Leitsatz:
Zum Anspruch eines Hauseigentümers gegen das Land Berlin auf Schadensersatz wegen der bei einem Polizeieinsatz gegen seinen Mieter beschädigten Wohnungseingangstür.
AG Mitte, Urteil vom 21.2.01 – 5 C 558/00 –
Mitgeteilt von RA Christoph Müller
Urteilstext
Wesentlicher Inhalt der Entscheidungsgründe gemäß § 495 a ZPO:
Die Klage ist zulässig.
Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist im Hinblick auf § 40 Abs. 2 VwGO eröffnet; die örtliche und sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Mitte ist ebenfalls gegeben.
§ 71 Abs. 2 Nr. 2 GVG, der bei Amtspflichtverletzungen oder pflichtwidrigem Unterlassen von Amtshandlungen die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts begründet, ist vorliegend nicht einschlägig, da Gegenstand des Verfahrens nicht eine Amtspflichtverletzung ist, die zum Anlass genommen wird, gegen den Dienstherrn vorzugehen.
Besondere landesgesetzliche Vorschriften i.S.d. § 71 Abs. 2 Nr. 3 GVG sind vorliegend nicht ersichtlich.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus den Grundsätzen des aus dem allgemeinen Aufopferungsgedanken hervorgehenden Grundsatzes des enteignenden Eingriffs zu (zum enteignenden Eingriff siehe BGHZ 100, 335 (337); Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht Band II § 72 Rdnr. 3). Nach den zutreffenden Ausführungen der klagenden Partei fehlt es vorliegend an einer spezialgesetzlichen Regelung für die Entschädigung Dritter, die durch rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen, die sich gegen andere Personen richten, einen Schaden erleiden, der als Sonderopfer anzusehen ist, weil er die Schwelle einer auf Grund der Sozialbindung des Eigentums hinzunehmenden Belastung übersteigt.
Die Klägerin hat durch die Beschädigung der Wohnungseingangstür einen Vermögensschaden in der geltend gemachten Höhe erlitten; die Beschädigung stellt auch ein über die allgemeine Sozialbindung hinausgehendes Opfer dar, welches die Eigentümerin nicht entschädigungslos hinnehmen muss. Einer Verpflichtung zum Schadensersatz steht auch der allgemein subsidiäre Charakter des Aufopferungsanspruches nicht entgegen, da vorliegend nicht ersichtlich ist, dass die Klägerin anderweitig auf Grund öffentlich-rechtlicher Vorschriften eine Entschädigung erhalten kann oder die Betroffene realisierbare vertragliche Schadensersatzansprüche hat, die zugleich im Zusammenhang mit der öffentlich-rechtlichen Maßnahme entstanden sind.
Es sind vorliegend von dem Beklagten weder hinreichend Umstände vorgetragen worden, die für einen Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Mieter sprechen könnten, noch sind solche Umstände sonst ersichtlich. Allein der Umstand, dass die sich allein in der Wohnung befindende Frau A. nachts um ca. 4.00 Uhr die Wohnungstür nicht öffnet, was nachvollziehbar ist, vermag eine solche Verpflichtung zum Schadensersatz nicht zu begründen. …
Zum Sachverhalt teilt RA Christoph Müller mit:
Im Zuge eines gegen meinen Mandanten geführten Ermittlungsverfahrens wegen „Bedrohung“ wurde am 14.5.2000 in der Mietwohnung meines Mandanten ein gerichtlicher Durchsuchungsbeschluss vollstreckt. Gegen 4.00 Uhr morgens wurde dabei die Wohnungseingangstür meines Mandanten durch Polizeibeamte gewaltsam geöffnet. Dabei entstand sowohl an der Tür als auch am Rahmen eine Beschädigung. In einer späteren Entscheidung des Amtsgerichts Tiergarten wurde dann festgestellt, dass die erfolgte Wohnungsdurchsuchung durch die Polizeibeamten auch in ihrer Ausführung rechtmäßig war, insbesondere wurde festgestellt, dass die Art und Weise des Eindringens der Polizeibeamten in die Wohnung nicht zu beanstanden war.
Das Ermittlungsverfahren gegen Herrn A. wurde dann später mangels hinreichenden Verdachts eingestellt.
Zurück blieb eine zerstörte Tür.
Mein Mandant wandte sich dann mit der Bitte um Übernahme der Reparaturkosten an den Polizeipräsidenten, der für die Durchsuchungsaktion verantwortlich zeichnete. Die von dem Polizeipräsidenten mit der Regulierung beauftragte Senatsverwaltung für Finanzen lehnte eine Reparatur der Tür ab, da es hierfür „an einer gesetzlichen Grundlage für Ihre Ersatzansprüche fehlen würde“.
Daraufhin wurde der Vermieter von meinem Mandanten zivilrechtlich auf die Reparatur der Tür in Anspruch genommen, und zwar unter Bezugnahme auf seine dem Mieter gegenüber bestehende Instandhaltungsverpflichtung. Der Vermieter kam dann auch auf Aufforderung seiner Instandsetzungsverpflichtung aus dem Mietvertrag (sowie dem BGB §§ 535, 536) nach und reparierte mit einem Kostenaufwand von DM 851,20 die Tür.
Da der Vermieter in der Tat nicht einsah, dass er letztendlich mit den Kosten für eine von ihm nicht zerstörte Tür belastet wurde, wandte er sich an die Senatsverwaltung für Finanzen. Die Senatsverwaltung für Finanzen weigerte sich auch ihm gegenüber für die Reparaturkosten aufzukommen und wies darauf hin, dass sich der Vermieter an den Mieter wenden soll.
Der Vermieter führte dann einen Prozess vor dem Amtsgericht Mitte zum Geschäftszeichen 5 C 558/00, in dem er von dem Land Berlin die vorverauslagten Reparaturkosten verlangte. Dieser Klage wurde dann stattgegeben. Zur Begründung wurde von dem Gericht angeführt, dass dem Vermieter ein „Sonderopfer“ auferlegt wurde, für das das Land aufzukommen habe. Dieser Anspruch wurde aus dem sehr entlegenen Aufopferungsanspruch abgeleitet.
16.03.2013