Leitsätze:
a) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Sondereigentumseinheit, der bei der Nutzung des Gemeinschaftseigentums gegen eine von den Eigentümern vereinbarte oder beschlossene Gebrauchsregelung verstößt, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
b) Die Wohnungseigentümer haben gegen den Mieter einer Wohnungs- oder Teileigentumseinheit im Falle einer Nutzung, die der in der Teilungserklärung für diese Einheit getroffenen Zweckbestimmung widerspricht, einen Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB.
BGH vom 25.10.2019 – V ZR 271/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 16 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter eines im Erdgeschoss liegenden Teileigentums, welches in der Teilungserklärung mit „Laden“ bezeichnet ist, betrieb hierin eine Eisdiele mit Tischen und Stühlen auf dem Bürgersteig.
Die Eigentümergemeinschaft fühlte sich durch den erheblichen Kundenverkehr des Gastronomiebetriebs belästigt und verklagte den Mieter – nach entsprechender Beschlussfassung – auf Unterlassung des Betriebs der Eisdiele.
Das Landgericht gab der Klage statt. Der BGH bestätigte im Ergebnis diese Entscheidung.
Eine Wohnungseigentümergemeinschaft könne Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums gemäß § 1004 Abs. 1 BGB oder § 15 Abs. 3 WEG durch Mehrheitsbeschluss nach § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG an sich ziehen und sei dann allein zuständig für die gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Mieter.
Bisher war allerdings umstritten, ob die Wohnungseigentümer bei einer zweckwidrigen Nutzung einer Sonder- oder Teileigentumseinheit durch einen Mieter direkt gegen den Mieter vorgehen könnten. Die überwiegende Auffassung bejahte diese Möglichkeit jedenfalls dann, wenn eine vereinbarte Zweckbestimmung im Grundbuch eingetragen sei. Teilweise wurde ein Vorgehen gegen einen Mieter aber auch dann für möglich gehalten, wenn die Nutzung einer mehrheitlich beschlossenen Gebrauchsregelung widersprach. Demnach könne ein Eigentümer als Vermieter dem Mieter keine weitergehenden Rechte übertragen, als er selbst habe.
Eine andere Auffassung hielt ein direktes Vorgehen gegen einen Mieter nicht für möglich. Demnach sollten Vereinbarungen (und erst recht Beschlüsse) nur die Wohnungseigentümer binden, nicht aber Dritte.
Der BGH schloss sich nun – wie aus den Leitsätzen ersichtlich – der ersten Auffassung an und bejahte einen Unterlassungsanspruch der Wohnungseigentümer aus § 1004 BGB gegen den Mieter eines Sonder- oder Teileigentümers, wenn dieser die Einheit der Zweckbestimmung widersprechend nutze.
Diese Beeinträchtigung müssten die Wohnungseigentümer auch dann nicht dulden, selbst wenn der Mieter vertraglich im Verhältnis zu seinem Vermieter zu einer solchen Nutzung berechtigt sein sollte. Auch insoweit gelte, dass der Sondereigentümer, von dem der Mieter seine Nutzungsbefugnis ableite, diesem nicht mehr an Rechten übertragen könne, als er selbst im Verhältnis zu den anderen Wohnungseigentümern habe.
Im konkreten Fall verstoße die Nutzung der Teileigentumseinheit als Eisverkaufsstelle (Eisdiele) mit Bestuhlung gegen die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung, nach der die Einheit nur als „Laden“ genutzt werden dürfe.
Unter einem Ladenraum würden Geschäftsräume verstanden, in denen ständig Waren zum Verkauf dargeboten werden, bei denen aber der Charakter einer (bloßen) Verkaufsstätte im Vordergrund stehe. Den Betrieb einer Gaststätte umfasse dies regelmäßig nicht.
Bei typisierender Betrachtung störe die Nutzung einer Teileigentumseinheit als Eisdiele jedenfalls dann mehr als eine Nutzung als Ladengeschäft, wenn Außenflächen in Anspruch genommen würden, sei es durch eine Außenbestuhlung oder durch den Verkauf nach außen. Schon der Verzehr der angebotenen Speisen und Getränke außerhalb einer Eisdiele sei regelmäßig mit Geräuschen verbunden, die bei dem bloßen Erwerb von Waren innerhalb eines Ladengeschäfts nicht entstünden, etwa mit dem Klappern von Geschirr und dem Rücken von Stühlen. Vor allem aber entstehe durch die Kommunikation der Gäste untereinander – die auch dann zu erwarten sei, wenn lediglich ein Verkauf nach außen erfolge, weil dieser zu Stoßzeiten üblicherweise dazu führe, dass sich Warteschlangen bildeten – eine Geräuschkulisse, die bei einem Ladengeschäft, das die Kunden lediglich zum Erwerb von Waren aufsuchen und danach wieder verlassen, üblicherweise nicht entstehe. Hinzu komme, dass Eisdielen vor allem bei sommerlichem Wetter und dabei wiederum vornehmlich an den Wochenenden besonders stark frequentiert würden, dass heißt zu Zeiten, zu denen typischerweise auch die Wohnungseigentümer zu Hause sind und sich auf Balkonen aufhalten beziehungsweise ihre Fenster geöffnet haben, so dass die von den Gästen der Eisdiele erzeugte Geräuschkulisse für die Wohnungseigentümer verstärkt wahrnehmbar sei.
21.04.2020