Leitsätze:
a) An die Stelle einer nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksamen Klausel zur Durchführung von Schönheitsreparaturen durch den Mieter bei einer ohne angemessenen Ausgleich unrenoviert beziehungsweise renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung tritt nach § 306 Abs. 2 BGB die gesetzliche Regelung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB.
b) Die hiernach den Vermieter treffende Instandhaltungslast – vorliegend die Ausführung von Schönheitsreparaturen – bestimmt sich nach dem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand; dies kann auch der unrenovierte beziehungsweise renovierungsbedürftige Zustand der Wohnung zum Zeitpunkt ihrer Überlassung sein. Bei einer wesentlichen Verschlechterung des anfänglichen Dekorationszustandes kommt ein Instandhaltungsanspruch des Mieters in Betracht. Da die (Wieder-)Herstellung dieses ursprünglichen Dekorationszustands der Wohnung in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll ist und deshalb nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien liegt, ist in diesen Fällen allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch welche der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Mit Rücksicht auf Treu und Glauben (§ 242 BGB) kann der Mieter eine solche Renovierung verlangen, muss sich aber wegen der dadurch bewirkten Besserstellung gegenüber dem unrenovierten (vertragsgemäßen) Zustand bei Mietbeginn in angemessenem – in der Regel hälftigem – Umfang an den erforderlichen Kosten beteiligen.
c) Diese Kostenbeteiligung kann der auf Durchführung von Schönheitsreparaturen in Anspruch genommene Vermieter dem Mieter nach Art eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 Abs. 1 BGB) entgegenhalten. Der Mieter kann – insbesondere zur Vermeidung eines teilweisen Unterliegens – im Klageverfahren seiner Kostenbeteiligungspflicht dadurch Rechnung tragen, dass er die Vornahme der Schönheitsreparaturen nur Zug um Zug gegen Zahlung seines Kostenbeitrags verlangt.
BGH vom 8.7.2020 – VIII ZR 270/18 –
BGH vom 8.7.2020 – VIII ZR 163/18 –
Langfassungen:
VIII ZR 270/18: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 19 Seiten]
VIII ZR 163/18: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 22 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieter der beiden entschiedenen Fälle hatten vor 14 beziehungsweise 25 Jahren eine unrenovierte Wohnung angemietet. Ihnen war mietvertraglich die Schönheitsreparaturenpflicht aufgebürdet worden, ohne dass sie einen entsprechenden Geldausgleich für die Renovierungsbedürftigkeit der Wohnung zu Mietbeginn erhalten hätten. Beide Mieter machten nunmehr einen Anspruch auf Renovierung gegen ihre Vermieter geltend.
Der BGH entschied wie aus den Leitsätzen ersichtlich und begründet wie folgt:
1. Die formularvertragliche Überwälzung der Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen sei jeweils nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam, da die Wohnungen den Mietern unrenoviert überlassen und ihnen ein angemessener Ausgleich nicht gewährt wurde.
2. An die Stelle dieser unwirksamen Klauseln trete gemäß § 306 Abs. 2 BGB die dispositive gesetzliche Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB, so dass die Vermieter die Instandhaltungslast, zu der auch die Ausführung von Schönheitsreparaturen gehört, in vollem Umfang zu tragen hätten.
3. Nicht richtig sei hingegen die in der Rechtsprechung teilweise vertretene Auffassung, im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung treffe hier keine der Mietvertragsparteien eine Verpflichtung zur Renovierung. Für eine ergänzende Vertragsauslegung (§ 157 BGB) sei in Fällen wie dem vorliegenden kein Raum, da mit § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB eine spezielle gesetzliche Regelung existiere, welche die Pflicht zur Instandhaltung der Mietsache dem Vermieter auferlege.
4. Ebenfalls unrichtig sei es, wenn der unwirksamen Formularklausel der Inhalt beigemessen werde, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und deshalb treffe ihn – ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustand bei Mietbeginn – eine uneingeschränkte Renovierungspflicht.
