Leitsatz:
Zur Untervermietung bei einer aus beruflichen Gründen genutzten Nebenwohnung.
BGH vom 27.9.2023 – VIII ZR 88/22 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 17 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Berliner Mietwohnung hatte drei Zimmer auf einer Wohnfläche von etwa 72 m2. Nachdem der Mieter zunächst allein in die Wohnung eingezogen war, bewohnte er die Wohnung später zusammen mit seiner Ehefrau und einem gemeinsamen Kind. Nach der Geburt eines weiteren Kindes zog die Familie ins Umland in eine gemietete Doppelhaushälfte mit Garten, welche von der Mietwohnung rund 17 Kilometer entfernt liegt. Erstmalig mit Schreiben vom 10. Mai 2019 bat der Mieter die Vermieterin der Stadtwohnung um die Erlaubnis, zwei Zimmer der Wohnung ohne zeitliche Begrenzung an zwei namentlich genannte Personen unterzuvermieten. Die Vermieterin erteilte zunächst eine bis zum 30. Juni 2020 befristete Erlaubnis. Spätere Begehren des Mieters auf Erteilung einer entsprechenden Erlaubnis lehnte die Vermieterin ab.
Daraufhin klagte der Mieter auf Zustimmung zur unbefristeten Untervermietung von je einem Zimmer der Mietwohnung an zwei namentlich benannte Personen. Der Mieter trug vor, dass er die Wohnung in Berlin aus beruflichen Gründen weiterhin nutzen wolle. Er sei Geschäftsführer einer zehn Gehminuten von der Mietwohnung entfernt ortsansässigen Speditionsfirma, welche auf die Bereiche Lateinamerika und Mittlerer Osten spezialisiert sei. Aufgrund der Zeitverschiebung von bis zu zehn Stunden beginne sein Arbeitstag häufig früh und ende nach längeren Pausen am Nachmittag erst nachts gegen 2 Uhr. Er nutze die Mietwohnung unterhalb der Arbeitswoche zum Ausruhen und übernachte dort zwei bis drei Mal wöchentlich, um sich die Fahrtzeit zwischen der Doppelhaushälfte und seiner Arbeitsstätte zu ersparen, die sich ungeachtet der räumlichen Entfernung von unter 20 Kilometer auf mindestens 40 Minuten belaufe. Zudem habe er einen weiteren Sohn, der in Berlin-W. lebe und den er regelmäßig treffe. Das Landgericht wies die Klage ab.
Der BGH hingegen hielt das Urteil des Landgerichts für rechtsfehlerhaft und hob es auf. Der BGH begründete wie folgt: Nach der Rechtsprechung des BGH sei der Wunsch des Mieters nach einer Verringerung der von ihm zu tragenden Mietaufwendungen grundsätzlich als berechtigtes Interesse im Sinne der Vorschrift des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB an der Untervermietung eines Teils der Wohnung anzuerkennen. Denn der Gesetzgeber habe mit der Schaffung der Norm erkennbar unter anderem die Absicht verfolgt, dem Mieter eine Kostenentlastung durch eine Untervermietung zu verschaffen. Zur Beurteilung der Frage, ob ein berechtigtes Interesse vorliege, seien die tatsächlichen Umstände, auf denen der Wunsch des Mieters zur Aufnahme eines Dritten in die Wohnung beruhe, unter Berücksichtigung des mieterschützenden Zwecks der Regelung des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB umfassend zu würdigen. Der BGH habe bereits entschieden, dass § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB keine qualitativen Anforderungen bezüglich der verbleibenden Nutzung des Wohnraums durch den Mieter aufstelle. Vielmehr sei der Anspruch auf Gestattung der Untervermietung lediglich vom Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters sowie davon abhängig, dass er nur einen Teil des Wohnraums einem Dritten überlasse. Von der „Überlassung eines Teils des Wohnraums an Dritte“ sei dabei regelmäßig bereits dann auszugehen, wenn der Mieter den Gewahrsam an dem Wohnraum nicht vollständig aufgebe. Hierfür genüge es jedenfalls, wenn er ein Zimmer einer größeren Wohnung zurückbehalte, um hierin Einrichtungsgegenstände zu lagern und/oder dieses gelegentlich zu Übernachtungszwecken (Urlaub, kurzzeitiger Aufenthalt) zu nutzen. Daher sei nicht erforderlich, dass die Wohnung auch nach der Untervermietung Lebensmittelpunkt des Mieters bleibe.
