Das „übliche Entgelt“ im Sinne von § 5 Absatz 2 WiStG kann auf Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558 d BGB ermittelt werden, solange das darin enthaltene Zahlenmaterial als Richtwert verstanden wird, der bei besonderen (im Mietspiegel nicht berücksichtigten) Umständen differenzierender Einzelfallbetrachtung zugänglich ist.
AG Frankfurt vom 14.7.2022 – 940 OWi 862 Js 44556/21 –
Urteil im Internet: Bürgerservice Hessenrecht
Anmerkungen des Berliner Mietervereins
Zur Beantwortung der Frage „20 Prozent wovon?“ kann also auch auf einen (qualifizierten) Mietspiegel zurückgegriffen werden.
Da der Berliner Mietspiegel 2024 qualifiziert im Sinne des § 558 d BGB ist, kann die ortsübliche Vergleichsmiete der betreffenden Wohnung auch im Verfahren nach § 5 WiStG grundsätzlich vom Mittelwert ausgehend unter Berücksichtigung der wohnwerterhöhenden sowie wohnwertmindernden Merkmale ermittelt werden.
Schutz vor überhöhten Mieten bei Neuabschluss eines Mietvertrages soll die sogenannte „Mietpreisbremse“ nach §§ 556 d ff. BGB bieten. Die Wirksamkeit der „Mietpreisbremse“ wird aber durch die zahlreichen ihr immanenten Ausnahmevorschriften stark eingeschränkt. Besonders bei eklatant überhöhten Mieten kann hier die außerhalb des BGB befindliche – mietpreiskorrigierende – Vorschrift des § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG), – die sog. „Mietpreisüberhöhung“ – Anwendungslücken schließen.
§ 5 Abs. 2 WiStG lautet: Unangemessen hoch sind Entgelte, die infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20 vom Hundert übersteigen, die in der Gemeinde oder in vergleichbaren Gemeinden für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage oder damit verbundene Nebenleistungen in den letzten sechs Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen der Betriebskosten abgesehen, geändert worden sind. Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich sind, sofern sie unter Zugrundelegung der nach Satz 1 maßgeblichen Entgelte nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung des Vermieters stehen. Die aktuellste veröffentlichte Berliner Entscheidung zu § 5 WiStG stammt allerdings aus dem Jahre 2014. Neuere Entscheidungen gibt es offenbar nur aus dem Frankfurter Raum. Dies findet seinen Grund sicherlich nicht zuletzt in der äußerst engagierten Arbeit des dortigen Wohnungsamtes.
Dass in Berlin und im übrigen Bundesgebiet § 5 WiStG jahrelang faktisch „tot“ war, ist auf drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes aus den Jahren 2004 bis 2006 zurückzuführen, mit denen der BGB die Beweisbarkeit des Tatbestandsmerkmals „Ausnutzen“ an hohe – fast unüberwindliche – Hürden geknüpft hat. Seit 2006 hat sich der Wohnungsmarkt gerade in Berlin aber bekanntlich erheblich zu Ungunsten der Mieterschaft verändert.
„Der Wohnungsmarkt hat sich in die strengen Maßstäbe des BGH hineinentwickelt, so dass sich Beweisprobleme heute nicht mehr im selben Ausmaß stellen“ (Leonhardt WuM 2024, Seite 361 [365]).
Es ist daher längst an der Zeit, dass auch die Berliner Behörden sich an der Frankfurter Praxis ein Beispiel nehmen und den § 5 WiStG wieder zum Leben erwecken.
Insbesondere für nicht rechtsschutzversicherte Mieter kann eine Anzeige wegen Mietpreisüberhöhung beim Wohnungsamt eine Alternative zur zivilprozessualen Rechtsverfolgung darstellen. Die Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStG kann mit einer Geldbuße bis zu 50 000 Euro geahndet werden.
Die Anzeige kann jedermann erstatten. Das Vorliegen der Mietpreisüberhöhung ist mit geeigneten Mitteln (Kopien vom Mietvertrag, Mieterhöhungen usw.) glaubhaft zu machen. Die Mieter sind in den gegen den Vermieter geführten Verfahren Zeugen und müssen ggfs. auch vor Gericht aussagen.
