Leitsatz:
Der Vermieter ist berechtigt, innerhalb eines Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff. BGB sein formell ordnungsgemäßes vorprozessuales Erhöhungsverlangen (§ 558 a BGB) nachträglich – etwa mit Erhebung der Zustimmungsklage – zu ermäßigen. Einer nochmaligen – den Lauf der in § 558 b Abs. 1, 2 BGB geregelten Fristen von Neuem auslösenden – Erklärung und Begründung nach § 558 a BGB bedarf es hierfür nicht.
BGH vom 6.4.2022 – VIII ZR 219/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 17 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Mit Schreiben vom 10. Oktober 2018 forderte die Vermieterin die Mieter auf, einer Erhöhung der Nettokaltmiete ab dem 1.1.2019 um 65,68 Euro auf insgesamt monatlich 556,37 Euro zuzustimmen. Den Erhöhungsbetrag ermittelte die Vermieterin anhand aus ihrer Sicht vorhandener positiver Wohnwertmerkmale. Die Mieter stimmten der Mieterhöhung nicht zu.
Die Vermieterin erhob daraufhin Zustimmungsklage. Mit ihrer Klage begehrte die Vermieterin nunmehr lediglich noch die Verurteilung der Mieter zur Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettokaltmiete um 45,62 Euro auf 536,31 Euro.
Die Mieter meinten, die Vermieterin habe das ursprüngliche Erhöhungsverlangen in der Klage nicht einseitig ermäßigen dürfen, weil die Ermäßigung ein neues Angebot darstelle, das die Zustimmungs- und Überlegungsfristen neu beginnen lasse. Es fehle daher an einem ordnungsgemäßen Verlangen nach § 558 a BGB.
Amts- und Landgericht gaben der Klage der Vermieterin statt. Der BGH bestätigte die Instanzgerichte.
Die Ansicht der Mieter, der Umstand, dass die Vermieterin mit ihrer Klage eine gegenüber dem vorherigen Verlangen reduzierte Mieterhöhung begehre, führe – da der Vermieter gemäß § 145 BGB an seinen in dem (vorgerichtlichen) Erhöhungsverlangen enthaltenen Antrag auf Abschluss eines Änderungsvertrags gebunden sei – dazu, dass es an einem ordnungsgemäßen Verlangen nach § 558 a BGB fehle, treffe nicht zu.
Zwar seien die allgemeinen Vorschriften über den Abschluss von Verträgen (§§ 145 ff. BGB) im Mieterhöhungsverfahren nach §§ 558 ff. BGB grundsätzlich anwendbar. Denn bei dem Erhöhungsverlangen handele es sich um einen Antrag (§ 145 BGB) auf Abschluss eines Änderungsvertrags. Jedoch seien die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB als spezialgesetzliche Regelungen vorrangig vor den §§ 145 ff. BGB anzuwenden, soweit sie das Erhöhungsverfahren abweichend regelten.
Nach nahezu einhelliger und zutreffender Auffassung sei es dem Vermieter gestattet, das Erhöhungsverlangen auch noch nach dessen Wirksamwerden (§§ 130 ff. BGB) vollständig oder teilweise zurückzunehmen. Eine erneute Erklärung und Begründung des Verlangens nach § 558 a BGB sei dafür im Fall der Ermäßigung der verlangten Erhöhung – anders als im Fall einer vom Vermieter beabsichtigten Erweiterung seines Erhöhungsverlangens – nicht erforderlich.
Die gesetzliche Gestaltung des Mieterhöhungsverfahrens nach §§ 558 ff. BGB zeige, dass der Gesetzgeber von einer (betragsmäßigen) Teilbarkeit des Erhöhungsverlangens des Vermieters ausgegangen sei, mit der auch Abweichungen von den allgemeinen Regelungen der §§ 145 ff. BGB einhergingen.
So berechtige die Vorschrift des § 558 b Absatz 1 BGB den Mieter abweichend von § 150 Absatz 2 BGB, wonach eine Annahme unter Einschränkungen als Ablehnung verbunden mit einem neuen Antrag gelte, der geforderten Mieterhöhung nur zum Teil zuzustimmen. Mache der Mieter hiervon Gebrauch, werde die Mieterhöhung mit seiner (Teil-)Zustimmung entsprechend anteilig wirksam mit der Folge, dass der Vermieter gemäß § 558 b Absatz 2 BGB lediglich noch hinsichtlich des überschießenden Mieterhöhungsverlangens auf Zustimmung des Mieters klagen könne.
Ebenso könne das Gericht, wenn es infolge einer unterbliebenen oder nur teilweise erteilten Zustimmung des Mieters zu der begehrten Erhöhung zur Erhebung einer Zustimmungsklage komme, dem (restlichen) Erhöhungsverlangen auch nur teilweise stattgeben. Denn das Verlangen des Vermieters nach Zustimmung zu einer bestimmten Mieterhöhung enthalte schon begrifflich immer auch das Verlangen nach einer betragsmäßig niedrigeren Anhebung der Miete.
Spiegelbildlich könne der Vermieter sein Erhöhungsverlangen abweichend von § 145 BGB nachträglich ermäßigen, ohne dass dies als neues Erhöhungsverlangen an-
zusehen wäre, das seinerseits den Anforderungen von § 558 a BGB entsprechen müsse und den Lauf der Zustimmungsfristen erneut auslöste.
Schützenswerte Belange des Mieters stünden diesem Verständnis der genannten Vorschriften des Mieterhöhungsverfahrens nicht entgegen. Da die Mieterhöhung nach §§ 558 ff. BGB im Ergebnis eine Vertragsänderung zu Lasten des Mieters darstelle, wirke sich eine (teilweise) Rücknahme des Erhöhungsverlangens grundsätzlich zu seinen Gunsten aus.
29.08.2022