Die hiergegen gerichteten Erwägungen des Berufungsgerichts, der Gesetzgeber habe lediglich den Bestand eines einzigen Mietverhältnisses als schützenswert angesehen und einen derartig weiten Anwendungsbereich des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht gewollt, fänden in der Gesetzgebungsgeschichte keine Stütze und verkennten den Sinn und Zweck der Regelung. Nach der gesetzgeberischen Wertentscheidung gingen die berechtigten Interessen des Mieters den Interessen des Vermieters grundsätzlich vor. Sie hätten nur dann zurückzustehen, wenn die beabsichtigte Gebrauchsüberlassung für den Vermieter unzumutbar wäre. Dementsprechend finde sich auch in den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien kein Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber lediglich den Bestand eines einzigen Mietverhältnisses als schützenswert angesehen hätte. Vielmehr spreche bereits die vom Gesetzgeber an anderer Stelle hervorgehobene Mobilität und Flexibilität in der heutigen Gesellschaft, welche eine doppelte Haushaltsführung beispielsweise aus beruflichen Gründen häufig bedingen wird, gegen ein zu enges Verständnis des berechtigten Interesses des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Zweck des § 553 Abs. 1 BGB bestehe demnach darin, dem Mieter die Wohnung, an der er festhalten will, zu erhalten. Schon weil der Mieter durch einen Mietvertrag nicht verpflichtet werde, in der Mietwohnung seinen Lebensmittelpunkt im Sinne des Hauptwohnsitzes zu begründen, sondern es seinen persönlichen Vorstellungen und seiner freien Entscheidung überlassen bleibe, wo er im herkömmlichen Sinne wohnt, könne nach dem Zweck der Norm das Fortbestehen des Hauptwohnsitzes beziehungsweise ein Zusammenhang hierzu nicht Voraussetzung für das Vorliegen des von ihr geforderten berechtigten Interesses sein.
Das Vorliegen eines berechtigten Interesses des Mieters im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB erfordere auch nicht, dass es dem Mieter bezogen auf die konkrete Höhe seiner Einkünfte und seines Vermögens nicht möglich sei, das Mietverhältnis auch ohne die Inanspruchnahme von Untermieteinnahmen fortzusetzen. Aufgrund des mieterschützenden Regelungszwecks der Norm reiche vielmehr jedes nachvollziehbare Interesse an einer finanziellen Ersparnis aus. Gleiches gelte auch für die fortdauernde Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz. Auch in diesem Zusammenhang sei nicht erforderlich, dass der Mieter auf die weiterhin beabsichtigte Nutzung der Wohnung als Nebenwohnsitz aus beruflichen Gründen, die das Berufungsgericht zu Unrecht als bloßen Komfortzuwachs abgetan habe, zwingend angewiesen sei. Schließlich scheitere die Annahme eines berechtigten Interesses auch in den Fällen, in denen – wie hier – der Mieter längerfristig oder dauerhaft seinen Hauptwohnsitz nicht in der Wohnung haben werde, deren Gebrauch er teilweise einem Dritten überlassen möchte, nicht bereits an einem Widerspruch zur geltenden Rechts- und Sozialordnung, weil dem Untermieter rechtlich nicht der gleiche Schutz zukomme wie dem Hauptmieter. Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB setze zwar voraus, dass dieses mit der geltenden Rechts- und Sozialordnung in Einklang stehe. Diese Voraussetzung sei jedoch nicht bereits deshalb zu verneinen, weil der (Haupt-)Mieter einer (in einem Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt liegenden) Mietwohnung bei einer Teilüberlassung des Gebrauchs im Wege der Untervermietung nicht den gleichen rechtlichen Beschränkungen unterliege wie ein regulärer Vermieter. Die Untervermietung als solche sei im Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs anerkannt. Der Umstand, dass der Untermieter im Vergleich zum Hauptmieter einen geringeren Bestandsschutz genieße (§ 573 a Abs. 2, § 546 Abs. 2 BGB), beruhe auf entsprechenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen.
Die Frage, ob die Konsequenzen, die sich aus der Kombination eines Anspruchs auf Gestattung der teilweisen Gebrauchsüberlassung an Dritte mit den auf Untermietverhältnisse anwendbaren Vorschriften ergäben, gesellschaftlich oder wohnungspolitisch unerwünscht seien, sei im Grundsatz rechtspolitischer Natur und könne dem Mieter, der sich mit Recht auf § 553 Abs. 1 Satz 1 BGB berufe, nicht entgegengehalten werden.
31.01.2024