Leitsätze:
a) Die Mietsache wird dem Vermieter dann im Sinne des § 546 a Abs. 1 BGB nach Beendigung des Mietverhältnisses vorenthalten, wenn der Mieter die Mietsache nicht zurückgibt und das Unterlassen der Herausgabe dem Willen des Vermieters widerspricht.
b) An einem Rückerlangungswillen des Vermieters fehlt es etwa, wenn er – trotz Kündigung des Mieters – von einem Fortbestehen des Mietverhältnisses ausgeht.
c) Fehlt es an einem Rückerlangungswillen des Vermieters, steht diesem ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung nach § 546 a BGB grundsätzlich auch dann nicht zu, wenn der Mieter zur Rückgabe der Mietsache außerstande ist und die subjektive Unmöglichkeit durch ihn selbst verursacht wurde.
d) Zum Anspruch des Vermieters gegen den Mieter, der die Mietsache über die vereinbarte Laufzeit hinaus nutzt, auf Herausgabe des tatsächlich gezogenen Nutzungswerts wegen ungerechtfertigter Bereicherung.
e) Ein bereicherungsrechtlicher Nutzungsersatzanspruch des Vermieters wird weder durch § 546 a BGB ausgeschlossen noch durch die §§ 987 ff. BGB verdrängt.
BGH vom 12.7.2017 – VIII ZR 214/16 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 17 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der alleinige Mieter überließ nach seiner Ehescheidung die Wohnung seiner Ex-Frau und zahlte die Miete einige Jahre lang weiter. Schlüssel zu der Wohnung besaß er nicht mehr. Als er das Mietverhältnis zum 31.8.2014 kündigte, hielt der Vermieter die Kündigung rechtsirrig für unwirksam und forderte die ausstehende Miete beziehungsweise Nutzungsentschädigung ab September 2014. Die Ex-Frau wohnte weiterhin in der Wohnung.
Zur seiner Überraschung bekam der Vermieter vor Gericht jedoch keinen Cent zugesprochen: Der BGH verneinte zunächst den Anspruch auf Miete wegen der wirksamen Kündigung des Mieters.
Aber auch einen Nutzungsentschädigungsanspruch nach § 546 a BGB gewährte der BGH nicht. Der Mieter habe dem Vermieter die Wohnung nicht vorenthalten im Sinne dieser Vorschrift, auch wenn er die Wohnung nicht zurückgegeben habe.
Denn eine Voraussetzung für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung sei der Rücknahmewille des Vermieters, den dieser aber wegen seines Beharrens auf der Unwirksamkeit der mieterseitigen Kündigung nicht gehabt hätte. Aus welchem Grund der Vermieter den Mietvertrag nicht als beendet ansehe, namentlich eine vom Mieter ausgesprochene Kündigung für unwirksam erachte, sei für den Rückschluss auf einen fehlenden Rücknahmewillen ohne Bedeutung. Entscheidend sei allein, dass und nicht warum der Vermieter vom Fortbestand des Mietverhältnisses ausgehe.
Der Umstand, dass der Mieter mangels Schlüsseln die Wohnung gar nicht herausgeben konnte, führe nicht zu einem Anspruch auf Nutzungsentschädigung, wenn es am Rücknahmewillen des Vermieters mangele. Sei für den Tatbestand der Vorenthaltung die Willensrichtung des Vermieters ein entscheidender Gesichtspunkt, so könne es nicht allein darauf ankommen, ob der Mieter zur Rückgabe in der Lage sei oder nicht.
Scheide ein Anspruch des Vermieters nach § 546 a BGB demnach aus, sei jedoch zu prüfen, ob nicht doch ein bereicherungsrechtlicher Ausgleichsanspruch nach §§ 812, 818 BGB bestehe.
Nutze ein Mieter die Sache über die vereinbarte Laufzeit hinaus, so sei er ohne rechtlichen Grund um den tatsächlich gezogenen Nutzungswert bereichert und zu dessen Herausgabe verpflichtet. Eine solche Verpflichtung könne grundsätzlich auch dann vorliegen, wenn der Mieter die Sache nicht selbst nutze, sondern sie einem Dritten überlassen habe und hierdurch eine ungerechtfertigte Bereicherung des Mieters eingetreten sei.
Da der Mieter in unserem Fall die Wohnung nicht mehr selbst genutzt hat, kommt ein Bereicherungsanspruch nur in Betracht, wenn er durch die Überlassung der Wohnung an seine geschiedene Ehefrau Einkünfte erzielt oder eigene Aufwendungen, etwa in Form von sonst zu zahlendem Unterhalt – erspart hat. Ob dies der Fall ist, muss nun das Landgericht klären, an das der BGH den Rechtsstreit zurückverwiesen hat.
23.10.2017