Leitsatz:
Bei großflächigem Schimmelbefall in Wohnräumen ist grundsätzlich von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen, die den Mieter zur fristlosen Kündigung nach § 544 BGB berechtigt.
AG Neukölln, Urteil vom 5.10.00 – 6 C 586/99 –
Mitgeteilt von RAin Patricia Sander
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Mit Vertrag vom 9.3.1999 mieteten die Beklagten von der Klägerin eine im Haus S.-straße in Berlin belegene Wohnung an. Der Mietzins wurde mit 1557,34 DM brutto/kalt vereinbart. Das Mietverhältnis sollte zum 11.3. 1999 beginnen. Mit Schreiben vom 29.3.1999 kündigten die Beklagten das Mietverhältnis „ab sofort“. Die Klägerin vermietete die Wohnung vom 21.6.1999 neu. Die Beklagten selbst leisteten keine Mietzahlungen. Das Bezirksamt Neukölln leistete am 28.10.1999 eine Zahlung in Höhe von 1557,34 DM, die die Klägerin auf die Miete für den Monat März 1999 sowie teilweise auf die Miete für den Monat April 1999 verrechnete.
Mit der vorliegenden Klage nimmt die Klägerin die Beklagten auf Zahlung der restlichen Mietzinsen vom 11.3.1999 bis 20.6.1999 in Anspruch.
Die Klägerin behauptet, die Wohnung habe lediglich die im Zustandsbericht vom 9.2. 1999 aufgeführten Mängel gehabt, die den Beklagten auch bekannt gewesen seien. Feuchtigkeitsschäden seien nicht darunter gewesen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 3650,54 DM nebst 4% Zinsen seit dem 6.6.1999 zu zahlen.
Die Beklagten behaupten: Die Wohnung sei nie bezugsfähig gewesen. Insbesondere sei die Klägerin ihrer Verpflichtung, die Fußbodenschäden zu beseitigen, nicht nachgekommen und die Wohnung habe überall Feuchtigkeitsschäden mit Schimmelbefall aufgewiesen. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist abzuweisen, denn sie ist nicht begründet.
Die Klägerin kann gegen die Beklagten lediglich für den Monat März 1999 einen Mietzinsanspruch aus § 535 BGB geltend machen. Dieser Anspruch ist durch die Zahlung des Sozialamtes jedoch erfüllt. Ab April 1999 kann sie keine Mietzinsen mehr verlangen, denn das Mietverhältnis war durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 29.3. 1999 beendet. Die Kündigung der Beklagten war wirksam gemäß § 544 BGB, denn die streitbefangene Wohnung wies einen gesundheitsgefährdenden Zustand auf. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass die Wände praktisch aller Räume erhebliche Feuchtigkeitsschäden aufwiesen und von Schimmel befallen waren. Der Zeuge S. hat glaubhaft bekundet, das in allen Räumen sowohl im Sockelbereich in einer Höhe von ca. 30 cm als auch unter der Decke die Wände von Schimmel schwarz waren. Weiter berichtete der Zeuge, das sich darüber hinaus die Tapeten an manchen Stellen von den Wänden lösten, was auf eine intensive Durchfeuchtung der Wände hindeutet. Dieser Zustand kann nur als gesundheitsgefährdend im Sinne von §544 BGB angesehen werden, zumal im Haushalt der Beklagten vier Kinder, darunter ein Kleinkind, leben.
Allein in der Wandfeuchtigkeit ist in der Rechtsprechung (LG Mannheim, ZMR 1977, 155) ein gesundheitsgefährdender Mangel gesehen worden. Darüber hinaus ist in dem Schimmelbefall eine weitergehende Gesundheitsgefahr zu sehen. Die Schimmelpilzsporen verbreiten sich überall in der Raumluft, können Krankheiten aus dem allergischen und asthmatischen Formenkreis hervorrufen und werden neuerdings zu den Krebs erregenden Stoffen gerechnet. Dies hat das Landgericht München bereits in einer Entscheidung aus dem Jahre 1991 ebenfalls so gesehen (LG München, NJW-RR 1991, 975, 976). Der gegenteiligen Rechtsprechung des LG Berlin (GE 1998, 1465) kann dagegen nicht gefolgt werden.
Wenn das Landgericht von einem Mieter den Nachweis fordert, dass von dem Schimmelbefall in seiner Wohnung eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgeht, so dürfte damit der neueste Stand der medizinischen Wissenschaft nicht berücksichtigt sein. Nach diesen Erkenntnissen ist bei großflächigem Schimmelbefall in Wohnräumen grundsätzlich von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen. Der Beklagte zu 1) hat, obwohl er dazu nicht verpflichtet gewesen wäre, wegen dieser Mängel bei der Hausverwaltung der Klägerin vorgesprochen und hat eine Instandsetzung der Wohnung verlangt. Dies kann aus der Aussage des Zeugen S. geschlossen werden, der anschaulich bekundete, dass der Beklagte zu 1) beim Verlassen des Büros schimpfte und androhte, er werde kündigen, wenn die Wohnung nicht „gemacht werde“. Da daraufhin weder der Boden in Ordnung gebracht wurde, noch der Schimmelbefall sowie seine Ursachen beseitigt wurden – dies hat auch die Klägerin nicht behauptet – waren die Beklagten berechtigt, das Mietverhältnis fristlos zu kündigen, was sie mit den Worten „ab sofort“ ausdrückten.
Auf die Frage, ob den Beklagten bei Beginn des Mietverhältnisses der gesundheitsgefährdende Mangel bekannt war, kommt es nicht an. § 539 BGB ist in diesem Zusammenhang weder direkt noch analog anzuwenden. Im letzten Absatz von § 544 BGB ist dagegen ausdrücklich bestimmt, dass ein Mieter fristlos kündigen kann, „auch wenn er die Gefahr bringende Beschaffenheit bei Abschluss des Vertrages gekannt … hat“. …
11.06.2018