Leitsätze:
1. Der Ausgleich sämtlicher fälliger Mieten innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB führt nicht zur Unwirksamkeit einer neben der außerordentlichen Kündigung ausgesprochenen ordentlichen Kündigung.
2. Die Entlastung des Mieters wegen unverschuldeter Zahlungsunfähigkeit i.S.d. § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB erfordert es, darzulegen und zu beweisen, dass ernstlich in Betracht kommende Möglichkeiten eines Verschuldens nicht bestehen, weil der Mieter alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet hat.
BGH vom 20.7.2016 – VIII ZR 238/15 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 11 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Der Mieter wehrte sich gegen eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
Ab Mai 2014 geriet er mit den Mietzahlungen in Rückstand. Von Mai bis Juli 2014 zahlte er die Mieten nur teilweise, für August bis Oktober 2014 zahlte er gar keine Miete.
Mitte Oktober 2014 kündigte die Vermieterin das Mietverhältnis wegen des Zahlungsrückstands fristlos, hilfsweise ordentlich und reichte Räumungsklage ein.
Wenige Tage nach der Zustellung der Räumungsklage zahlte der Mieter die kompletten Mietrückstände. Die Mietschulden seien aufgelaufen, weil er durch eine angeblich weit überhöhte Steuerschätzung und ungerechtfertigte Vollstreckungsmaßnahmen der Finanzbehörden unverschuldet in eine schwierige Liquiditätssituation geraten sei.
Die Klage des Vermieters hatte in den Vorinstanzen im Wesentlichen Erfolg gehabt. Der BGH bestätigt zunächst seine bisherigen Linie, wonach der im Streitfall innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB erfolgte Ausgleich aller fälligen Mieten lediglich zur Unwirksamkeit der auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB gestützten außerordentlichen Kündigung führt, während eine auf den zum Kündigungszeitpunkt bestehenden Mietzahlungsverzug zugleich gestützte ordentliche Kündigung nach § 573 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB von der Schonfristregelung unberührt bleibt.
Bezüglich der ordentlichen Kündigung – so der BGH – sei es richtig, dass nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 16.2.2005 – VIII ZR 6/04) eine unverschuldete Zahlungsunfähigkeit den Mieter auch entlasten und ihm im Gegensatz zur fristlosen Kündigung wegen Zahlungsverzugs die Möglichkeit eröffnen könne, sich auf unvorhersehbare wirtschaftliche Engpässe zu berufen.
Dass der Mieter mit den über mehrere Monate jeweils nahezu in Höhe einer Halbjahresmiete aufgelaufenen Mietrückständen seine Mietzahlungspflichten weit mehr als nur unerheblich verletzt habe, stehe außer Frage.
Nach § 280 Absatz 1 Satz 2 BGB sei es aber Sache des Mieters, im Einzelnen darzulegen, dass er diese Pflichtverletzungen aufgrund des Eintritts einer unvorhersehbaren wirtschaftlichen Notlage mangels Verschuldens nicht zu vertreten gehabt hatte. Hier habe der Mieter allerdings die nötigen Darlegungen nicht erbracht.
Zwar müsse ein Mieter zur Führung des Entlastungsbeweises nicht derart lückenlos Umstände darlegen, dass jede noch so entfernt liegende Möglichkeit eines Verschuldens ausgeschlossen erscheine. Es genüge vielmehr, wenn er darlegt und nachweist, dass ernstlich in Betracht kommende Möglichkeiten eines Verschuldens nicht bestünden, weil er insoweit alle ihm obliegende Sorgfalt beachtet habe.
Vorliegend fehlten aber Angaben zur tatsächlichen Höhe der angeblich weit überhöhten Steuerschätzung und dazu, warum es nicht zu einer Stundungsvereinbarung mit dem Finanzamt gekommen sei. Auch zu den näheren Gründen für das Zustandekommen der Steuerschätzung und den Umständen der Beitreibung habe der Mieter keine Angaben gemacht. Die zur Führung des Entlastungsbeweises erforderlichen Darlegungen einschließlich der sonstigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mieters müssten sich aber auf sämtliche Umstände beziehen, die für einen behaupteten Ausschluss der Leistungsfähigkeit von Bedeutung sein könnten. Da der Entlastungsbeweis dem Mieter somit nicht gelungen war, bestätigte der BGH die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung.
15.05.2017