Leitsätze:
1. Der Schadensersatzanspruch wegen schlecht durchgeführter Schönheitsreparaturen besteht unabhängig von der Tatsache, ob die Durchführung einer Renovierung vertraglich geschuldet war oder nicht.
2. Der Schadensersatzanspruch entfällt jedoch dann, wenn durch die unsachgemäße Renovierung des Mieters kein zusätzlicher Schaden entstanden ist, weil die Wohnung bei Mietvertragsbeginn in einem desolaten Zustand war, der den Vermieter ohnehin zur Instandsetzung verpflichtet hätte.
3. Zur Anwendung der Quotenhaftungsklausel in einem solchen Fall.
LG Berlin, Urteil vom 29.1.02 – 64 S 312/01 –
Mitgeteilt von RA Hans-Joachim Gellwitzki
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Das Amtsgericht hat die Beklagten zur Zahlung von 9153,18 DM (brutto) mit der Begründung verurteilt, dass sie die Fenster und Türen unsachgemäß gestrichen hätten, weshalb sie wegen dieser Schlechtleistung zum Schadensersatz nach den Grundsätzen der pVV verpflichtet seien. Diese Rechtsansicht, die der bisherigen Rechtsprechung der Kammer für den Fall schlecht ausgeführter Schönheitsreparaturen folgt, ist dem Grunde nach auch nicht zu beanstanden. Trotzdem hat die Berufung der Beklagten Erfolg. Denn insoweit dringen die Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des LG Frankfurt (WM 2000, 545 = NJW-RR 2001, 372 = NZM 2001, 191-192) mit dem Argument durch, dass durch ihre unsachgemäßen Arbeiten kein zusätzlicher Schaden entstanden sei, weil Fenster und Türen wegen des desolaten Zustandes, der bereits bei Abschluss des Mietvertrages bzw. Übergabe der Mietsache an sie bestand, von der Klägerin zuvor hätten instand gesetzt werden müssen, weshalb ein messbarer Schaden nicht entstanden bzw. nicht dargelegt sei.
Nach ihrem unbestrittenen Vortrag waren die Türen und Fenster bereits bei Abschluss des Mietvertrages in einem beschädigten Zustand. Der Vortrag gilt jedenfalls gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden, da das Bestreiten der Klägerin mit dem Schlagwort „lebensfremd“ im Hinblick auf den Vortrag der Beklagten weder ausreichen noch zutreffen dürfte. Dann schulden die Beklagten aber keinen Ersatz für Lackarbeiten. Denn die über gewöhnliche Malerarbeiten hinausgehende Beseitigung so genannter „Untergrundschäden“ an Holz, Putz oder Mauerwerk gehört ohnedies nicht zu den Schönheitsreparaturen, sondern obliegt dem Vermieter auf dessen Kosten (BGHZ 105, 71-88 = GE 1988, 881-887 = WM 1988, 294-298 mit Verweis auf LG Berlin WM 1987, 147; Glaser ZMR 1986, 109).
Wenn aber die Klägerin diese Schäden ohnehin beseitigen muss bzw. musste, ist der unsachgemäße Anstrich als weiterer Schaden nicht mehr kausal, da die erforderlichen Arbeiten (Abschleifen, Neuanstrich) sowieso zu erbringen waren.
Selbst wenn man sich zu Gunsten der Klägerin auf den Standpunkt stellt, dass die Beklagten jedenfalls zum Ersatz der Kosten des Streichens – in voller Höhe oder auf Grund der Quotenklausel anteilig – verpflichtet waren, verhilft dies der Klägerin nicht zu einem Schadensersatzanspruch. Denn dieser Schaden ist der Höhe nach nicht ausreichend dargetan und auch auf Grund des Gutachtens nicht zu ermitteln. Denn der Sachverständige berücksichtigt in seinen ermittelten Kosten immer die erheblichen Vorarbeiten am Untergrund (vgl. beispielhaft nur Pos. 1.1.1.), ohne dass ausscheidbare Kosten für das Streichen im Gutachten erwähnt sind. …
… Soweit das Amtsgericht die Beklagten wegen der übrigen Arbeiten zwar nicht in voller Höhe, jedoch auf Grund der vertraglich vereinbarten Quotenklausel zur Erstattung von 60 % der entsprechenden Kosten verurteilt hat, hat die Berufung der Beklagten ebenfalls Erfolg. Der Klägerin steht dieser Anspruch in Höhe der zuerkannten 5115,73 DM bzw. 2615,63 Euro gegen die Beklagten nicht zu.
