Leitsatz:
Eine allgemeine Geschäftsbedingung, wonach der Mieter ohne Rücksicht auf den Zustand der Wohnung zur Renovierung bei Auszug verpflichtet sein soll, ist nicht nur für sich unzulässig, sondern macht auch die Überwälzung der laufenden Schönheitsreparaturen unwirksam.
LG Berlin, Urteil vom 12.11.01 – 61 S 134/01 –
Mitgeteilt von RA Walter Bergmann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Im Übrigen ist die Berufung zulässig und begründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen nicht zu, denn den Beklagten traf keine Verpflichtung zur Ausführung der Schönheitsreparaturen. Die vertragliche Vereinbarung in § 3 Abs. 2 und 3 des Mietvertrages ist gemäß § 9 Abs. 2 AGBG unwirksam, weil sie eine mit dem gesetzlichen Leitbild des § 535 BGB nicht zu vereinbarende Benachteiligung des Mieters begründet.
Die Vereinbarungen in § 3 Abs. 2 und 3 des Mietvertrages sind allgemeine Geschäftsbedingungen der Vertragsvermieter gewesen. Hinsichtlich der Regelung in § 3 Abs. 3 des Mietvertrages ergibt sich dies bereits aus dem äußeren Erscheinungsbild, weil sie Bestandteil des im RNK-Verlag für eine Vielzahl von Fällen gedruckten Vertragsformulars ist. Aber auch der maschinenschriftliche Zusatz in § 3 Abs. 2 des Vertrages ist als allgemeine Geschäftsbedingung anzusehen. Die Vermieterseite hat durch diesen Zusatz die eigenen AGB ihren Interessen entsprechend abgeändert. Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Änderung nur einmalig in dem Vertrag des Beklagten vorgenommen worden ist, hat der Kläger nicht vorgetragen. Vielmehr spricht eine Vermutung dafür, dass der gewerblich tätige Vertreter der Vertragsvermieter die Interessen seiner Kunden regelmäßig in gleicher Weise formuliert hat, wie es den Gegebenheiten des Marktes zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses entsprach. Das Gericht hat davon auszugehen, dass die Vermieterseite den Vertragstext vollständig vorbereitet und den Beklagten offeriert hat, denn der Vortrag des Klägers steht dem nicht entgegen. Selbst wenn entsprechend der Darstellung des Klägers bei einem Gespräch mit der Hausverwaltung der Zustand der Wohnung erörtert und der zu schließende Mietvertrag insgesamt erörtert und festgelegt worden sein sollte, ist darin noch nicht ein „Aushandeln“ im Sinne von § 1 Abs. 2 AGBG zu sehen. Dieses Merkmal erfordert, dass der Verwender den gesetzesfremden Kerngehalt inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem anderen Teil Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen einräumt; der Kunde muss die reale Möglichkeit haben, den Inhalt der AGB zu beeinflussen. Einflussmöglichkeiten dieser Art sind aus dem Vortrag des Klägers nicht erkennbar. Denn der Vertrag wäre in dem unstreitigen Gespräch selbst dann „insgesamt erörtert und festgelegt“ worden, wenn der Hausverwalter dem Beklagten erklärt haben sollte, der Beklagte könne die Wohnung nur zu den von ihm vorgelegten Bedingungen mieten.
Die Vereinbarungen in § 3 Abs. 2 und 3 des Vertrages führen zu einem Summierungseffekt mit dem Ergebnis, dass beide Regelungen unwirksam sind. Denn zu den abgewälzten Instandhaltungspflichten während der Vertragslaufzeit sollte auch die Pflicht zu nachvertraglichem Renovierungsaufwand treten. Die Regelung in § 3 Abs. 2 Satz 2 des Vertrages ist als Schlussrenovierungsklausel anzusehen. Nach dem für die Auslegung von AGB maßgeblichen Verständnis der beteiligten Verkehrskreise wollten die Parteien mit dieser Klausel regeln, dass die Wohnung ohne Abwohnerscheinungen zurückzugeben ist. Denn in einem solchen Zustand möchte ein neuer Mieter die Wohnung bei Bezug übernehmen; weist sie Abwohnerscheinungen auf, so wird er in der Regel eine Renovierung vor Bezug vornehmen, die Wohnung also gerade nicht als „bezugsfertig“ ansehen. Selbst wenn eine andere Auslegung der Klausel möglich sein sollte, müsste der Kläger gemäß § 5 AGBG diejenige Auslegung gegen sich gelten lassen, die zu dem für den Beklagten günstigsten Ergebnis führt. Dies ist die Auslegung als Schlussrenovierungsklausel, weil diese zur Unwirksamkeit der Abwälzung insgesamt führt.
Dass die Abwälzung der Schlussrenovierung ohne Rücksicht auf laufende Renovierungen per AGB allein bereits unwirksam ist, führt nicht dazu, dass die Klausel betreffend die laufenden Schönheitsreparaturen bestehen bleiben kann. Denn der Verwender einer aus zwei Teilen bestehenden Klausel, deren einer Teil nur Bestand haben kann, wenn der andere Teil unwirksam ist, kann sich wegen des Gebotes der Transparenz vorformulierter Vertragsbedingungen nicht auf die Unwirksamkeit des anderen Klauselteils berufen (BGH, Rechtsentscheid vom 26.10.1994, WM 1995, 28). …
Anmerkung der Redaktion:
ebenso: LG Berlin – ZK 65 – WM 98, 554 = GE 98, 430
anders: LG Berlin – ZK 64 – GE 94, 583
02.01.2017