Zuständig für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit nach § 5 WiStG ist in Berlin das zuständige bezirkliche Wohnungsamt.
Die Behörde kann in diesbezüglichen Fällen ein Bußgeld durch Bescheid verhängen. Nach § 17 Abs. 4 OWiG soll die Geldbuße den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit gezogen hat, übersteigen. Gegen den Bescheid kann der Betroffene (d.h. der Vermieter, nicht der Mieter) beim Wohnungsamt Einspruch einlegen (vgl. § 67 OWiG). Über den Einspruch entscheidet nach Zwischenprüfung durch die Staatsanwaltschaft letztlich das Amtsgericht (in Berlin: AG Tiergarten). Das Gericht ist an die Entscheidung des Wohnungsamtes nicht gebunden und kann die Entscheidung auch zum Nachteil des Betroffenen abändern. Gegen das amtsgerichtliche Urteil bzw. gegen den Beschluss hat sowohl der Betroffene als auch die Staatsanwaltschaft die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde beim Kammergericht.
Weiterhin kann von der zuständigen Behörde die Abführung des unrechtmäßig erlangten Mehrerlöses an das Land angeordnet werden (§ 8 WiStG), soweit der geschädigte Mieter nicht schon zivilrechtliche Rückerstattungsansprüche geltend gemacht hat oder nicht mehr geltend machen kann.
Auch der geschädigte Mieter kann beantragen, dass die Behörde die unmittelbare Abführung des Mehrerlöses an ihn anordnet (§ 9 WiStG). Dies gilt auch dann, wenn kein Bußgeldverfahren durchgeführt wird (§ 10 Abs. 1 WiStG). Die Anordnung der Rückerstattung des Mehrerlöses an den Mieter dient zugleich staatlichen Zwecken und steht gleichrangig neben der Anordnung der Abführung an das Land.
Das Wohnungsamt hat den Mieter auf sein Antragsrecht nach § 9 WiStG hinzuweisen.
Abschließend sei auf die „Doppelnatur“ von § 5 WiStG hingewiesen: Einerseits spricht § 5 WiStG als Vorschrift des Ordnungswidrigkeitenrechts eine Geldbuße aus, deren Verhängung jeweils Gegenstand eines eigenständigen behördlichen Verfahrens ist, zum anderen bewirkt ein Verstoß gegen § 5 WiStG auch zivilrechtliche Folgen: Nichtigkeit der Mietpreisvereinbarung, Mietsenkung, Rückforderungsanspruch.
Bevor Mieter Anzeige beim Wohnungsamt erstatten oder Klage vor dem Zivilgericht erheben, sollten sie kritisch prüfen und sich beraten lassen, ob überhaupt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 WiStG vorliegen. Nicht jede überdurchschnittlich hoch erscheinende Mietpreisvereinbarung stellt schon einen Verstoß gegen § 5 WiStG dar.
Urteilstext
Tenor
Gegen den Betroffenen wird wegen leichtfertigen Vereinnahmens eines unangemessen hohen Entgelts für die Vermietung von Räumen zu Wohnzwecken unter Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- Euro festgesetzt.
Ferner wird gegen den Betroffenen die Abführung des Mehrerlöses in Höhe von 8.759,40 Euro angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens hat der Betroffene zu tragen.
Angewendete Vorschriften: §§ 5, 8 Wirtschaftsstrafgesetz.
Gründe
I.
1
Der kinderlose Betroffene ist in einem familieneigenen Gastronomiebetrieb tätig und verfügt über ein monatliches Nettoeinkommen von ungefähr 1.000,- Euro. Er teilt sich eine Mietwohnung mit einem weiteren Mitarbeiter des Betriebs und zahlt dafür rund 440,- Euro monatlich, lebt aber auch bei seiner Familie in deren Einfamilienhaus in [Stadtteil A].
II.
2
Im Gebiet der Stadt Frankfurt am Main herrschte 2018 betreffend Wohnraum besonderer Nachfragedruck. Das Stadtgebiet ist durch die Landesregierung als Gebiet mit erhöhtem Wohnungsbedarf ausgewiesen. Insbesondere die hohe Arbeitsplatzdichte im Stadtgebiet zog Menschen an. Das Wohnungsangebot reichte nicht aus, um die auf diese Weise und durch Haushaltsneugründungen entstehende Nachfrage zu decken. Dieser Zustand dauert bis heute an.
