Leitsätze:
1. Ab der Eintragung in das Grundbuch ist der Nießbraucher gemäß §§567, 566 BGB zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis legitimiert.
2. Der Nießbraucher ist dem Erwerber gleichzustellen, so dass er Kürzungsbeträge nach § 558 Abs. 5 BGB aus der Zeit vor seiner Vermieterstellung nicht berücksichtigen muss.
LG Berlin, Urteil vom 13.5.02 – 67 S 421/01 –
Mitgeteilt von RA Christian Korn
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… 1. Die Klägerin ist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis mit den Beklagten aktivlegitimiert.
a) Auf Grund des Vertragsabschlusses vom 26.7.1977 ist zwischen dem VEB Kommunale Wohnungsverwaltung Berlin … und den Beklagten ein wirksames Mietverhältnis zu Stande gekommen, das nach der deutschen Wiedervereinigung auf die W… Wohnungsbaugesellschaft mbH übergegangen ist.
b) Mit notariellem Vertrag vom 10.11.1999 hat die W… Wohnungsbaugesellschaft mbH der Klägerin einen Nießbrauch für die Liegenschaft F-Str., Berlin, eingeräumt. Am 17.2. 2000 ist die Klägerin als Nießbraucherin in das Grundbuch eingetragen worden. Ab dem Zeitpunkt ihrer Eintragung in das Grundbuch ist die Klägerin als Nießbraucherin gemäß §§577, 571 Abs. 1 BGB a.F. zur Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Mietverhältnis mit den Beklagten aktivlegitimiert.
aa) Der Nießbrauch gemäß § 1030 Abs. 1 BGB stellt ein dingliches Recht dar, durch dessen Ausübung einem Mieter der vertragsgemäße Gebrauch der Mietsache entzogen wird, so dass es dem Anwendungsbereich der §§ 577, 571 Abs. 1 BGB a.F. unterfällt (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 577 BGB a.F. Rn. 1).
bb) Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass der eingetragene Nießbrauch mit einer unzulässigen Bedingung versehen sei, die gegen das Bestimmtheitsgebot verstoßen würde. Auf Grund der Regelung in Abschnitt II § 4 des notariellen Vertrages vom 10.11.1999 ist davon auszugehen, dass die Klägerin die vereinbarte Zahlung von 40000000,- DM vor Eintragung des Nießbrauchs in das Grundbuch geleistet hat.
cc) Gemäß Abschnitt II § 1 des notariellen Vertrages vom 10.11.1999 hat der Nießbrauch am 1.12.1999 begonnen und endet vertragsgemäß am 30.11.2049. Es ist nicht ersichtlich, dass die W… Wohnungsbaugesellschaft mbH bislang von den vereinbarten Möglichkeiten Gebrauch gemacht hätte, den Nießbrauch vorzeitig zu beenden.
2. Die Klägerin kann von den Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung des Nettokaltmietzinses für die von ihnen innegehaltene Wohnung im Hause F.-Str. in Berlin von 353,23 DM um einen Betrag von 36,46 DM auf 389,69 DM (199,25 Euro) mit Wirkung ab dem 1.11.2000 verlangen.
a) Der von der Klägerin formulierte Klageantrag ist zulässig. Insbesondere entspricht das Mieterhöhungsverlangen der Klägerin vom 16.8.2000 den formellen Anforderungen des § 2 Abs. 2 Satz 2 MHG a.F., so dass es geeignet war, die Überlegungsfrist und die Klagefrist des § 2 Abs. 3 MHG a.F. auszulösen.
aa) Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 MHG a.F. ist ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 MHG a.F. schriftlich geltend zu machen und zu begründen, wobei auch etwaige nach § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. erhebliche Kürzungsbeträge anzugeben sind. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. sind vom Jahresbetrag des nach dieser Vorschrift zulässigen Mietzinses die Kürzungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Satz 3 bis 7 MHG a.F. abzuziehen.
bb) Dem Vorbringen der Parteien ist zu entnehmen, dass die W… Wohnungsbaugesellschaft mbH ihre Liegenschaft F.-Str. in Berlin im Jahr 1991 saniert hat. Zwar sind die Sanierungsmaßnahmen mit öffentlichen Mitteln der Investitionsbank Berlin gefördert worden, aus deren Schreiben vom 24.4.2001 sich jedoch ergibt, dass die Vergabe der Baukostenzuschüsse sowohl für Instandsetzungs- als auch für Modernisierungsmaßnahmen erfolgt ist. Der unsubstantiierten Darstellung der Beklagten ist nicht zu entnehmen, in welchem Umfang die W… Wohnungsbaugesellschaft mbH tatsächlich Fördermittel für Modernisierungsmaßnahmen empfangen hat.
cc) Ungeachtet dieser Problematik ist die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. vom Jahresbetrag des nach dieser Vorschrift zulässigen Mietzinses die Kürzungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Satz 3 bis 7 MHG a.F. abzuziehen.
