Leitsatz:
Die Wohnfläche ist auch bei frei finanzierten Wohnungen grundsätzlich anhand der Regeln für preisgebundenen Wohnraum zu berechnen. Welche dies sind, richtet sich nach dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses und nicht dem der (erstmaligen) Berechnung der Wohnfläche.
BGH vom 17.10.2023 – VIII ZR 61/23 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 14 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Ist die tatsächliche Wohnfläche um mehr als 10 % kleiner als die im Mietvertrag ausdrücklich vereinbarte Wohnfläche, hat der Mieter insoweit einen Mietminderungsanspruch.
Bei der Wohnflächenberechnung gibt es häufig einen Streit über die Anrechnung der Balkonfläche. Nach der Zweiten Berechnungsverordnung (II. BV) ist die Grundfläche des Balkons zur Hälfte anzurechnen, nach der ab 1.1.2004 geltenden Wohnflächenverordnung hingegen in der Regel nur mit einem Viertel.
Im entschiedenen Fall war die Wohnfläche im Mietvertrag vom 24. März 2014 mit 49,18 Quadratmeter vereinbart; sie war bei Erbauung des Objekts in den 1960er Jahren nach den damals gültigen Berechnungsgrundlagen ermittelt worden.
Im April 2021 ließ die Mieterin die Wohnung vermessen. Das Aufmaß kam zu einer Wohnfläche von nur 42,64 Quadratmeter und wich daher um 13,3 % von der vereinbarten Wohnfläche ab. Die Mieterin forderte daraufhin seit Mietvertragsbeginn zuviel gezahlte Miete zurück. Der Vermieter weigerte sich. Er führte an, dass eine 10%ige Abweichung nicht vorläge, wenn man die Wohnung nach der II. BV ausmesse und nicht – wie es die Mieterin getan habe – nach der neuen Wohnflächenverordnung. Es kam zum Prozess.
Das Gericht beauftragte einen Sachverständigen, der die Wohnfläche mit 43,3 Quadratmeter berechnete, was einer Abweichung von der vertraglichen Fläche um 11,96 % entsprach. Dabei hatte der Gutachter den Balkon lediglich mit einem Viertel berechnet, weil er die Wohnflächenverordnung zugrunde legte. Amtsgericht und Landgericht gaben der Klage der Mieterin auf Grundlage der Berechnung des Sachverständigen statt.
Der BGH erkannte keine Rechtsfehler und bestätigte das Berufungsurteil:
Für die Auslegung des Begriffs „Wohnfläche“ in einem Mietvertrag über preisfreien Wohnraum sei grundsätzlich auf diejenigen für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen zurückzugreifen, die im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses gelten und nicht auf diejenigen, die bei der (erstmaligen) Berechnung der Wohnfläche, beispielsweise bei Errichtung des Gebäudes, galten. Wurde der Mietvertrag – wie hier – nach dem Inkrafttreten der Wohnflächenverordnung zum 1.1.2004 geschlossen, sei die Wohnfläche daher nach der Wohnflächenverordnung zu ermitteln. Die Überleitungsvorschrift des § 5 WoFlV sei in diesen Fällen nicht anwendbar. Deshalb sei es zutreffend, dass der Gutachter die Balkonfläche vorliegend mit einem Viertel angerechnet habe, wie es in § 4 Nr. 4 WoFlV für den Regelfall vorgeschrieben sei.
Der Rückforderungsanspruch der Mieterin bis zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses sei nicht (auch nicht teilweise) verjährt. Solange die Mieterin keine Kenntnis von der Wohnflächenabweichung habe, beginne die dreijährige Verjährungsfrist nicht. Unabhängig von der Kenntnis trete Verjährung erst nach 10 Jahren seit Entstehung des Anspruches ein (§ 199 Abs. 4 BGB). Hier sei der Anspruch mit Mietvertragsabschluss im Jahre 2014 entstanden. Die 10 Jahre seien noch nicht abgelaufen.
Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis der Mieterin liege nicht vor. Ein Mieter sei grundsätzlich nicht verpflichtet, anlässlich des Bezugs der Wohnung diese vollständig auszumessen, um eine im Mietvertrag enthaltene Wohnflächenangabe zu überprüfen.
26.03.2024