Leitsätze:
a) Der Begriff der „Wohnfläche“ ist im Wohnraummietrecht auch bei freifinanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Bestimmungen auszulegen.
b) Eine hiervon abweichende Berechnung erfolgt unter anderem dann, wenn ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich ist. Eine solche maßgebende Verkehrssitte setzt voraus, dass abweichend von den sonst anwendbaren Bestimmungen – vorliegend der Wohnflächenverordnung – ein anderes Regelwerk, mithin die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 insgesamt angewendet wird.
BGH vom 17.4.2019 – VIII ZR 33/18 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 18 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Da eine Mietminderung wegen Wohnflächenabweichung voraussetzt, dass die Flächendifferenz mindestens 10 Prozent beträgt, kann es im Einzelfall von Bedeutung sein, ob bei der Wohnflächenberechnung der Balkon der Wohnung mit der Hälfte der Grundfläche oder aber mit nur einem Viertel angesetzt wird.
Im zu entscheiden Fall war die Wohnfläche der 2007 angemieteten Wohnung im Mietvertrag mit 94,48 Quadratmetern angegeben. Tatsächlich war die Wohnung gemäß einem Sachverständigengutachten aber nur 84,01 Quadratmeter groß. Der Sachverständige hatte den Balkon nach der Wohnflächenverordnung mit einem Viertel der Grundfläche angesetzt. Hiergegen wandte sich der Vermieter und verlangte die hälftige Berücksichtigung. In diesem Falle wäre die Minderung knapp an der erforderlichen 10-Prozent-Differenz gescheitert.
Der BGH folgte dem Sachverständigen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des 8. Senats des BGH sei der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei freifinanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsschlusses geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln. Etwas anderes gelte dann, wenn die Mietvertragsparteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender sei.
Eine andere, ortsübliche Berechnungsmethode könne sich aber nur ergeben, wenn sich vor Ort eine Verkehrssitte zur Anwendung eines anderen Regelwerks gebildet habe. Es reiche dafür nicht aus, wenn Vermieter oder große Teil der Vermieter das Regelwerk „Wohnflächenverordnung“ falsch anwenden oder mit anderen Regelwerken, zum Beispiel der II. Berechnungsverordnung oder DIN-Vorschriften, vermischen würden.
Wichtig: Bei Mietverträgen, die vor dem 1.1.2004 abgeschlossen wurden, gilt demnach die II. Berechnungsverordnung, die die Balkonflächen nur zur Hälfte berücksichtigte.
17.06.2019