Leitsatz:
Zum Begriff der „Türnische“ im Sinne der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV.
BGH vom 27.9.2023 – VIII ZR 117/22 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 12 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Bekanntlich dürfen Mieter die Miete mindern, wenn die tatsächliche Wohnfläche mindestens um 10 % geringer ist, als vertraglich vereinbart.
Im vorliegenden Streitfall ging es um die daher erhebliche Frage, ob die Wohnflächenabweichung 9,63 oder 10,04 Prozent betrug. Die Differenz von 0,41 Prozent ergab sich daraus, wie Türnischen in der Wohnung zu bewerten sind.
Hierzu hat der BGH nun grundsätzlich entschieden:
Nach der ständigen Rechtsprechung des für Wohnraummietsachen zuständigen Senats des BGH sei der Begriff der „Wohnfläche“ im Wohnraummietrecht auch bei frei finanziertem Wohnraum grundsätzlich anhand der für den preisgebundenen Wohnraum geltenden Bestimmungen auszulegen und vorliegend aufgrund der im Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses geltenden Wohnflächenverordnung (WoFlV) zu ermitteln, wenn nicht – wofür im hier vorliegenden Fall jedoch keine Anhaltspunkte vorlägen – die Parteien dem Begriff der Wohnfläche im Einzelfall eine abweichende Bedeutung beimessen oder ein anderer Berechnungsmodus örtlich üblich oder nach der Art der Wohnung naheliegender sei.
Nach § 3 Abs. 3 Nr. 3 WoFlV blieben bei der Ermittlung der gemäß § 2 WoFlV zur Wohnung gehörenden Grundflächen die Grundflächen von Türnischen außer Betracht.
Eine Türnische im Sinne der vorgenannten Vorschrift sei eine Öffnung in einer – die Grundfläche eines Raums im Sinne von § 3 Abs. 1 WoFlV begrenzenden – Wand, die einen Durchgang durch diese ermögliche.
Hierbei komme es im Hinblick auf den Regelungszweck des § 3 Abs. 3 WoFlV und die Systematik der Wohnflächenverordnung nicht entscheidend darauf an, ob in die Wandöffnung eine Tür oder ein Türrahmen eingebaut sei. Denn der Verordnungsgeber habe den Abzug der in § 3 Abs. 3 WoFlV aufgeführten Grundflächen bestimmter Raumteile bei der Wohnflächenberechnung im Hinblick auf deren geminderten Wohnwert vorgesehen. Diese Bewertung treffe für eine Wandöffnung, die den Zugang zu einem Raum oder den Durchgang zwischen Räumen ermögliche, unabhängig davon zu, ob sie (zudem) von einem Türrahmen eingefasst sei oder durch eine (vorhandene) Tür verschlossen werden könne. Die Grundfläche einer solchen Wandöffnung weise aufgrund ihrer baulichen Gestaltung grundsätzlich einen eigenen Wohnwert nicht auf, weil sie für eine Nutzung zu Wohnzwecken im Regelfall nicht oder allenfalls gemindert zur Verfügung stehe.
Dabei sei es nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Mieter die betreffende Wandöffnung tatsächlich als Zugangs- oder Durchgangsmöglichkeit nutze oder ob eine solche Nutzung aus „raumgestalterischer Sicht“ sinnvoll sei. Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 3 WoFlV abstrakt formuliert und ihr Vorliegen sei nicht vom tatsächlichen (Nutzungs-)Verhalten des individuellen Nutzers der Räumlichkeiten abhängig. Vor diesem Hintergrund komme es also nicht darauf an, dass die Durchgänge mit schmalen Regalen versehen und auf diese Weise für wohnliche Zwecke genutzt werden könnten.
Auch schließe der Umstand, dass es in der Wand zwischen Wohn- und Schlafzimmer nicht nur eine, sondern zwei gleichförmige Öffnungen im Abstand von nur wenigen Metern nebeneinander gebe, für sich genommen die Einordnung der beiden Öffnungen oder auch nur einer der beiden als Türnischen nicht aus.
Gingen die Wandöffnungen aber in Anbetracht ihrer Ausmaße über die Gestaltung einer Türöffnung wesentlich hinaus und seien sie deshalb nach herkömmlichem Verständnis, von dem ersichtlich auch der Verordnungsgeber ausgegangen sei, nicht mehr als Türöffnung, sondern etwa als ein größerer Wanddurchbruch anzusehen, sei diese Fläche der Grundfläche hingegen zuzuordnen.
22.02.2024