5. Vielmehr sei grundsätzlich der bei Überlassung der Wohnung unrenovierte Zustand vertragsgemäß. Denn bei dem hier maßgebenden Dekorationszustand der Wohnung handele es sich um einen für beide Parteien ohne Weiteres wahrnehmbaren Umstand. Die Wohnung wurde vor Abschluss des Mietvertrags besichtigt. Danach war für die Mieter mangels abweichender Abreden klar ersichtlich, dass sie eine unrenovierte Wohnung anmieten.
Der Annahme des unrenovierten Zustands der Wohnung als vertragsgemäß stehe auch nicht entgegen, dass es an einer konkreten Beschaffenheitsvereinbarung in Bezug auf den schlechten Anfangszustand fehle. Denn die Bestimmung des vertragsgemäßen Zustands setze nicht zwingend Parteivereinbarungen voraus. Fehlten diese, seien die Verkehrsanschauung sowie der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) maßgebend.
6. Hiernach sei der unrenovierte Zustand der Wohnung bei Überlassung an die Mieter der vertragsgemäße Zustand und bestimme deshalb – grundsätzlich – den Umfang der Erhaltungspflicht der Vermieter.
7. Auch könnten einem Mieter, der eine Wohnung mit „gebrauchter Dekoration“ anmietet und bereits vorhandene Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert, nicht allein deshalb jegliche Ansprüche infolge eines weiteren Verschleißes abgesprochen werden. Vielmehr könne auch eine bereits renovierungsbedürftige Wohnung durchaus noch weiter abgenutzt werden (vgl. BGH vom 1.7.1987 – VIII ARZ 9/86 –), und es stehe dem Mieter bei einer weiteren (wesentlichen) Verschlechterung des Dekorationszustandes, wie er hier angesichts des zeitlichen Ablaufs von rund 14 beziehungsweise 25 Jahren nahe liege und von den Mietern auch geltend gemacht worden sei („Vergrauungen“ und „Vergilbungen“), ein Instandhaltungsanspruch zu.
8. Allerdings sei die Wiederherstellung des bei Mietbeginn vorhandenen (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustands in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll, und liege deshalb auch nicht im Interesse der Mietvertragsparteien. Vielmehr seien in diesen Fällen allein solche Arbeiten sach- und interessengerecht, welche zu einem (frisch) renovierten Zustand der Wohnung führten. Der Mieter erhalte damit eine Wohnung mit einem besseren als dem als vertragsgemäß akzeptierten anfänglichen Dekorationszustand. Da sich der Mieter auf den unrenovierten (Soll-)Zustand eingelassen und das Vorhandensein von Gebrauchsspuren als vertragsgemäß akzeptiert habe, wäre es unbillig, den Vermieter mit sämtlichen Kosten einer Renovierung zu belasten. Nach der gebotenen wertenden Betrachtungsweise unter Beachtung des mietvertraglichen Äquivalenzverhältnisses entspreche es dem Willen redlicher, die beiderseitigen Interessen berücksichtigenden und um deren angemessenen Ausgleich bemühten Vertragspartner eines Dauerschuldverhältnisses, dass Renovierungsarbeiten vorgenommen werden und zwar solche, durch welche die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt werde, und sich der Mieter seinerseits an den Kosten in angemessenem Umfang beteilige.
9. Damit könne sich ein Vermieter nicht mit Erfolg darauf berufen, ihm sei die Wiederherstellung des unrenovierten Anfangszustands unmöglich, so dass ein Anspruch des Mieters auf Vornahme von Schönheitsreparaturen ausgeschlossen sei (§ 275 Abs. 1 BGB). Vielmehr sei der unter Beachtung der vorstehend dargestellten Maßstäbe von Treu und Glauben (§ 242 BGB) gegebene Anspruch des Mieters vom Vermieter erfüllbar.
10. Die Bestimmung des Umfangs der Kostenbeteiligung im Einzelfall sei Sache des Tatrichters, der insoweit von der ihm nach § 287 Abs. 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen könne. Unter angemessener Berücksichtigung der wechselseitigen Interessenlage von Vermieter und Mieter werde, soweit nicht im Einzelfall Besonderheiten vorliegen, in der Regel eine hälftige Kostenbeteiligung sachgerecht sein.
27.10.2020