Leitsatz:
Nicht jede öffentliche Kritik am Geschäftsgebaren des Vermieters – auch wenn sie für diesen störend und wirtschaftlich nachteilig sein sollte – ist eine unzulässige Schmähkritik.
AG Schöneberg, Urteil vom 28.6.01 – 10 C 185/01 –
Mitgeteilt von RA Cornelius Knappmann-Korn
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Verfügungsklägerin ist Eigentümerin des Hauses … . Der Verfügungsbeklagte, der in … wohnhaft ist, ist Halter eines Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen … . Dieses Fahrzeug ist regelmäßig vor bzw. in der Nähe des … geparkt. Dieses Fahrzeug ist mehrfach mit drei Plakaten folgenden Inhalts beklebt:
Nr.1:
„Schaustelle W-Straße.
Endlich wieder im Angebot.
Letzter Kaufpreis 2,75 Mio. Mark
www. … .de“
Nr.2:
„Schaustelle W-Straße.
99 % Habgier – 1 % Intelligenz:
Das musste schiefgehen.
Auch Mietshäuser, Herr Spekulant, können einem auf die Füße fallen.
Was dieser Rabiatinvestor sonst noch nicht weiß,
alles unter www. … .de.
Nachbarn, helft uns durch die Verbreitung dieser Adresse“
Nr. 3:
„Schaustelle W-Straße.
Die Spekulanten kommen und gehen!
Wir bleiben! Alles Wissenswerte zu diesem Haus: Eigentümer …
Letzter Kaufpreis 2,75 Mio., Denkmalschutz, Veränderungssperre Schwammbefall
extrem vermieterfreundliche Bewohner
Und vieles mehr unter www. … .de
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Die Klägerin behauptet, auf dem Plakat Nr. 3 befinde sich eine unwahre Tatsachenbehauptung, da hier von „Schwammbefall“ die Rede sei. Dies treffe nicht zu, was sich aus der eidesstattlichen Erklärung der Dipl.-Ing. … vom 2.3.2001 ergebe.
Die Klägerin ist der Auffassung, die auf den Plakaten geäußerten negativen Wertungen über die Verfügungsklägerin stellten einen Eingriff in das Recht am Unternehmen dar. Durch den Inhalt der Plakate würden Kaufinteressenten abgeschreckt. So sei bei den ständig durchgeführten Besichtigungsterminen bereits ein Kaufinteressent abgesprungen, nachdem er die auf das Fahrzeug aufgebrachten Plakate bemerkt habe und hieraus seine Schlüsse auf die im Haus wohnenden Mieter gezogen habe.
Auf Antrag der Verfügungsklägerin hat das AG Schöneberg dem Verfügungsbeklagten durch Beschluss vom 29.5.2001 im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, die an dem Pkw vor dem Hausgrundstück in der W- Straße in Berlin geparkten mit dem amtlichen Kennzeichen … angebrachten Plakate zu entfernen.
Gegen diese einstweilige Verfügung hat der Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 31.5. 2001, eingegangen bei Gericht am selben Tage, Widerspruch eingelegt.
Die Verfügungsklägerin beantragt nunmehr, die einstweilige Verfügung mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass dem Verfügungsbeklagten aufgegeben wird, die an dem vor, gegenüber oder in unmittelbarer Nähe des Hausgrundstücks in der … geparkten Kfz mit dem amtlichen Kennzeichen … angebrachten Plakate des Inhalts
Nr.1:
„Schaustelle W-Straße.
Endlich wieder im Angebot.
Letzter Kaufpreis 2,75 Mio. Mark
www. … .de“
Nr.2:
„Schaustelle W-Straße.
99 % Habgier – 1 % Intelligenz:
Das musste schiefgehen.
Auch Mietshäuser, Herr Spekulant, können einem auf die Füße fallen.
Was dieser Rabiatinvestor sonst noch nicht weiß,
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Nr. 3:
„Schaustelle W-Straße.
Die Spekulanten kommen und gehen!
