Leitsatz:
Zur Frage, inwieweit ein Mieter die Möglichkeit hat, einen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts nach § 57 a ZVG im Zwangsversteigerungsverfahren zu erreichen.
BGH vom 15.9.2021 – VIII ZR 76/20 –
Langfassung: www.bundesgerichtshof.de [PDF, 20 Seiten]
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
In obigem Verfahren wies der BGH des Weiteren darauf hin, dass ein Mieter sich im Zwangsversteigerungsverfahrens möglicherweise sein Sonderkündigungsrecht sichern könnte, indem er sein Mietrecht anmeldet und versucht, – abweichend von den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen – einen Ausschluss des Sonderkündigungsrechts zu erreichen.
Dazu muss der Mieter darauf hinwirken, dass der Zuschlag auf ein Gebot erteilt wird, dem als Versteigerungsbedingung – abweichend von den gesetzlichen Bedingungen – der Ausschluss des Sonderkündigungsrechts des Erstehers zugrunde liegt.
Hierzu kann er gemäß § 59 Abs. 1 ZVG in Verbindung mit § 9 Nr. 2 ZVG spätestens im Versteigerungstermin vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten eine von den gesetzlichen Vorschriften abweichende Feststellung des geringsten Gebots und der Versteigerungsbedingungen verlangen. Damit kann ein Mieter zur Verbesserung seiner Rechtsposition dem Ersteher gegenüber Abweichungen von den §§ 57 ff. ZVG verlangen, um beispielsweise – wie hier – eine von § 57 a ZVG abweichende Kündigungsregelung durchzusetzen.
Stellt der Mieter einen solchen Antrag auf Abänderung der Versteigerungsbedingungen, erfolgt – wenn nicht sämtliche Beteiligte der Abweichung zustimmen – gemäß § 59 Abs. 2 ZVG ein Doppelausgebot in der Weise, dass auf die gesetzliche Ausgebotsform mit dem außerordentlichen Kündigungsrecht des Erstehers und auf die abweichende Form, wonach das Sonderkündigungsrecht ausgeschlossen ist, geboten werden kann. Liegen Gebote sowohl auf das gesetzliche als auch auf das abweichende Ausgebot vor, sind diese in ihrem wirtschaftlichen Wert zu vergleichen. Lediglich wenn hiernach der Zuschlag auf das Gebot unter Ausschluss des Sonderkündigungsrechts erteilt wird, erwirbt der Ersteher nur mit diesem Inhalt das Eigentum und ist an der Ausübung dieses außerordentlichen Kündigungsrechts gehindert.
In vorliegendem Fall ging der Mieter so vor. Es erfolgte die Versteigerung im Doppelausgebot. Auf das Ausgebot unter Ausschluss des Sonderkündigungsrechts des Erstehers wurde jedoch nur ein Betrag in Höhe von 100 000 Euro geboten. Da durch einen Zuschlag zu diesem (geringen) Gebot die Rechte der übrigen Beteiligten, insbesondere der Gläubiger, beeinträchtigt würden und diese nicht zugestimmt hatten, erfolgte der Zuschlag auf das Gebot in Höhe von 447 000 Euro zu den gesetzlichen Versteigerungsbedingungen. Dies hat das Bestehen des gesetzlichen Sonderkündigungsrechts ohne Beschränkungen zur Folge.
Somit mussten die Ersteher die schuldrechtliche Vereinbarung zwischen dem Beklagten und dem vormaligen Eigentümer nicht gegen sich gelten lassen, da sie nicht Inhalt des Zuschlags war. Sie konnten demnach das Mietverhältnis ungeachtet der entgegenstehenden Vereinbarung im Mietvertrag wegen Eigenbedarfs gemäß § 57 a ZVG, § 573 d Abs. 1, § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen.
Wir sehen: Die „rettende“ Möglichkeit nach § 59 ZVG stellt eine theoretische, bei angespannten Wohnungsmärkten aber kaum aussichtsreiche „Mieterschutzvorschrift“ dar.
28.11.2021