Leitsätze:
Die gesamte Kautionsvereinbarung ist nichtig, wenn in ihr die Übergabe der Wohnungsschlüssel von der vollständigen Hinterlegung der Kaution abhängig gemacht wird. Der Mieter hat dann schon während des laufenden Mietverhältnisses einen Anspruch auf Rückzahlung der ohne Rechtsgrund erbrachten Kautionssumme.
LG Potsdam, Urteil vom 29.11.01 – 11 S 281/00 –
Mitgeteilt von RA Rainer Döring
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgemäß eingelegte und begründete Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Amtsgericht Zossen hat in seiner angegriffenen Entscheidung zu Recht festgestellt, dass die Kläger gegen den Beklagten einen Anspruch auf Rückzahlung der als Mietkaution geleisteten 3360 DM aus § 812 Abs. 1 S. 1 BGB haben. Der Beklagte hat den genannten Betrag durch Leistung der Kläger ohne Rechtsgrund erlangt, da die zu Grunde liegende formularmäßige Verpflichtung aus § 6 Ziffer 2 des Mietvertrages nach den §§ 550 b BGB, 9 AGBG unwirksam ist. Gemäß § 550 b Abs. 1 Satz 3 BGB ist der Mieter bei einer vereinbarten Barkaution zu 3 gleichen monatlichen Teilleistungen berechtigt, die 1. Teilleistung ist zu Beginn des Mietverhältnisses fällig. Gemäß § 550 Abs. 3 BGB ist eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung unwirksam.
Nach der hier im Streit stehenden Vertragsklausel war die Mietkaution jedoch bei Beginn des Mietverhältnisses, wie tatsächlich dann auch geschehen, in einer Summe zu zahlen. Eine Schlüsselübergabe sollte erst nach vollständiger Hinterlegung der Kaution erfolgen. Eine solche Klausel läuft der insoweit zwingenden Regelung des § 550 b Abs. 1 S. 3 BGB zuwider und ist dementsprechend unwirksam (vgl. Hamburg, WM 1990, 416; bestätigt durch OLG Hamburg WM 1991, 385, 387 Nr. 4; LG Gießen WM 1996, 144; LG Berlin, GE 1996, 741).
Auf Grund der eindeutigen Festlegung der Zahlungsverpflichtung des Mieters zu Beginn des Mietverhältnisses ist anders als im Fall des LG Gießen (a.a.O.), wo sich die Klausel über den Zahlungszeitpunkt gar nicht verhielt, eine geltungserhaltende Auslegung hier nicht möglich.
Dem kann der Beklagte auch nicht entgegenhalten, dass die in §§ 550 b BGB geschützte Dispositionsbefugnis des Mieters hier gar nicht tangiert sei, da lediglich die Schlüsselübergabe, nicht jedoch der Abschluss des Mietvertrages von der Zahlung der Kaution abhängig gemacht wurde.
Eine solche Interpretation, die im Ergebnis zwischen Verpflichtungsgeschäft und Erfüllung des Mietverhältnisses unterscheiden möchte, entspricht in keinerlei Hinsicht dem Schutzzweck des § 550 b BGB. Hier wird deutlich geregelt, unter welchen Voraussetzungen der Vermieter berechtigt ist, eine Mietkaution zu verlangen. Der Mieter soll nach der insoweit eindeutigen Regelung des § 550 b Abs. 3 2.Halbsatz bei Einzug in die Räumlichkeiten nur ein Drittel der Kaution leisten müssen, was gerade nicht sichergestellt ist, wenn zwar der Mietvertrag besteht, der Mieter aber mangels Schlüssel die Räumlichkeiten vor vollständiger Zahlung nicht betreten kann. Dies würde zudem auch zu dem zweifelhaften Ergebnis führen, dass der Mietzins ohne Nutzungsmöglichkeit der Räumlichkeiten gezahlt werden müsste.
Der von dem Beklagten getätigte Hinweis auf eine angebliche Gegenansicht in der Literatur (Palandt/Weidenkaff, 60. Auflage, § 550 b Rdnr. 10) bezieht sich gerade nur auf den Verzug des Mieters mit der ersten Teilrate.
