Leitsätze:
a) Eine Option zur Verlängerung eines Mietvertrags ist während der für das vermietete Grundstück bestehenden Zwangsverwaltung gegenüber dem Zwangsverwalter auszuüben.
b) Die Ausübung einer Verlängerungsoption ist nicht schriftformbedürftig im Sinne des § 550 Satz 1 BGB.
BGH vom 21.11.2018 – XII ZR 78/17 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mieterin hatte ein Gewerbeobjekt vom seinerzeitigen Eigentümer gemietet. Die Laufzeit war bis zum 31.1.2015 vereinbart. Laut Mietvertrag durfte die Mieterin eine Verlängerung des Mietverhältnisses um zehn Jahre über den vereinbarten Beendigungstermin hinaus verlangen, wenn sie das Optionsrecht spätestens fünf Monate vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit ausübt. Seit Juni 2014 stand das Mietobjekt unter Zwangsverwaltung. Am 27.8.2014 teilte die Mieterin dem Zwangsverwalter per Computerfax ohne Unterschrift mit, dass sie ihr Optionsrecht ausübe und sich der Mietvertrag damit um zehn Jahre verlängere.
Im Januar 2015 erwarb die derzeitige Vermieterin das Objekt in der Zwangsversteigerung. Im September 2015 kündigte sie das Mietverhältnis. Sie meinte, die Kündigung sei zulässig, da die Mieterin die Verlängerungsoption nicht wirksam ausgeübt habe, weil die Schriftform des § 550 BGB nicht eingehalten sei.
Der BGH sah das anders.
Die Willenserklärung der Mieterin sei dem Zwangsverwalter als richtigen Adressaten zugegangen. Mit der Bestellung eines Zwangsverwalters durch das Vollstreckungsgericht werde dem Eigentümer die Verwaltung und Benutzung seines Grundstücks entzogen und dem Zwangsverwalter zur Ausübung übertragen. Dieser habe die Rechte des Eigentümers im Rahmen der ihm nach § 152 ZVG obliegenden Aufgaben wahrzunehmen. Eine Verlängerungsoption sei während der Zwangsverwaltung daher ihm gegenüber auszuüben.
Dass die Verlängerungsoption durch ein nicht unterschriebenes Computerfax ausgeübt worden sei, stelle auch keinen Verstoß gegen die Schriftform des § 550 BGB dar. Die durch die Optionsausübung bewirkte Vertragslaufzeit bis zum Ablauf des 31.1.2025 binde mithin die Vertragsparteien und damit auch die Ersteherin, so dass eine vorzeitige ordentliche Kündigung ausscheide.
Die Frage, ob die Ausübung einer Verlängerungsoption dem Schriftformerfordernis des § 550 BGB unterfalle, berühre zwar nicht die Wirksamkeit der erfolgten Laufzeitverlängerung. Sie könne vielmehr nur Bedeutung dafür erlangen, ob eine Vertragspartei trotz des wirksam herbeigeführten neuen Vertragsendes schon vorzeitig den Vertrag durch ordentliche Kündigung beenden könne. Zwar bedürfe die Vereinbarung eines Optionsrechts der Schriftform des § 550 BGB, um nicht laufzeitschädlich zu sein. Dagegen unterfalle die Ausübung einer Verlängerungsoption selbst hingegen nicht § 550 BGB.
Die Vorschrift des § 550 BGB greife nicht ein, wenn einer Partei bereits im Mietvertrag die Möglichkeit eingeräumt sei, durch einseitige Willenserklärung eine Änderung der Vertragswirkungen herbeizuführen, und sie dann von dieser Möglichkeit Gebrauch mache. Durch die Verlängerungsoption komme kein neuer Vertrag zustande. Vielmehr wirke sie unmittelbar auf das bestehende Mietverhältnis ein, indem sie mit ihrer Gestaltungswirkung lediglich die ursprünglich vereinbarte Vertragslaufzeit ändere und ihr einen neuen Zeitabschnitt hinzufüge. Dabei handele es sich um die Wahrnehmung von zuvor vertraglich eingeräumter Rechtsgestaltungsmacht. Die Optionsausübung selbst sei daher kein von § 550 BGB erfasster Vertragsschluss.
Die § 550 BGB zugrunde liegenden Gesetzeszwecke geböten nichts anderes. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH diene die von § 550 BGB geforderte Beurkundung in erster Linie dem Informationsbedürfnis und damit dem Schutz des in den Vertrag gemäß § 566 Abs. 1 BGB eintretenden Erwerbers. Diesem solle durch die Schriftform ermöglicht werden, sich von Umfang und Inhalt der auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten zuverlässig zu unterrichten. Zusätzlich bezwecke die Schriftform des § 550 BGB, die Beweisbarkeit langfristiger Abreden sicherzustellen und als Übereilungsschutz die Vertragsparteien vor der unbedachten Eingehung langfristiger Bindungen zu warnen.
Dem werde es vollauf gerecht, zwar die Vereinbarung des Optionsrechts, nicht aber dessen Ausübung als schriftformbedürftig anzusehen. Enthalte die Mietvertragsurkunde eine Verlängerungsoption zugunsten des Mieters, könne der Grundstückserwerber der Urkunde zwar nicht entnehmen, ob die Option vor dem Eigentumserwerb ausgeübt wurde, so dass zunächst Ungewissheit darüber bestehen könne, ob das Mietverhältnis bald ende oder gegebenenfalls noch jahrelang fortbestehen werde. Dann sei der Erwerber aber durch die aus der Urkunde ersichtliche Option hinreichend gewarnt, so dass es ihm zuzumuten sei, sich bei dem Verkäufer oder dem Vermieter hierüber zu erkundigen. Insofern liege es anders als bei Fallgestaltungen, in denen sich aus dem schriftlichen Vertrag gerade kein Anlass für eine Nachfrage bei den bisherigen Vertragsparteien zu nicht schriftlich niedergelegten Vertragsbedingungen ergebe.
18.03.2019