3
Der Betroffene erwarb 2018 eine Eigentumswohnung in dem als Wohnungseigentümergemeinschaft verfassten vierstöckigen Mehrfamilienwohnhaus [Anschrift] in Frankfurt am Main-[Stadtteil A]. Das Haus ist in den 1960er Jahren errichtet worden. Die Eigentumswohnung des Betroffenen befindet sich mittig im 1. Obergeschoss. Sie verfügt über zwei Zimmer, Flur, Küche, Bad sowie einen Balkon und weist eine Wohnfläche von insgesamt 52,81 Quadratmeter auf. Beheizung und Warmwasserbereitung erfolgen über eine Gasetagenheizung, die Fenster sind isolierverglast. Das Bad ist mit Einbauwanne, Handwaschbecken, Heizkörper und bodenstehender Toilette ausgestattet, Wände und Boden sind gefliest. Der Betroffene ließ den Fußboden im übrigen Teil der Wohnung nach dem Erwerb mit Laminat belegen, nahm aber ansonsten keine Veränderungen vor. Die Eigentumswohnung ist kreditfinanziert. Den Betroffenen treffen monatliche Lasten in Höhe von etwa 600,- Euro zur Bedienung seines Annuitätendarlehens, ferner zahlt er etwa 200,- bis 300,- Euro „Hausgeld“ an die Wohnungseigentümergemeinschaft.
4
Die Stadt Frankfurt am Main hat in den Jahren 2018 und 2020 qualifizierte Mietspiegel veröffentlicht, ausweislich derer sich die Eigentumswohnung des Betroffenen in einer mittleren Wohnlage befindet. Die nach den oben beschriebenen Merkmalen der Eigentumswohnung anhand des jeweiligen Mietspiegels ermittelte ortsübliche Vergleichsmiete beträgt für den Zeitraum vom 15. 6. 2018 bis zum 31. 5. 2020 (Mietspiegel 2018) 458,- Euro (8,67 Euro pro Quadratmeter) und für den Zeitraum vom 1. 6. 2020 bis zum 30. 4. 2021 (Mietspiegel 2020) 475,- Euro pro Quadratmeter (8,99 Euro pro Quadratmeter).
5
Der Betroffene vermietete seine Eigentumswohnung am 9. 6. 2018 mit Wirkung zum 15. 6. 2018 an A. Vereinbart wurde eine Monatsmiete in Höhe von 810,- Euro. Der Betroffene hatte von anderen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft gehört, dass sie ähnliche hohe Mieten verlangen. Weitere Gedanken über die Miethöhe machte er sich nicht, insbesondere nahm er auch keine weiteren Erkundigungen vor. Der Betroffene schrieb in den Mietvertrag eine Wohnfläche von 59 Quadratmetern hinein, weil ihm der Verkäufer der Wohnung diese Zahl bei den Verkaufsverhandlungen genannt hatte.
6
A ist ein Cousin des Betroffenen, der lange bei Verwandten in [Stadt] lebte, sich aber aufgrund persönlicher Differenzen entschloss, seinen Lebensmittelpunkt nach Frankfurt zu verlagern. A nahm eine Stelle als Auslieferungsfahrer im Gastronomiebetrieb der Familie des Betroffenen an. Schon von [Stadt] aus hatte A versucht, eine Wohnung für seine Familie zu finden und dabei bereits Schwierigkeiten erfahren. Er zog deswegen mit seiner Ehefrau und den drei minderjährigen Kindern 2017 zunächst in das Haus der Familie des Betroffenen und trieb die Wohnungssuche von dort voran. Weil seine Kinder dann Schulen bzw. Betreuungseinrichtungen in [Stadtteil A] besuchten und eine Tochter wegen einer damals schwerwiegenden Diabeteserkrankung intensive Zuwendung durch die Mutter – insbesondere den Wechsel einer Infusionsnadel während des Kindergartenbesuchs – benötigte, beschränkte A die Suche auf [Stadtteil A] und unmittelbar angrenzende Gebiete. Die Suche blieb jedoch erfolglos, einerseits wegen des hohen, mit seinem Einkommen unerreichbaren Mietniveaus, andererseits weil – wenn doch einmal eine Wohnung preislich erreichbar war – die Kopfzahl seiner Familie Vermieter abschreckte. Als 2018 im Haus der Familie des Betroffenen ein mit erheblichen Beeinträchtigungen verbundener Wasserschaden auftrat, forderte das Jugendamt A zum Auszug auf und brachte ihn und seine Familie zunächst einen Monat lang in einem Hotel unter. Da ihm Kostenübernahme nur für die Dauer eines Monats in Aussicht gestellt worden war, versuchte er weiter, unter anderem mit Hilfe von Freunden, Verwandten und Internet- und Zeitungsannoncen eine Wohnung zu finden, weil seine bescheidenen Ersparnisse ansonsten innerhalb kürzester Zeit aufgebraucht worden wären. Bei seiner Arbeit im Betrieb der Familie des Betroffenen kam er mit dem Betroffenen ins Gespräch und bekam von diesem das Angebot, die soeben erworbene Eigentumswohnung zum o. g. Preis zu mieten. Obwohl A eigentlich eine 3-Zimmer-Wohnung bevorzugt hätte und ihm die Miete „hoch“ vorkam, nahm er das Angebot des Betroffenen als „Notlösung“ an, weil ein fortgesetzter Aufenthalt im Hotel noch deutlich teurer gewesen wäre, seine Suche bis dahin erfolglos gewesen war und er froh war, überhaupt irgendeine Wohnung zu haben. Dem Betroffenen war die persönliche und wirtschaftliche Situation A`s aus Gesprächen mit ihm bekannt. A lebt mit seiner Familie bis heute in der Wohnung, weil er immer noch keine günstigere Wohnung gefunden hat. Er zahlte dem Betroffenen im hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 15. 6. 2018 bis zum 30. 4. 2021 jeweils die vertraglich vereinbarte Miete, wobei ihm vom Jobcenter zuschussweise Sozialleistungen gezahlt werden.
III.
7
Der Betroffene hat die in seiner Wahrnehmungssphäre verorteten äußeren Umstände des unter II. beschriebenen Sachverhalts eingeräumt. Seine Angaben zur Erneuerung des Fußbodenbelags in der Eigentumswohnung vor Vermietung unterstellt das Gericht zu seinen Gunsten als zutreffend. Der Betroffene vertritt die Rechtsauffassung, als in Immobiliendingen unerfahrener „Laie“ hinsichtlich der Miethöhe allenfalls fahrlässig gehandelt zu haben – er habe ja nur genommen, was andere auch verlangen würden. Eigentlich habe er auch nur aus Mitleid mit den Kindern an A vermietet. Fraglich sei ohnehin, ob man den Mietspiegel überhaupt als Berechnungsgrundlage heranziehen könne.
8
Die Feststellungen zu Umständen in der Wahrnehmungssphäre A`s beruhen auf dessen Vernehmung als Zeuge. A hat Anlass, Ablauf und Hintergründe seiner Wohnungssuche und des Vertragsschlusses mit dem Betroffenen sowie seine persönliche und wirtschaftliche Situation wie unter II. dargelegt glaubhaft beschrieben. Seine Ausführungen waren aus sich heraus verständlich, auch für den Außenstehenden nachvollziehbar und sprachlich bunt. Sie wiesen ein vernünftigerweise zu erwartendes, von längerem Zeitablauf einerseits und relativ intimer Natur der Schilderungen andererseits geprägtes Maß an Detailreichtum auf. Nachfragen konnte A ohne Zögern beantworten. Er ist auch glaubwürdig. Zwar schilderte er, mittlerweile nicht mehr im Betrieb der Familie des Betroffenen zu arbeiten, weil das Arbeitsverhältnis aufgrund längerer Fehlzeiten nach Todesfällen in der Familie nicht mehr gut funktioniert habe. Gleichwohl ließ er keine Tendenz zur übermäßigen Be- oder Entlastung des Betroffenen erkennen, sondern äußerte sich ruhig und sachlich.
