sperrmüllurteil vom 13.1.2010 – VIII ZR 137/09 –) unabhängig davon, ob die von dem Vermieter im Rahmen der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Grundstücks vorgenommene Maßnahme der Müllbeseitigung auch durch den auf Zahlung von Betriebskosten in Anspruch genommenen Mieter oder allein durch andere Mieter oder Dritte veranlasst wurde und ob deren Verhalten als vertrags- oder rechtswidrig einzuordnen sei.
Auch der Einwand, das gesamtgesellschaftliche Interesse an einer optimalen Trennung und Wiederverwertung des Mülls könne einen „Bezug zum einzelnen Mietvertrag“ nicht begründen, gehe bereits deshalb fehl, weil die Einordnung von Kosten als Betriebskosten nach § 556 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrKV einen solchen individuellen Bezug zum Mieter nicht verlange. Maßgeblich sei vielmehr, dass es sich um Kosten handele, die durch die Bewirtschaftung des betreffenden Grundstücks im Rahmen der Vermietung entstünden.
Der zwischen den Parteien geschlossene Mietvertrag sehe mit einer beispielhaften Auflistung der umlegbaren Betriebskosten und über die zudem enthaltene allgemeine Verweisung auf „alle Betriebskosten“ im Sinne von § 2 BetrKV auch eine Umlage von „Kosten der Müllbeseitigung“ auf die Mieter vor. Diese wirksam getroffene Umlagevereinbarung umfasse die in Rede stehenden Kosten unabhängig davon, dass diese erstmals längere Zeit nach dem Vertragsschluss angefallen seien.
Der Tatbestand des § 2 Nr. 8 BetrKV („Müllbeseitigung“) sei hierbei weit auszulegen und umfasse auch den privat veranlassten Aufwand des Vermieters für auf die Kontrolle und Sortierung der Müllbehälter gerichtete Tätigkeiten eines externen Dienstleisters. Das ergebe sich ohne Weiteres daraus, dass der Verordnungsgeber unter § 2 Nr. 8 BetrKV „de(n) gesamte(n) Sachverhalt ´Müllbeseitigung´“ erfassen (so ausdrücklich BR-Drucks. 568/03, S. 31) und dessen Umlage auf den Mieter ermöglichen wollte. Zu diesem Zweck habe er den Wortlaut gegenüber der Vorgängerregelung in Nr. 8 der Anlage 3 zur II. Berechnungsverordnung neu gefasst, insbesondere den Begriff „Müllbeseitigung“ statt der früheren – engeren – Formulierung „Müllabfuhr“ verwendet, die Kosten des Betriebs bestimmter, der eigentlichen Müllabfuhr vorgelagerter technischer Einrichtungen wie Müllkompressoren, Müllschlucker, Müllabsauganlagen und Müllmengenerfassungsanlagen aufgezählt, diese zugleich aber lediglich beispielhaft genannt („namentlich“; vgl. BR-Drucks. 568/03, S. 31).
Die hier in Rede stehenden Maßnahmen zur Verringerung des – besonders kostenintensiven – Restmülls seien dabei vergleichbar mit den in der Vorschrift genannten „Müllkompressoren“, welche mittels Verdichtung das Abfallvolumen zur Einsparung von Abfallgebühren reduzieren sollen. Wie diese und die gleichfalls in § 2 Nr. 8 BetrKV erwähnten „Müllmengenerfassungsanlagen“ dienten sie auch der Vorbereitung der Müllbeseitigung und seien damit dem – vom Verordnungsgeber so bezeichneten – „Sachverhalt Müllbeseitigung“ zuzuordnen.
Das Berufungsgericht habe auch zu Recht einen in der Beauftragung eines externen Dienstleisters mit der Kontrolle und gegebenenfalls Nachsortierung des Restmülls liegenden Verstoß des Vermieters gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (§ 556 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2, § 560 Abs. 5 BGB) verneint.
Zwar sei es zutreffend, dass der Vermieter bei einem Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot die durch die Beauftragung des externen Dienstleisters mit der Kontrolle der Restmüllbehälter und mit der Nachsortierung von Hand entstandenen Kosten nicht auf die Mieter umlegen könne.
Denn den Vermieter treffe die vertragliche Nebenpflicht, bei Maßnahmen und Entscheidungen, die Einfluss auf die Höhe der vom Mieter zu tragenden Betriebskosten haben, auf ein angemessenes Kosten-Nutzen-Verhältnis Rücksicht zu nehmen. Eine Verletzung dieser Pflicht durch den Vermieter könne zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB führen, der sich auf dessen Freihaltung von den unnötigen Kosten richte.
Die Darlegungs- und Beweislast für ein in diesem Sinne pflichtwidriges Verhalten des Vermieters trage aber der Mieter, der wegen einer Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebots Ansprüche erhebe. Vorliegend hätten die Mieter aber eine diesbezügliche Pflichtverletzung des Vermieters nicht (hinreichend) dargelegt.
24.01.2023