Grundsätzlich bestehen gegen die Wirksamkeit der vereinbarten Quotenklausel keine Bedenken, selbst vor dem Hintergrund, dass den Beklagten eine unrenovierte Wohnung überlassen worden ist. Der BGH hat für eine wortgleiche Klausel folgende Ausführungen gemacht, denen sich das Gericht anschließt (BGHZ 105, 71-88 = GE 1988, 881-887 = WM 1988, 294-298):
„Wie der Senat in seinen Beschlüssen vom 8.1.1986 (VIII ARZ 4/85 = DWW 1986, 97 = WM 1986, 209 = NJW 1986, 2102 = WM 1986, 495) und vom 1.7.1987 (a.a.O. unter III 2) ausgeführt hat, handelt es sich bei der Vermietung einer unrenoviert zu überlassenden Wohnung zwar um eine besondere Fallgruppe, für die die Frage der Wirksamkeit der formularmäßigen Abwälzung von Schönheitsreparaturen gesonderter rechtlicher Beurteilung unterliegt. Für eine Abgeltungsklausel der vorliegenden Art kann nichts anderes gelten. Hier wie dort ist aber die Wirksamkeit der Klausel im Ergebnis zu bejahen.
b) Im Beschluss vom 1.7.1987 (a.a.O.) hat der Senat als maßgebend für die Wirksamkeit der dortigen Klausel angesehen, dass sie durch Anknüpfung der üblichen Renovierungsfristen an den Beginn des Mietverhältnisses den Mieter auch bei Übernahme einer unrenovierten Wohnung nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet, die er bei Tragung der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter für den gleichen Zeitraum in Form eines entsprechend höheren Mietzinses zu zahlen hätte. Dasselbe gilt für die vorliegende Klausel insofern, als sie die Höhe der anteiligen Abgeltung vom Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparaturen „während der Mietzeit“ und nicht von deren Zeitpunkt schlechthin abhängig macht. Damit ergibt sich für den Fall eines relativ kurzfristigen Mietverhältnisses (wie im Vorlagefall), dass die für die Abgeltung maßgeblichen Fristen frühestens mit dem Anfang des Mietverhältnisses zu laufen beginnen. Aber auch wenn man die Abgeltungsregelung (im Hinblick auf eine längere Dauer des Mietverhältnisses) im Zusammenhang mit der Verpflichtung des Mieters zur Ausführung von Schönheitsreparaturen nach dem Fristenplan sieht, ergibt sich, dass der Mieter insgesamt nur auf seine eigene Mietzeit entfallende Renovierungsleistungen zu erbringen hat. Denn die Fristen nach dem vorliegenden Fristenplan knüpfen mangels gegenteiliger Anhaltspunkte (§ 5 AGBG) ihrerseits ebenfalls an den Beginn des Mietverhältnisses an. Es wird hier also auch durch die Gesamtheit der Renovierungs- und Abgeltungspflichten des Mieters bis zum Ende eines Mietverhältnisses nicht „ein über die Mietzeit hinausgehender Abnutzungszeitraum abgedeckt“ (so aber OLG Stuttgart, Rechtsentscheid vom 28.8.1984 a.a.O. zu der dortigen Klausel).
Auch die Schwierigkeiten, die sich bei der Ermittlung des erstattungsfähigen Betrages ergeben können, hat der BGH in der genannten Entscheidung berücksichtigt. Dabei soll es grundsätzlich bei einer Ersatzpflicht des Mieters verbleiben, während unbillige Ergebnisse durch die Anwendung von § 242 BGB korrigiert werden können. Der BGH hat hierzu ausgeführt:
„Praktikabel und sachgerecht erscheint es vielmehr, die Renovierungs- und Abgeltungspflichten des Mieters auch hier am (teilweisen) Ablauf der üblichen Renovierungsfristen während seiner Mietzeit auszurichten. Dass der Mieter sich bis zur erstmaligen Durchführung von Schönheitsreparaturen mit einer mehr oder weniger abgewohnten Wohnung begnügen muss, nimmt er bei Vertragsschluss in Kauf. Auch wer eine mangelhafte Mietsache in Kenntnis und unter Billigung ihres Zustands zu einem bestimmten Mietzins anmietet, kann nicht einwenden, er erhalte dafür kein gleichwertiges Äquivalent (vgl. § 539 Satz 1 BGB).