9
Die Feststellungen zum geringen Wohnraumangebot im Stadtgebiet Frankfurt am Main im Jahr 2018 beruhen auf dem Gutachten der Stabstelle Wohnungsmarkt des Amts für Wohnungswesen der Stadt Frankfurt am Main, dessen Inhalt vom Vorsitzenden in der Hauptverhandlung berichtet worden ist. Dass sich der darin beschriebene Zustand seit 2018 jedenfalls nicht im Sinne einer Entspannung des Wohnungsmarkts verändert hat, ist gerichtsbekannt. Die Feststellungen zur ortsüblichen Vergleichsmiete beruhen auf den (mietspiegelbasierten) Berechnungen der Bußgeldbehörde vom 8. 7. 2022, deren Inhalt ebenfalls in der Hauptverhandlung berichtet worden ist.
10
Die Feststellungen unter I. beruhen auf den Angaben des Betroffenen.
IV.
11
Der Betroffene hat im Zeitraum vom 15. 6. 2018 bis zum 30. 4. 2021 eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 5 Absatz 1 WiStG begangen.
12
Er hat für die Vermietung seiner Eigentumswohnung ein unangemessen hohes Entgelt im Sinne von § 5 Absatz 1, Absatz 2 WiStG gefordert. Die mit A vereinbarte Miete von 810,- Euro übersteigt das übliche Entgelt infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen um mehr als 20 Prozent.
13
Das „übliche Entgelt“ im Sinne von § 5 Absatz 2 WiStG kann auf Grundlage eines qualifizierten Mietspiegels im Sinne von § 558d BGB ermittelt werden, solange das darin enthaltene Zahlenmaterial als Richtwert verstanden wird, der bei besonderen (im Mietspiegel nicht berücksichtigten) Umständen differenzierender Einzelfallbetrachtung zugänglich ist (siehe Amtsgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 17. 2. 2021, Az. 941 OWi 916 Js 8645/20, unter V.2). Ausgehend von den unter II. bezifferten, auf Grundlage des jeweils gültigen Mietspiegels errechneten ortsüblichen Vergleichsmieten hätte der Betroffene bei Berücksichtigung der zwanzigprozentigen Wesentlichkeitsgrenze im Zeitraum vom 15. 6. 2018 bis zum 31. 5. 2020 höchstens 549,60 Euro und im Zeitraum vom 1. 6. 2020 bis zum 30. 4. 2021 höchstens 570,- Euro Miete verlangen dürfen. Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände einzelfallmäßig eine differenzierende Betrachtung dieser Werte notwendig machen, konnte das Gericht nicht erkennen. Insbesondere ist die vom Betroffenen vorgenommene Erneuerung des Fußbodenbelags bereits berücksichtigt.
14
Der Betroffene hat ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen im Sinne von § 5 Absatz 2 WiStG ausgenutzt. Ausnutzen bedeutet, dass zwischen Mangellage und Vereinbarung der überhöhten Miete ein Kausalzusammenhang besteht. Es fehlt erst dann am Ausnutzen, wenn ein Mieter unabhängig von der Lage auf dem Wohnungsmarkt bereit ist, eine gegenüber vergleichbaren Objekten – möglicherweise deutlich – höhere Miete für eine bestimmte Wohnung zu zahlen (Amtsgericht Frankfurt am Main, a. a. O., unter V.3). Das ist hier nicht der Fall. A hat die Wohnung des Betroffenen als teure Notlösung akzeptiert, weil er während rund einjähriger Suche kein einziges anderes Angebot bekommen hatte und der Aufenthalt im Hotel noch teurer geworden wäre. Dass er bei vergleichbaren, aber günstigeren Wohnung der Wohnung des Betroffenen den Vorzug gegeben hätte, ist auszuschließen. Dass A einen Teil der Miete nicht aus seinem Einkommen bestreitet, weil ihm ergänzend Sozialleistungen bewilligt worden sind, ändert am „Ausnutzen“ schon deswegen nichts, weil A mangels vollständiger Übernahme der Miete immer noch persönlich wirtschaftlich getroffen wird (siehe Amtsgericht Frankfurt am Main, a. a. O., unter V.3).
