Leitsätze:
1. Zwar ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Vorschüsse die tatsächlich angefallenen Betriebskosten decken. Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Vermieter bewusst unrichtige Angaben über die Höhe des Betriebskostenvorschusses macht (hier: 9,50 DM monatlich für 101 qm).
2. In einem solchen Fall offensichtlicher Täuschung durch den Vermieter muss der Mieter für das Vorliegen eines Schadens nicht darlegen, dass er andernfalls eine preisgünstigere Wohnung hätte anmieten können.
LG Berlin, Urteil vom 7.8.01 – 64 S 109/01 –
Mitgeteilt von RA Wolfgang Thoms
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Die Berufung der Kläger hat keinen Erfolg, während die Berufung der Beklagten begründet ist.
1. Die Berufung der Kläger gegen das angefochtene Urteil, mit der sie sich gegen die Abweisung der Betriebskostenforderung für 1997 wegen Verwirkung wenden, ist unbegründet, weil ihnen kein Anspruch auf Betriebskosten zusteht. Denn die Beklagten haben gegen die Kläger einen Anspruch auf Freistellung von den Betriebskosten, da die Vorschüsse mit 9,50 DM monatlich für die ca. 101 qm große Wohnung erheblich zu niedrig angesetzt worden sind. Zwar ist grundsätzlich unerheblich, ob die Vorschüsse die tatsächlich angefallenen Betriebskosten decken (OLG Stuttgart NJW 1982, 2506). Etwas anderes gilt aber dann, wenn der Vermieter bewusst unrichtige Angaben über die Höhe des Betriebskostenvorschusses macht (Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 4. Aufl. Rn. 2024; Lammel, Wohnraummietrecht, § 4 MHG Rn. 114; Urteil der Kammer vom 23.3.1999 – 64 S 331/98 – GE 1999, 907). Denn darin liegt eine bewusste Täuschung, die sowohl zur Anfechtung nach § 123 BGB berechtigt, aber auch einen Schadensersatzanspruch rechtfertigt (Palandt/Heinrichs, 55. Aufl., § 276 BGB Rn. 78). Von einer bewusst unrichtigen Angabe über die Angemessenheit des Betriebskostenvorschusses ist hier auszugehen. Der Mietvertrag ist seitens der Kläger von einer versierten Hausverwaltung abgeschlossen worden, deren Verschulden sich die Kläger zurechnen lassen müssen (§ 278 BGB). Die Beklagten sind türkische Staatsangehörige, die der deutschen Sprache damals noch nicht hinreichend mächtig waren. Die Kläger haben auch nicht dargelegt, dass die Beklagten hinreichende Kenntnisse über die durchschnittlichen Betriebskosten für eine derartige Wohnung hatten. Nach dem Berliner Mietspiegel 1994 lagen die durchschnittlichen Betriebskosten zwischen 1,43 DM und 2,67 DM pro qm, während für die 101 qm große Wohnung ein Betriebskostenvorschuss von (9,50 DM : 101 qm =) 0,09 DM/qm vereinbart wurde, also nur rd. 1/16 der niedrigsten durchschnittlichen Betriebskosten. Daher betrugen die Nachzahlungsforderungen für 1997 4965,86 DM und für 1998 3940,63 DM, die nach der Erfahrung der ständig mit Wohnraummietsachen beschäftigten Kammer weit über den sonstigen Nachforderungen liegen. Angesichts dieser Gesamtumstände ist davon auszugehen, dass die für die Kläger tätige Hausverwaltung die Beklagten bewusst über die Angemessenheit der Vorschüsse getäuscht und sich dadurch schadensersatzpflichtig gemacht hat. Der Schaden der Beklagten, die mit ungerechtfertigten Nachforderungen in Anspruch genommen werden, scheitert auch nicht daran, dass sie nicht dargelegt haben, dass sie entsprechende Mieträume hätten anmieten können, die unter Einschluss der Betriebskosten billiger gewesen wären. Denn dafür waren sie nicht darlegungspflichtig, da sie in ihrem Vertrauen auf die Angemessenheit der Vorschüsse zumindest unter Berücksichtigung der hier vorliegenden besonderen Umstände zu schützen waren. Die Kläger hätten vielmehr darlegen müssen, dass die Beklagten nach Aufklärung über die viel zu geringen Vorschüsse die Wohnung in Kenntnis des Risikos, erhebliche Nachzahlungen leisten zu müssen, trotzdem gemietet hätten.
2. Da die Kläger verpflichtet sind, die Beklagten von sämtlichen Betriebskosten freizustellen, hat die Berufung der Beklagten, mit der sie sich gegen die Verurteilung zu der Betriebskostennachforderung für 1998 wenden, in vollem Umfang Erfolg. …
16.03.2013