bb) Dass sich der (auch für die Abgeltungsklausel maßgebliche) Renovierungsaufwand mit steigendem Abstand zum Zeitpunkt der letzten Schönheitsreparaturen zwangsläufig erhöht und dem Mieter insofern die Abnutzung der Räume durch den Vormieter doch zur Last fällt (so Finger a.a.O.; Niebling NJW 1987, 2564 zu III.; Sonnenschein JZ 1988, 100 zu 2d), trifft zumindest in dieser Allgemeinheit ebenfalls nicht zu: Ob eine ohnehin zu erneuernde Tapete mehr oder weniger verschmutzt oder beschädigt, ob ein Anstrich mehr oder weniger abgegriffen ist, macht für die Höhe der Renovierungskosten keinen nennenswerten Unterschied. Die über gewöhnliche Malerarbeiten hinausgehende Beseitigung so genannter „Untergrundschäden“ an Holz, Putz oder Mauerwerk gehört ohnedies nicht zu den Schönheitsreparaturen, sondern obliegt dem Vermieter auf dessen Kosten (vgl. LG Berlin WM 1987, 147; Glaser ZMR 1986, 109; Oske a.a.O. S. 2). Entsteht ausnahmsweise ein wesentlich höherer Renovierungsaufwand wegen der Dekorationsabnutzung durch den Vormieter, so kann dem – bei grundsätzlicher Wirksamkeit der Klausel – über § 242 BGB Rechnung getragen werden (vgl. unten 3.).
3. Nach allgemeinen Grundsätzen ist es allerdings nicht ausgeschlossen, dass die Berufung des Verwenders von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf eine an sich wirksame Klausel unter besonderen Umständen des Einzelfalls gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB) verstoßen kann (vgl. BGH-Urteile vom 12.2. 1985 – X ZR 31/84 = BGHZ 93, 391, 399; vom 20.12.1984 – VII ZR 340/83 = WM 1985, 522; Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 5. Aufl., § 9 Rdn. 34 ff; Bunte/Heinrichs, Aktuelle Rechtsfragen zur Freizeichnung nach dem AGB-Gesetz, RWS-Skript 157, 1985, S. 82 ff; Hensen NJW 1987, 1986 zu V; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., 82 ff; Hensen NJW 1987, 1986 zu V; Palandt/Heinrichs, BGB, 47. Aufl., Vorbem. 4c vor § 8 AGBG; H. Schmidt, Vertragsfolgen der Nichteinbeziehung und Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1986, S. 101 ff; zu weit gehend Hensen NJW 1987, 361). Dies schließt auch der Senatsbeschluss vom 1.7.1987 (a.a.O.) nicht aus. So kann die Berufung des Vermieters auf die Klausel insoweit treuwidrig sein, als sich im Einzelfall der erforderliche Renovierungsaufwand infolge Abnutzung der Räume durch den oder die Vormieter wesentlich erhöht. In einem solchen Fall kann über § 242 BGB ein angemessener Ausgleich dahin gefunden werden, dass dem Mieter der Mehraufwand nur nach dem Verhältnis seiner Mietzeit zur gesamten Abnutzungsdauer angelastet wird. Die Wirksamkeit der Klausel als solcher bleibt davon unberührt.“
Im Ergebnis verhält es sich im vorliegenden Fall ebenso. Die Klägerin hat zwar dem Grunde nach Anspruch auf Ersatz des so genannten Quotenschadens. Da jedoch ein erheblicher Teil der vom Sachverständigen gerügten Schäden bereits bei Abschluss des Mietvertrages bestand, was die Klägerin zumindest in zweiter Instanz auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme erster Instanz auch nicht mehr bestreitet, ist auf § 242 BGB zurückzugreifen. Danach könnte der Klägerin entweder ein anteiliger Betrag zugesprochen werden, der sich nach dem Verhältnis der Mietdauer der Beklagten zur Gesamtdauer der zurückliegenden letztmals ausgeführten Schönheitsreparaturen bestimmt, oder der sich auf 60 % der üblicherweise anfallenden Arbeiten (im Wesentlichen entweder Tapezieren oder Streichen) beläuft. Beides kann im Ergebnis mangels ausreichender Darlegungen nicht ermittelt werden, weshalb der Quotenschaden der Höhe nach nicht festgestellt werden kann. Denn die Klägerin hat nicht vorgetragen, wann die letzten Schönheitsreparaturen tatsächlich ausgeführt worden sind, weshalb die Ermittlung des Quotenschadens nach der ersten Alternative nicht möglich ist. Das von der Klägerin eingereichte Privatgutachten ist ebenfalls nicht geeignet, einen Quotenschaden – nach der zweiten Alternative – zu ermitteln oder auch nur zu schätzen. Denn in dem Gutachten sind alle erforderlichen Arbeiten für eine Schadensposition stets zusammen erfasst und ausgewiesen, weshalb die Kosten für die üblicherweise anfallenden Arbeiten nicht ausscheidbar sind. Denn alle Positionen enthalten auch die von den Beklagten nicht geschuldeten Vorarbeiten an der Bausubstanz (wie z.B. Vorarbeiten am Holz; Entfernen der alten, unsachgemäß geklebten Tapete). …
16.03.2013