15
Der Betroffene handelte leichtfertig. Leichtfertig handelt, wer naheliegende Überlegungen verabsäumt, wer unbedacht lässt, was jedem einleuchtet. Das ist hier der Fall. Der Betroffene ist zwar beruflich nicht mit der Vermietung von Wohnraum befasst. Auch als Privatinvestor, der erstmals mit der Vermietung von Wohnraum zu tun hat, treffen ihn jedoch Sorgfaltspflichten, die über die bloße Rücksprache mit anderen Mitgliedern der Wohnungseigentümergemeinschaft hinausgehen. Diese hat der Betroffene in besonders grober Weise missachtet. Ursachen und Auswirkungen hoher Mieten in Ballungsräumen werden seit Jahren breit, intensiv und kontrovers medial diskutiert. Gerade wer – wie der Betroffene – selbst Mieter einer Wohnung ist, kann auch nicht überhört haben, dass es kommunale Behörden gibt, die sich ausschließlich mit Wohnraumwesen befassen, Mietspiegel herausgeben und insofern beraten. Vor diesem Hintergrund erkennt jeder verständige Betrachter, dass er sich bei der Bepreisung von Wohnraum weder auf die Angaben anderer Vermieter zu baulich ähnlichen, aber möglicherweise ganz anders erhaltenen bzw. ausgestatteten Wohnungen verlassen darf, noch einfach einen Wert aus der Luft greifen kann, der Hausgeld und monatliche Darlehensrate abdeckt. Wer hinsichtlich der Angemessenheit der Miete unsicher ist, muss vielmehr Auskünfte bei sachkundigen Stellen einholen bzw. deren Veröffentlichungen zu Rate ziehen. Das gilt im Übrigen auch für die Frage der Wohnungsgröße: Auf eine lediglich abseits des notariell beurkundeten Kaufvertrags „zugerufene“ Angabe des Voreigentümers zur Wohnungsgröße darf nicht bauen, wer ein Dauerschuldverhältnis begründen möchte, das für das Gegenüber umfangreiche finanzielle Verpflichtungen zur Befriedigung eines Grundbedürfnisses auslöst. Indem er A gleichwohl eine entsprechende Wohnungsgröße versprach, hat der Betroffene in ungewöhnlich starker Weise sorgfaltswidrig gehandelt.
V.
16
Die Bemessung der Geldbuße beruht auf dem von § 5 Absatz 3 WiStG in Verbindung mit § 17 Absatz 1, Absatz 2 OWiG vorgegebenen Rahmen. Zugunsten des Betroffenen wirken sein Einlassungsverhalten und der Umstand, dass er erstmals in Erscheinung getreten ist; es sind auch Fälle denkbar, in denen in noch stärkerem Maße leichtfertig gehandelt würde. Gegen den Betroffenen sprechen hingegen der lange Tatzeitraum (über zwei Jahre) und der Umstand, dass der von § 5 Absatz 2 WiStG als höchstzulässige Miete bestimmte Wert nicht nur geringfügig, sondern um annähernd 50 Prozent überschritten ist. Nach Abwägung aller bußgeldbemessungsrelevanten Umstände unter Berücksichtigung von Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und Vorwerfbarkeit sowie der eingeschränkten wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen erachtet das Gericht eine
17
Geldbuße in Höhe von 1.000,- Euro
18
als tat- und schuldangemessen.
VI.
19
Die Abführungsanordnung beruht auf § 8 WiStG. Für den Zeitraum vom 15. 6. 2018 bis zum 31. 5. 2020 beträgt der Mehrerlös als Differenz zwischen höchstzulässiger Miete von 549,60 und tatsächlicher Miete von 810,- Euro insgesamt 6.119,40 Euro (23½ Monate zu je 260,40 Euro), für den Zeitraum vom 1. 6. 2020 bis zum 30. 4. 2021 als Differenz zwischen höchstzulässiger Miete von 570,- Euro und tatsächlicher Miete von 810,- Euro insgesamt 2.640,- Euro (elf Monate zu je 240,- Euro). Die Abführung bedeutet keine unbillige Härte im Sinne von § 8 Absatz 2 Satz 1 WiStG. Der Betroffene hat zwar kein umfangreiches Einkommen, verfügt aber in Gestalt der Eigentumswohnung über einen Vermögenswert, der jedenfalls nach mehrjähriger Bedienung des zur Finanzierung dienenden Annuitätendarlehens erhebliches Ausmaß hat.
20
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Absatz 1 StPO in Verbindung mit §§ 46 Absatz 1, 71 Absatz 1 OWiG.
01.11.2024