Leitsatz:
Erhält der Mieter von seinem Vermieter oder Hausverwalter Schreiben mit beleidigendem Inhalt, kann er dagegen u.a. auch mit einer Unterlassungsklage vorgehen.
AG Charlottenburg, Urteil vom 28.2.01 – 5 c C 501/00 –
Mitgeteilt von RAen Ludger Freienhofer & Wolfgang Hak
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Parteien streiten um die rechtliche Zulässigkeit von Äußerungen des Beklagten gegenüber dem Kläger.
Der Kläger ist Mieter im Hause W-Straße in Berlin, das von dem Beklagten verwaltet wird. Im Rahmen von Meinungsverschiedenheiten über die Zulässigkeit eines Mieterhöhungsverlangens übersandte der Beklagte unter dem Datum des 29. und 31.5.2000 Schreiben an den Kläger, die die im Tenor dieses Urteils wiedergegebenen Formulierungen enthalten. …
Auf ein Schreiben des Klägers vom 16.9.2000, mit dem dieser den Beklagten aufforderte, künftige Äußerungen dieser Art zu unterlassen und eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben, entgegnete der Beklagte mit Schreiben vom 19.9.2000 u.a., die Zuschrift des Klägers habe „sich sofort auf den ersten Platz unseres Kuriositätenkabinetts der Mieterzuschriften katapultiert“, und er empfehle dem Kläger, einen Rechtsanwalt „heimzusuchen“. Ein anwaltliches Unterlassungsverlangen des Klägers blieb ohne Resonanz.
Der Kläger, der dem Beklagten eine Abschrift der Klageschrift bereits vorab mit Begleitschreiben vom 11.10.2000 übersandt hatte, behauptet, mit einer Wiederholung solcher Äußerungen durch den Beklagten sei zu rechnen.
Er beantragt, den Beklagten zu verurteilen, es – bei Vermeidung eines Ordnungsgeldes bis zu 500000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten für jeden einzelnen Fall des Zuwiderhandelns – zu unterlassen, den Kläger durch unsachliche und ehrverletzende Äußerungen, insbesondere durch Formulierungen wie
– „anscheinend entblöden Sie sich nicht (…)“,
– „möglicherweise leiden Sie unter Gedächtnisschwund (…),
– „werden wir durch Feststellungsklage testieren lassen, dass Sie hier dreist lügen“,
– „anscheinend sind Sie doch nicht so schlau, wie Sie sich hier zu geben versuchen“,
– „auch Ihr neuestes Geschwafel zeigt uns eigentlich nur auf, dass Sie der renitente Querulant geblieben sind, der Sie stets waren“,
– „Ihre diesbezügliche Argumentation ist genauso blödsinnig, wie Ihr bisheriger Gesamtvortrag“
zu beleidigen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Er ist der Auffassung, es handele sich nicht um Beleidigungen, sondern um die Wahrnehmung berechtigter Interessen. Der Kläger habe durch sein Verhalten im Rahmen des Mieterhöhungsverfahrens diese Äußerungen provoziert. Außerdem bestehe keine Wiederholungsgefahr. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist vollends begründet. Der Beklagte ist zur Unterlassung der im Tenor bezeichneten Äußerungen nach den §§ 1004 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB analog i.V.m. § 185 StGB verpflichtet (quasi-negatorischer Anspruch).
Nach diesen Vorschriften kann eine Person vorbeugend auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch genommen werden, sofern sie diese Äußerungen bereits früher gegenüber dem Anspruchsteller abgegeben hat, diese Beleidigungen darstellen und die ernstliche, auf Tatsachen zu gründende Besorgnis künftiger Wiederholungen der Äußerungen besteht. Eine strafbare Beleidigung i.S.d. §185 StGB liegt im Falle der rechtswidrigen Kundgabe einer vorsätzlichen Missachtung oder Nichtachtung eines Anderen vor. Das Vorhandensein einer Beleidigung kann auch aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgehen, § 193 StGB.
Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Beklagte hat den Kläger durch die in den Schreiben vom 29.5.2000 und vom 31.5.2000 verwendeten, im Tenor angegebenen Formulierungen beleidigt.
Bei den vom Beklagten in den Schreiben vom 29. und 31.5.2000 verwendeten Formulierungen handelt es sich sämtlich um Bekundungen der Missachtung bzw. Nichtachtung des Klägers. Dies ergibt sich teils unmittelbar aus den Worten selbst („entblöden, dreist lügen, Geschwafel, renitenter Querulant, blödsinnig“), die nach allgemeinem Sprachgebrauch nur eine herabsetzende, verletzende Bedeutung haben können. Teils ergibt es sich aus dem Zusammenhang des Sprachgebrauchs („Gedächtnisschwund, nicht so schlau“). Der Beklagte hat die Worte im Zusammenhang mit Einwendungen des Klägers gegen ein Mieterhöhungsverlangen verwendet. Die Wortwahl suggeriert, dass es dem Kläger darum zu tun sei, sich dumm und vergesslich zu verhalten, um daraus materielle Vorteile im Zusammenhang mit dem Mieterhöhungsverlangen zu ziehen. In diesem Zusammenhang erweist sich die Verwendung der genannten Ausdrücke als herabsetzend und ehrverletzend.