Nach Auffassung des Kammergerichts besteht für den Erwerber von gefördertem Wohnraum keine Verpflichtung, gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. vom Jahresbetrag des nach dieser Vorschrift zulässigen Mietzinses die Kürzungsbeträge nach § 3 Abs. 1 Satz 3 bis 7 MHG a.F. abzuziehen (GE 1997, 1221). In dem Rechtsentscheid vom 15.9.1997 führt das Kammergericht aus: „Die Verpflichtung aus § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. trifft nur denjenigen Vermieter, der den Mietzins nach § 3 MHG a.F. erhöht hat oder erhöhen konnte. Diese Voraussetzungen liegen bei dem Erwerber eines mit öffentlichen Mitteln modernisierten preisfreien Wohnraums nicht vor.“ Dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Satz 1 MHG a.F. ist zu entnehmen, dass nur derjenige Vermieter den Mietzins nach § 3 MHG a.F. erhöhen kann, der selbst bauliche Maßnahmen durchgeführt hat. Der BGH hat die Auffassung des Kammergerichts in seinem Urteil vom 8.10.1997 bestätigt (GE 1997, 1521), indem er ausgeführt hat: „Der Vermieter, der keine öffentlichen Fördermittel erhalten und deshalb auch keine Verpflichtungen aus der öffentlichen Förderung übernommen hat, unterliegt den Beschränkungen des § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. nicht. Entgegen der Ansicht der Revision folgt die Pflicht zur Berücksichtigung von Fördermitteln nicht aus dem Mietverhältnis selbst, was Voraussetzung für einen Übergang nach § 571 BGB a.F. wäre, sondern aus gesetzlichen Vorschriften, die von außen auf den Inhalt des Mietverhältnisses einwirken. Entscheidend ist daher, ob öffentliche Fördermittel, auf die § 2 Abs. 1 Satz 2 MHG a.F. Bezug nimmt, demjenigen zugeflossen sind, der die Mieterhöhung nach § 2 MHG a.F. verlangt. Anderes ergibt sich auch aus dem Zweck der Vorschrift nicht. Sie wurde 1978 durch das Gesetz zur Änderung des Wohnraummodernisierungsgesetzes eingeführt (BGBl. I S. 878, 882). Sinn der Ergänzung des § 2 MHG a.F. war es zu gewährleisten, dass sich bei der Erhöhung auf die Vergleichsmiete Leistungen aus öffentlichen Haushalten, die zur Modernisierung von Wohnraum erbracht werden, in jedem Fall durch entsprechende Kürzungsbeiträge zu Gunsten des Mieters auswirken. Vor der Ergänzung des § 2 MHG a.F. ergab sich diese Berücksichtigungspflicht nur für Mittel aus dem Wohnungsmodernisierungsgesetz (dort § 14 Abs. 2), nicht für solche aus anderen Förderprogrammen. Leistungen aus öffentlichen Haushalten sollten aber dem Mieter allgemein – und nicht nur im Geltungsbereich des Wohnungsmodernisierungsgesetzes zu Gute kommen.“
Die Klägerin ist als Nießbraucherin einem Erwerber im vorgenannten Sinne gleichzustellen, wie sich aus § 577 BGB a.F. ergibt. Die Ausführungen des Kammergerichts und des BGH sind auf diese Fallkonstellation uneingeschränkt übertragbar. Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass die Befristung des Nießbrauchs sowie wirtschaftliche Verflechtungen zwischen der Eigentümerin und der Klägerin im hiesigen Einzelfall zu einer anderen Betrachtungsweise führen müssten. Es wäre mit den Grundsätzen der Rechtssicherheit nicht zu vereinbaren, wenn auf die konkrete Ausgestaltung des notariellen Vertrages, mit dem der Nießbrauch eingeräumt worden ist, abzustellen wäre. Auch im Fall der Veräußerung einer Liegenschaft könnte die Rechtsbeziehung zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber im Innenverhältnis so ausgestaltet werden, dass sie einer entsprechenden Interessenlage gerecht werden würde, zumal ein Rückerwerb durch den Veräußerer nicht ausgeschlossen wäre. …
16.03.2013