Leitsatz:
Ein formularvertraglich vereinbarter – nur für den Mieter geltender – vierjähriger Kündigungsausschluss ist gemäß § 307 BGB unwirksam.
LG Duisburg, Urteil vom 16.4.02 – 13 S 417/01 –
Mitgeteilt von RA Norbert Wilke
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… 1. Die Beklagte hat das Mietverhältnis mit Kündigung vom 18.9.2000 wirksam mit der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 565 I Nr. 3 BGB a.F. zum 31.12.2000 gekündigt. Dass die Beklagte in ihrem Kündigungsschreiben als Beendigungstag den 1.11.2000 angegeben hat, ist – wie bereits das Amtsgericht zutreffend dargelegt hat – unschädlich. Die Angabe einer kürzeren Frist als der gesetzlichen Frist ist vorliegend folgenlos, da der angegebene und der gesetzliche Beendigungstermin nah beieinander liegen und dem Kündigungsschreiben entnommen werden konnte, dass eine ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses beabsichtigt war (vgl. Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 564 Rn 38).
2. Die Beklagte war berechtigt, das Mietverhältnis mit der gesetzlichen Kündigungsfrist des § 565 I Nr. 3 BGB a.F. zu kündigen. Die Bestimmung unter § 4 (2) des Mietvertrages vom 25.2.1999, wonach der Vertrag durch den Mieter frühestens zum 28.2.2003 gekündigt werden kann, entfaltet keine Wirksamkeit, da sie gegen § 9 AGBG verstößt.
a) Bei dem Mietvertrag vom 25.2.1999 handelt es sich um ein vorformuliertes, vervielfältigtes Klauselwerk, so dass prima facie von dem Vorliegen allgemeiner Geschäftsbedingungen i.S.d. § 1 AGBG auszugehen ist (vgl. Heinrichs in Palandt, 61. Aufl., § 1 AGBG Rn 20). Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsklauseln zur Laufzeit und zum Kündigungsausschluss individuell ausgehandelt wurden, bestehen nicht. Soweit die Klägerin geltend macht, die Staffelmietvereinbarung und der damit verbundene Ausschluss des mieterseitigen Kündigungsrechts seien individuell ausgehandelt worden, handelt es sich um eine substanzlose Behauptung „ins Blaue hinein“, da nicht ansatzweise dargetan wird, in welcher Weise die diesbezüglichen Verhandlungen vonstatten gegangen sein sollen und inwiefern es zu einem wirklichen Aushandeln gekommen ist.
b) Gemäß § 4 (1) des Mietvertrages vom 25.2. 1999 wurde das Mietverhältnis auf unbestimmte Zeit abgeschlossen. Indes sieht § 4 (2) für den Mieter einen Kündigungsausschluss bis zum 28.2.2003 vor. Dieser Kündigungsausschluss führt zu einer einseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist zu Lasten des Mieters. Eine solche einseitige Verlängerung zu Lasten des Mieters stellt eine unangemessene Benachteiligung des Mieters im Sinne von § 9 AGBG dar, da dem Mieter die Vertragsbeendigung erschwert wird, ohne dass dies durch eine entsprechende Besserstellung im Bestandsinteresse aufgewogen wird (Blank in Schmidt-Futterer, Mietrecht, 7. Aufl., § 565 Rn. 33; vergleiche auch Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 4. Aufl., § 9 Rn M 45; Voelskow in Münchener Kommentar, 3. Aufl., § 565 Rn 7).
Auch im vorliegenden Fall steht dem vierjährigen Kündigungsausschluss zu Lasten der Beklagten und der damit einhergehenden erheblichen Erschwerung der Vertragsbeendigung keine Besserstellung im Bestandsinteresse gegenüber. Zwar heißt es unter § 4 (3) Satz 1 des Mietvertrages, dass das Wohnungsunternehmen von sich aus das Mietverhältnis grundsätzlich nicht kündigen wird.
Dies begründet indes vorliegend keinen dem Kündigungsausschluss zu Lasten des Mieters gleichwertigen Kündigungsausschluss zu Lasten des Vermieters. Denn abgesehen davon, dass die Bestimmung in § 4 (3) Satz 1 nicht hinreichend deutlich eine Verpflichtung des Wohnungsunternehmens begründet, das Mietverhältnis nicht zu kündigen, sondern diese Bestimmung lediglich als Ankündigung formuliert ist, die durch den Zusatz „grundsätzlich“ relativiert wird, wird diese bereits relativierte Ankündigung in Satz 2 der Klausel weiter eingeschränkt.
Danach behält sich die Klägerin das Recht vor, in besonderen Ausnahmefällen das Mietverhältnis schriftlich unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu kündigen, wenn wichtige berechtigte Interessen des Wohnungsunternehmens eine Beendigung des Mietverhältnisses notwendig machen. Im Gegensatz zum Mieter steht dem Wohnungsunternehmen danach ein Recht zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses mit der gesetzlichen Kündigungsfrist zu. Dass dieses nur in besonderen Ausnahmefällen bei wichtigen berechtigten Interessen des Wohnungsunternehmens ausgeübt werden kann, führt nicht zu einer Besserstellung des Mieters, die den vierjährigen Kündigungsausschluss aufwiegt.
Für den Wohnungsvermieter besteht ein Recht zur ordentlichen Kündigung gemäß § 573 I, II BGB n.F. (§ 564 b I, II BGB a.F.) ohnehin nur bei Vorliegen eines berechtigten Interesses an der Vertragsbeendigung. Die vertragliche Regelung unter § 4 (3) Satz 2 des Mietvertrages gibt ausschließlich die ohnehin bestehende Rechtslage wieder. Der Bestandsschutz des Mieters wird durch den Vertrag nicht über das gesetzliche Maß hinaus erweitert. Die Formulierungen „besondere Ausnahmefälle“ und „wichtige berechtigte Interessen“ sind inhaltsleer, da die ordentliche Kündigung seitens des Vermieters auch von Gesetzes wegen nur ausnahmsweise zulässig ist und „unwichtige“ Interessen keine berechtigten Interessen im Sinne des § 573 I BGB n.F. sein können.
Im Ergebnis bestimmt § 4 (2), (3) des Mietvertrages danach einseitig zu Lasten des Mieters einen vierjährigen Kündigungsausschluss, während der Vermieter das Mietverhältnis im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten mit der gesetzlichen Kündigungsfrist jederzeit ordentlich kündigen kann. Hierin liegt eine grobe Diskrepanz zwischen den Kündigungsfristen des Mieters und denen des Vermieters, die gemäß § 9 AGBG zur Unwirksamkeit des Kündigungsausschlusses in § 4 (2) des Mietvertrages führt. Das auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Mietverhältnis konnte daher von der Beklagten mit der gesetzlichen Kündigungsfrist zum 31.12.2000 wirksam gekündigt werden.
Die Ausführungen der Klägerin zu § 10 II MHG führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Insbesondere kann aus dieser Schutznorm zu Gunsten des Mieters nicht der Umkehrschluss gezogen werden, einseitige Kündigungsbeschränkungen zu Lasten des Mieters von bis zu vier Jahren seien zulässig. Dies geben weder das Gesetz noch die einschlägige Kommentierung her. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.12.2001 geltenden Rechtslage.
05.01.2018