Leitsatz:
Eine Vertragsbestimmung, die die Beendigung eines Mietvertrags an die Beendigung eines (unbefristeten) Arbeits- oder Dienstverhältnisses knüpft, stellt eine auflösende Bedingung dar. Macht der Mieter deutlich, nicht ausziehen zu wollen und somit die Bedingung nicht gegen sich gelten zu lassen, wird das Mietverhältnis zwischen den Parteien unverändert fortgesetzt.
BGH vom 11.11.2020 – VIII ZR 191/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe eines Reihenhauses in München.
Die Mieterin und ihr – seit dem Jahr 1969 als Diakon im kirchlichen Dienst der Kirche in Bayern beschäftigter – Ehemann hatten das Reihenhaus mit Vertrag vom 7.2. 1977 angemietet. Mit Rücksicht auf die Beschäftigung des Ehemanns als Diakon war in § 2 einer Anlage zum Mietvertrag vorgesehen:
„Das Mietverhältnis endet ohne weiteres mit dem Ausscheiden aus dem kirchlichen Dienst.“
Als der Ehemann zum 1.10.2002 in den Ruhestand trat, wurde das Mietverhältnis mit Rücksicht auf die Beschäftigung auch der Ehefrau und Mitmieterin im kirchlichen Dienst fortgesetzt. Nach dem Tod ihres Ehemanns bewohnte die Mieterin das Reihenhaus weiter. Sie wurde zum 31.5.2015 in den Ruhestand versetzt.
Unter dem 18.3.2015 hatte die Vermieterin die Mieterin wie folgt angeschrieben: „Da das Anstellungsverhältnis von Ihnen, Frau H. , mit ihrem Eintritt in den Ruhestand zum 31.5.2015 endet und somit auch Ihr Mietverhältnis gemäß § 2 des Mietvertrages vom 7.2.1977 nebst Anlage beendet wird, bitte ich um baldige Vereinbarung eines Rückgabetermins. …“.
Als die Mieterin nicht auszog, kam es zur Räumungsklage.
Am Ende des Instanzenweges stellte der BGH fest, dass das Mietverhältnis der Parteien entgegen der Mitteilung der Vermieterin im Schreiben vom 18.3.2015 nicht am 31.5.2015 geendet hatte. Die in § 2 der Anlage des Mietvertrags vom 7.2.1977 vereinbarte Klausel führe nicht dazu, dass das Mietverhältnis mit dem Eintritt des Ruhestands der Mieterin endete, obwohl diese das Mietverhältnis fortsetzen wollte.
Es könne dahinstehen, ob die Klausel überhaupt dahin auszulegen sei, dass sie auch den Fall erfasse, dass der Mieter bis zum Eintritt des Ruhestands in den Diensten der Vermieterin verbleibe und lediglich aus dem aktiven Dienstverhältnis ausscheide. Jedenfalls stelle eine Klausel, die die Beendigung eines Mietvertrags an die Beendigung eines (unbefristeten) Arbeits- oder Dienstverhältnisses – also an den Eintritt eines ungewissen Ereignisses – knüpfe, eine auflösende Bedingung dar. Auf eine solche auflösende Bedingung könne sich der Vermieter von Wohnraum jedoch gemäß § 572 Abs. 2 BGB nicht berufen.
Dies bedeute, dass es für die Annahme eines Fortbestands des Mietverhältnisses jedenfalls ausreiche, wenn der Mieter deutlich mache, nicht ausziehen und somit die Beendigung nicht gegen sich gelten lassen zu wollen, wie es hier die Mieterin im Anschluss an das Schreiben der Vermieterin vom 18.3.2015 getan habe. Ob in einem solchen Fall die auflösende Bedingung unwirksam sei oder – was der Wortlaut des § 572 Abs. 2 BGB nahelege – der Vermieter sich lediglich so behandeln lassen müsse, als sei die Bedingung nicht eingetreten, könne deshalb dahinstehen. Denn das Mietverhältnis werde in einem solchen Fall im Verhältnis der Parteien unverändert fortgesetzt.
Mangels einer Übergangsregelung finde die durch das am 1.9.2001 in Kraft getretene Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.2001 eingefügte Vorschrift des § 572 Abs. 2 BGB auch auf zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende Mietverhältnisse – wie hier – Anwendung.
25.01.2021