Leitsatz:
Ist dem Mieter gestattet, ein im Eigentum des Vermieters stehendes weiteres Grundstück zu benutzen, das nicht Gegenstand des Mietvertrags ist, tritt bei einer späteren Veräußerung dieses Grundstücks der Erwerber nicht gemäß § 566 Abs. 1 BGB in den Mietvertrag ein.
BGH vom 4.9.2019 – XII ZR 52/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 24 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Die Mietvertragsparteien stritten unter anderem über die Wirksamkeit einer vermieterseitigen Kündigung. Der Gewerbemieter hielt die Kündigung für unwirksam, weil sie nur von dem Vermieter des von ihm angemieteten Grundstücks, nicht aber auch vom Erwerber des Nachbargrundstücks ausgesprochen worden war. Denn das Nachbargrundstück – das sein Vermieter nunmehr an den Erwerber verkauft hatte – habe er als Mieter mit Genehmigung seines Vermieters jahrelang für Anlieferungen und als Zufahrt mitbenutzen können.
Der Ansicht des Mieters folgte der BGH nicht. Der Käufer des Nachbargrundstücks sei nämlich nicht in den Mietvertrag gemäß § 566 BGB eingetreten.
Werde eine vermietete Räumlichkeit oder ein Grundstück nach der Überlassung an den Mieter von dem Vermieter an einen Dritten veräußert, trete gemäß § 566 Abs. 1 BGB der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten ein. Nach ihrem klaren Wortlaut knüpfe die Vorschrift tatbestandlich an die Veräußerung des Mietgegenstands an. Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift sei damit, dass es zu einem Wechsel des Eigentums an den Mieträumen beziehungsweise des Grundstücks komme. Die Vorschrift will den Mieter davor schützen, aufgrund einer Änderung der dinglichen Berechtigung an dem Mietgegenstand sein aus dem Mietvertrag gegenüber dem ursprünglichen Vermieter abgeleitetes Besitzrecht zu verlieren. Die ihm durch den Mietvertrag von seinem Vertragspartner eingeräumte Rechtsstellung – der berechtigte Besitz – solle ihm auch gegenüber einem späteren Erwerber des Grundstücks erhalten bleiben. Um diesen Zweck zu erreichen, sehe die Vorschrift als Rechtsfolge des Eigentumsübergangs vor, dass zwischen dem Erwerber des Grundstücks und dem Mieter ein neues Mietverhältnis entstehe, allerdings mit dem gleichen Inhalt, mit dem es zuvor mit dem Veräußerer bestanden habe.
Allein die Möglichkeit des Mieters, eine später veräußerte Grundstücksfläche im Rahmen des vertragsgemäßen Mietgebrauchs mitbenutzen zu dürfen, genüge für die Anwendung des § 566 Abs. 1 BGB jedoch nicht. Neben der Veräußerung der Mietsache setze die Vorschrift voraus, dass diese dem Mieter zum Zeitpunkt der Veräußerung bereits zum Gebrauch überlassen war. Erst die zum Erwerbszeitpunkt vom Besitz eines Mieters ausgehende Publizitätswirkung sei es, die einem Erwerber ermögliche, bereits aus der Besitzlage abzulesen, in welche Mietverhältnisse er eintreten müsse. Die tatsächlich ausgeübte Sachherrschaft bilde deshalb den Anknüpfungspunkt für den mit dieser Vorschrift bezweckten Mieterschutz. Eine Gebrauchsüberlassung wiederum sei mehr als die Gestattung oder Duldung eines (Mit-)Gebrauchs oder die bloße Einräumung der Möglichkeit zum (Mit-)Gebrauch. Sie erfordere die vom Vermieter vorzunehmende Verschaffung des ungestörten (Mit-)Besitzes an den Mieter, damit dieser die Mietsache, insbesondere auch unter Ausschluss des Vermieters, benutzen könne.
Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit des § 566 Abs. 1 BGB sei im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Mieter habe durch die Gestattung einer Nutzung der Grundstücksfläche zur Anlieferung keinen (Mit-)Besitz an dieser Fläche erhalten. Ihm sei diese Fläche daher weder ganz noch teilweise im Sinne von § 566 Abs. 1 BGB überlassen worden.
26.03.2020