Die Qualifikation als Beleidigungen hat nichts mit der Frage zu tun, wie der Mietrechtsstreit zwischen den Parteien letztlich ausgegangen ist. Selbst wenn der Kläger hierbei unterlegen ist: Es geht nicht an, jemanden, der – aus welchem Grunde auch immer – etwas Unzutreffendes sagt, sogleich der Lüge zu zeihen.
Zum Vorsatz des Beklagten sei noch hervorgehoben, dass am beleidigenden Sinngehalt der verwendeten Worte kein Zweifel bestehen kann. Darüber hinaus hat der Beklagte es für richtig gehalten, seine Ausführungen schriftlich zu fixieren, also nicht aus der Hitze einer Auseinandersetzung heraus zu formulieren, sondern die Worte aus der Ruhe des Schreibtisches heraus zu wählen. Dies indiziert zusätzlich, dass es dem Beklagten darum zu tun war, den Kläger zu beleidigen.
Auch die Ausführungen des Beklagten zum Kontext der Briefe lassen keinen Zweifel daran aufkommen, dass der Beklagte auch rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat. Es mag vorstellbar sein, dass es im Rahmen von Meinungsverschiedenheiten zu einer Situation kommen kann, wo „ein grober Keil auf einen groben Klotz“ gehört. Allein Meinungsverschiedenheiten über die miethöherelevante Ausstattung einer Wohnung sind aber ungeeignet, die vom Beklagten gewählten Worte zu rechtfertigen. Der Beklagte hat deutlich die Standards eines friedvollen Miteinanders unterboten. Er hat – trotz ausdrücklicher gerichtlicher Aufforderung hierzu – auch nicht ernsthaft erläutert, was denn seine beleidigenden Ausfälle hier veranlasst hat. Einzig die abweichende Auffassung des Klägers in der Mietauseinandersetzung reicht zur Rechtfertigung nicht aus.
Es besteht auch die Gefahr, dass der Beklagte die im Tenor genannten Formulierungen gegenüber dem Kläger wiederholt, wenn ihm dies nicht gerichtlich verboten wird.
Diese Wiederholungsgefahr beruht zum einen auf der im vorliegenden Rechtsstreit sichtbar gewordenen Uneinsichtigkeit des Beklagten. Die Beleidigungen des Beklagten sind evident. Dennoch hat er im Verfahren keinerlei ernsthafte Anstalten gemacht, entweder den genauen Auslöser zu erläutern oder mit Bedauern hiervon abzurücken. Stattdessen hat er mehrfach den Gang des Verfahrens gerügt und Erklärungsfristen verlangt. Nachdem ihm diese bewilligt worden sind, hat er sie aber ohne Vortrag zur Sache verstreichen lassen. Dies rechtfertigt die Annahme, der Beklagte werde bei Gelegenheit dieselben Worte gegenüber dem Kläger erneut wählen.
Zum anderen geben die an den Berliner Mieterverein gerichteten Schreiben, die der Kläger hergereicht hat, Anlass zur Besorgnis, der Beklagte werde seine Formulierungen wiederholen. Diese Schreiben enthalten überaus ähnliche Formulierungen wie die hier in Rede stehenden („mietvereinstypischer Unsinn, katapultiert Sie in der Skala der Dummdreistigkeiten auf einen der vorderen Plätze, dreist lügt, schamlos gelogen, Querulantin, Querulatorik, seit Jahren unangenehm auffällig, gesamtes Schreiben Papierverschwendung“). Sie belegen den Eindruck, dass der Beklagte die von ihm verwendeten Beleidigungen als normalen Ton in seiner Mieter-Korrespondenz ansieht. Auch insoweit ist eine Wiederholung der Formulierungen zu befürchten.
Auf das vorgerichtliche Unterlassungsverlangen des Klägers … schließlich hat der Beklagte mit Schreiben vom 19.9.2000 in einer Weise reagiert, die aus Klägersicht nur noch als Verhöhnung zu begreifen ist („… dass Ihre o.a. Zuschrift sich sofort auf den ersten Platz unseres Kuriositätenkabinetts der Mieterzuschriften katapultiert hat“).
Damit war es geboten, wie beantragt zu entscheiden. …
16.03.2013