Wir bleiben! Alles Wissenswerte zu diesem Haus: Eigentümer …
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zu entfernen und auch an keinem anderen ihm gehörigen Fahrzeug solche Plakate anzubringen oder anbringen zu lassen.
Der Verfügungsbeklagte beantragt, die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Der Verfügungsbeklagte behauptet, der Hausschwamm befinde sich im Keller des Gartenhauses sowie in der Außenwand des Treppenhauses des 4. Portals. Der Verfügungsbeklagte ist der Auffassung, dass der Inhalt der streitbefangenen Plakate vom Grundrecht auf Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch des Verfügungsbeklagten hin auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen; dies führte zu ihrer Aufhebung.
Die Verfügungsklägerin hat keinen Anspruch auf Entfernung der streitbefangenen Plakate und Unterlassung einer entsprechenden zukünftigen Plakatierung gemäß §§1004 Abs. 1, 823 Abs. 1 und 2, 185 ff StGB, 824 BGB in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG.
Denn die im Rahmen der an dem streitbefangenen Fahrzeug angehefteten Plakate ausgedrückte Kritik am Vorgehen der Verfügungsklägerin stellt keinen rechtswidrigen und schuldhaften Eingriff in das Recht der Klägerin am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.
Zwar können Äußerungen, die sich wie hier störend auf die freie Entfaltung des Gewerbes der Verfügungsklägerin auswirken, einen Eingriff in dieses Recht darstellen. Dieser Eingriff ist jedoch im vorliegenden Fall nicht rechtswidrig, weil die Abwägung zwischen dem Recht der Verfügungsklägerin auf störungsfreie Ausübung ihres Gewerbes und dem Recht des Beklagten auf freie Meinungsäußerung nach Art. 5 Abs. 1 GG eine Rechtswidrigkeit im Ergebnis ausschließt.
Grundsätzlich muss sich ein Gewerbetreibender, insbesondere wenn er sein Gewerbe in einem die Öffentlichkeit bewegenden und sachlich umstrittenen Bereich ausübt, der Kritik an seiner Leistung und seinem Geschäftsgebaren stellen. Eine solche Kritik ist nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sie negativ und damit störend und – ggf. auch wirtschaftlich – nachteilig für den Betroffenen ist.
Betrifft die Meinungsäußerung zudem eine die Öffentlichkeit wesentlich bewegende Frage, so dürfen gerade dann bei der Auslegung der die Äußerungsfreiheit beschränkenden Gesetze keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. hierzu LG Berlin, Beschluss vom 29.3.2001 zum Aktenzeichen 27 O 88/01 m.w.N.).
Vorliegend befassen sich die von der Verfügungsklägerin beanstandeten Plakate mit Missständen im Bereich der Instandsetzung und Modernisierung von vermieteten Altbauten und dem danach beabsichtigten Verkauf der Immobilien. Im Hinblick darauf, dass ein großer Teil der Bevölkerung insbesondere in Berlin auf Mietraum angewiesen ist und natürlicherweise ein Interesse an bezahlbarem Mietraum besteht, handelt es sich bei dem von der Klägerin ausgeübten Gewerbe um eine solche die Öffentlichkeit bewegende Frage. Darüber hinaus bestehen im vorliegenden Fall gerichtsbekannt zahlreiche Konflikte zwischen der Verfügungsklägerin und zahlreichen Mietern des einstmals zu den besetzten Häusern Berlins gehörenden Hauses …, die nicht nur Gegenstand mehrerer Rechtsstreite, sondern auch Gegenstand einer regelmäßigen Berichterstattung in den Berliner Tageszeitungen und im Rundfunk sind.
Der Inhalt der streitbefangenen Plakate überschreitet nicht die Grenze zu einer nicht von Art. 5 Abs. 1 GG gedeckten Schmähkritik, die dann vorliegt, wenn der Äußernde den Betroffenen ohne sachlichen Grund bewusst und willkürlich herabsetzen will. Denn im Vordergrund der Plakate steht nicht die Diffamierung der Klägerin bzw. ihrer Geschäftsführer, sondern eine – polemische – Kritik an der Vorgehensweise der Klägerin.
