Leitsatz:
Sieht der Vermieter pflichtwidrig davon ab, den vorkaufsberechtigten Mieter über den Inhalt des mit einem Dritten über die Mietwohnung abgeschlossenen Kaufvertrags sowie über das Bestehen des Vorkaufsrechts zu unterrichten, so kann der Mieter, der infolgedessen von diesen Umständen erst nach Erfüllung des Kaufvertrags zwischen Vermieter und Drittem Kenntnis erlangt, Ersatz der Differenz von Verkehrswert und Kaufpreis (abzüglich im Falle des Erwerbs der Wohnung angefallener Kosten) verlangen. Dies gilt auch dann, wenn der Mieter sein Vorkaufsrecht nach Kenntniserlangung nicht ausgeübt hat (Fortführung von BGH, Urteil vom 15.6.2005 – VIII ZR 271/04, NJW-RR 2005, 1534).
BGH vom 21.1.2015 – VIII ZR 51/14 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Vermieter hatte ein Mehrfamilienhaus mit sieben Wohnungen zu Eigentumswohnungen umgewandelt. Er verkaufte das Haus mit sämtlichen Eigentumswohnungen zum Gesamtpreis von 1,3 Millionen Euro an einen Dritten. Der nach § 467 BGB zu ermittelnde anteilige Kaufpreis für die Mieterwohnung betrug 186 571 Euro. Die Mieter wurden weder über den Kaufvertragsabschluss noch über ihr Vorkaufsrecht informiert. Nach dem Verkauf boten die neuen im Grundbuch eingetragenen Eigentümer die umgewandelten Wohnungen den dort wohnenden Mietern zu einem Preis von 266 250 Euro an, dem Verkehrswert der Wohnung. Die Mieter machten Schadensersatzansprüche geltend. Hätte der Vermieter sie informiert und ihr Vorkaufsrecht nicht vereitelt, hätten sie die Wohnung im Wert von 266 250 Euro zum Kaufpreis von 186 571 Euro erworben und somit einen Gewinn von mehr als 79 000 Euro gemacht. Der Bundesgerichtshof gab den Mietern dem Grunde nach Recht.
Der Vermieter sei zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er ein bereits ausgeübtes Vorkaufsrecht der Mieter vereitelt, weil er trotzdem an einen Dritten verkauft. Er sei genauso zum Schadensersatz verpflichtet, wenn er seine Mitteilungspflichten verletzt und der Mieter so vom Inhalt des Kaufvertrages und seinem Vorkaufsrecht erst nach Übereignung der Wohnung an einen Dritten Kenntnis erlangt und er aus diesen Gründen von seinem Vorkaufsrecht absieht beziehungsweise es gar nicht erfolgversprechend geltend machen kann. Schadensersatz müsse in Höhe der Differenz zwischen dem Wert der Wohnung und dem mit dem Dritten vereinbarten Kaufpreis gezahlt werden. Sinn und Zweck des gesetzlichen Vorkaufsrechts
bei umgewandelten Wohnungen sei es, die dort wohnenden Mieter vor Verdrängung durch Dritte zu schützen. Gleichzeitig solle den Mietern die Möglichkeit eröffnet werden, die Wohnung zu einem Kaufpreis zu erwerben, den auch ein Dritter zu zahlen bereit ist. Der Mieter solle von den ausgehandelten, günstigen Konditionen mit profitieren können. Durch die Verweisung in § 577 Absatz 1 Satz 3 BGB auf die Bestimmungen zum Vorkaufsrecht (§§ 463 ff. BGB) werde den Mietern im Wesentlichen die gleiche Rechtsstellung eingeräumt wie einem sonstigen Vorkaufsberechtigten.
Der BGH konnte nicht selbst entscheiden, sondern musste die Sache an das Landgericht zurückverweisen, damit dieses noch tatsächliche Feststellungen zur Entstehung eines kausalen Schadens und zu dessen Höhe nachholt, um die Sache abschließend entscheiden zu können.
08.05.2017