Die Unwirksamkeit der Klausel erfasst diese auch insgesamt. Das Amtsgericht folgt insoweit zu Recht nicht der vom Münchener Kommentar/Voelskow, 3. Auflage, § 550 b Rdnr. 16 vertretenen Auffassung, wonach lediglich eine Teilunwirksamkeit der Klage dergestalt eintreten soll, dass nur der von § 550 b abweichende Teil der Vereinbarung nichtig sei, der Mieter jedoch weiterhin zur Kautionszahlung verpflichtet bleibt.
Die diesbezüglich herangezogene Begründung, dass nur eine solche Lösung dem erkennbaren Vermieterwillen entspräche, verkennt nämlich, dass es im Bereich der allgemeinen Geschäftsbedingungen eine geltungserhaltende Reduktion gerade nicht gibt. Anderenfalls könnte der Verwender mit dem Argument, es sei ihm erkennbar auf die ihm günstige Position angekommen, ohne Bedenken Klauseln zu Lasten des Vertragspartners verwenden, da diese im schlimmsten Fall auf die gesetzliche Regelung „zurückgestuft“ würden.
Würde man tatsächlich davon ausgehen, dass lediglich die Zahlweise der Kaution in einem Betrag unwirksam, die Kautionsabrede aber wirksam wäre, würde der Zweck der Vorschrift jedenfalls in den Fällen, in denen der Mieter (wovon wohl in der Regel auszugehen ist) die Kaution bei Beginn des Mietverhältnisses geleistet hat, ins Leere gehen. Der Vermieter wäre in diesem Fall rechtlich so gestellt wie bei wirksamer Vereinbarung einer Einmalzahlung, da er ja durch die Kaution voll abgesichert wäre. Den Mieter in diesen Fällen ausschließlich auf einen Schadensersatzanspruch zu verweisen, entspricht nicht dem Schutzzweck der Norm.
Dieser kann vielmehr nur dann voll gewährleistet werden, wenn der Vermieter das vom Mieter gezahlte Geld eben nicht wie eine Kaution verwenden darf, also gegenüber dem Rückzahlungsanspruch auch nicht aufrechnen darf. Das Verbot der Erhebung der gesamten Kaution bei Beginn des Mietverhältnisses muss erst recht das Verbot nach sich ziehen, sich aus der verbotswidrig erhobenen Kaution zu befriedigen (LG Berlin, GE 1996, 741).
Die Rechtslage ist insofern mit der Situation vergleichbar, dass der Vermieter eine zu hohe Kaution vereinbart und erhalten hat. Auch in diesem Fall kann er gegenüber dem Rückforderungsanspruch nicht die Aufrechnung erklären (LG Bremen, NJW-RR 1993, 19).
Dementsprechend greift auch die von dem Beklagten erklärte Aufrechnung mit vermeintlichen Gegenforderungen hier nicht durch, sodass es auf die Frage, inwieweit den Beklagten fällige Betriebskostennachzahlungsansprüche zur Seite stehen, nicht ankommt.
Dem Rückforderungsanspruch der Kläger kann entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht der Einwand der Rechtsmissbräuchlichkeit entgegen gehalten werden, weil die Zahlung der Kaution bereits am 7.5.1995 erfolgte. Der Gebrauch einer gesetzeswidrigen Klausel vermag schlechterdings keinen Schutz für einen Vertrauenstatbestand zu begründen.
Letztendlich geht auch der Hinweis des Beklagten auf die Vorschrift des § 813 Abs. 2 BGB ins Leere, wonach bei Erfüllung einer betagten Verbindlichkeit kein Rückzahlungsanspruch besteht. Denn es fehlt gerade an einer Verbindlichkeit zur Zahlung der Kaution des Mieters, die diesbezügliche Vereinbarung ist nach § 550 b Abs. 3 i.V.m. § 134 BGB nichtig. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
Ebenso: LG Berlin, ZK 67 in MM 01, 495 und ZK 61 in GE 01, 1468
09.05.2017