Inwieweit falsche Tatsachenbehauptungen vom Schutz der Meinungsfreiheit umfasst werden, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, da die Verfügungsklägerin nicht behauptet bzw. nicht glaubhaft gemacht hat, dass der Verfügungsbeklagte unrichtige Tatsachenbehauptungen gemacht habe.
Im Einzelnen ist zu den Plakaten Folgendes auszuführen:
Nr. 1: Hier handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung, aus der keine der Meinungsfreiheit unterfallende Kritik, sondern lediglich ein ironischer Unterton herauszulesen ist. Dass die in dem Plakat behaupteten Tatsachen falsch seien, hat die Verfügungsklägerin nicht behauptet.
Nr. 2.: Hier handelt es sich um eine zulässige polemische Kritik an der Klägerin, die aus den obigen Grundsätzen im Rahmen der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG liegt. Um eine Schmähkritik handelt es sich auch bei den Äußerungen „99 % Habgier – 1 % Intelligenz“, „Herr Spekulant“ und „Rabiatinvestor“ nicht, weil die Klägerin keine natürliche, sondern eine juristische Person ist, die über die genannten Eigenschaften per se nicht verfügt und daher insoweit auch nicht diffamiert werden kann. Auch die innerhalb des Plakats befindliche bildliche Darstellung eines Affen, der sich den Fuß hält, hat keinen Bezug zu der Verfügungsklägerin, die als GmbH eine juristische Person ist und sich damit diffamierenden Vergleichen mit dem Tierreich entzieht.
Nr. 3: Hierbei handelt es sich teilweise um zulässige polemische Kritik im Rahmen einer Meinungsäußerung, teilweise um Tatsachenbehauptungen. Soweit auch hier das Wort „Spekulanten“ genannt wird, und sich dies hier offensichtlich auf die Eigentümer des Hauses und die Geschäftsführer der Verfügungsklägerin bezieht, ist auch dies keine Schmähkritik. Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob die Verfügungsklägerin bezüglich Meinungsäußerungen gegenüber natürlichen Personen – nämlich ihren Geschäftsführern – aktiv legitimiert wäre. Zum anderen stellt aber die Bezeichnung „Spekulant“ auch gegenüber natürlichen Personen im Rahmen der hier geführten Auseinandersetzung keine diffamierende Schmähkritik dar, weil im Vordergrund eindeutig die politische Auseinandersetzung mit einem bestimmten Verhalten von Investoren steht, die Mietshäuser aufkaufen und in modernisiertem Zustand weiterverkaufen wollen, um hierdurch Gewinn zu erzielen und nicht eine persönliche, völlig unsachliche Diffamierung von einzelnen Personen.
Soweit auf dem Plakat das Vorhandensein von Hausschwamm behauptet wird, hat die Verfügungsklägerin nicht glaubhaft gemacht, dass das Hausgrundstück … frei von Hausschwamm ist. Zwar ist der eingereichten eidesstattlichen Versicherung der Dipl.-Bauing. … vom 26.3.2001 zu entnehmen, dass diese bei ihrer Begehung des Hauses keinen Hausschwamm feststellen konnte. Frau … macht aber gerade zu den regelmäßig anfälligen Problemstellen wie Nassräumen, Balkenköpfen an den Außenwänden und einigen Mieteinheiten ausdrücklich keine Angaben, weil sie diese nicht begehen konnte. Auch zu den Bereichen Keller des Gartenhauses sowie zur Außenwand des Treppenhauses des 4. Portals, wo sich der Hausschwamm befinden soll, werden in der eidesstattlichen Versicherung keine Angaben gemacht.
Im Ergebnis ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung daher zurückzuweisen. Der Verfahrenswert ist gemäß § 3 ZPO mit 2000 DM anzusetzen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 708 Nr. 6, 711 ZPO.
16.03.2013