Leitsatz:
Eine einvernehmliche Mieterhöhung stellt auf Grund ihres rechtsgeschäftlichen Charakters eine Novation des Mietverhältnisses dar, die ausgesprochene Kündigungen unwirksam werden lässt.
AG Schöneberg, Urteil vom 13.6.02 – 106 C 299/01 –
Mitgeteilt von RA Andreas Volkmann
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin vermietete die Wohnung M.-Str., 2. OG links, in Berlin mit Vertrag vom 11.9.1997 an die Beklagten. Im Vertrag heißt es u.a. in § 1: „Vermietet werden … 1 WC mit /Bad …“ Vor dem Wort „Bad“ wurde das vorgedruckte Wort „Dusche“ gestrichen. In der Wohnung befindet sich eine Einbauwanne, der entsprechende Wandbereich ist gefliest. Dort kam es zu Wasserschäden bis zum Außenputz.
Mit Schreiben vom 13.12.2000 und 9.1.2001 wies die Klägerin die Beklagten darauf hin, dass die Fliesen nicht dauerhaft benässt werden dürften; die Badewanne nebst Handbrause dürfe nicht als Dusche verwendet werden, sondern nur im Sitzen als Badewanne. Nach einer nicht streitgegenständlichen fristlosen Kündigung kündigte die Klägerin den Beklagten das Mietverhältnis mit Schreiben vom 30.4.2001 zum 31.7.2001. Dem widersprachen die Beklagten mit Schreiben vom 30.5.2001.
Mit handschriftlich ausgefülltem Formschreiben vom 30.9.2001 erbat die Klägerin von den Beklagten die Zustimmung zu einer Erhöhung der monatlichen Nettomiete von 474,11 DM auf 568,18 DM. Dem stimmten die Beklagten mit Fax vom 29.11.2001 zu und zahlen seitdem die geforderte Nettomiete. Mit Schreiben vom 30.11.2001 nahm die Klägerin das Zustimmungsbegehren zurück und führte hierzu aus, dass dieses irrtümlich gefertigt worden sei; zugleich kündigte sie das Mietverhältnis erneut. Dem widersprachen die Beklagten mit Schreiben vom 1.3.2002.
Mit Schreiben vom 22.1.2002 teilten die Beklagten mit, dass sie derzeit zwar kein Interesse daran hätten, aus der Wohnung auszuziehen, hierzu indes gegebenenfalls bei Zahlung eines Ausgleiches bereit wären. Zu einer von der Klägerin anvisierten Aufhebungsvereinbarung des Mietvertrages kam es nicht. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Rechtsstreit ist entscheidungsreif. Der Klägerin war keine Erklärungsfrist auf den Schriftsatz vom 15.5.2002 zu bewilligen. Denn dieser enthält keinen neuen Tatsachenvortrag, der entscheidungserheblich wäre.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Herausgabeanspruch gemäß § 556 BGB a.F. bzw. § 546 BGB n.F. zu. Denn weder die Kündigung vom 30.4.2001 noch die vom 30.11.2001 hat das Mietverhältnis beendet. Aus diesem Grund steht der Klägerin auch kein Anspruch gemäß § 985 BGB zu. Denn infolge des fortbestehenden Mietvertrages haben die Beklagten gemäß § 986 BGB ein Recht zum Besitz.
Die Kündigung vom 30.4.2001 hat das Mietverhältnis jedenfalls infolge der einvernehmlichen Mieterhöhung gemäß § 558 BGB n.F. nicht beendet. Denn eine einvernehmliche Mieterhöhung stellt auf Grund ihres rechtsgeschäftlichen Charakters eine Novation des Mietverhältnisses dar, die ausgesprochene Kündigungen unwirksam werden lässt. Denn ohne eine ausdrücklich ausgesprochene Einschränkung geben beide Parteien zu erkennen, dass sie den Fortbestand des Mietverhältnisses wünschen.
Die Klägerin hat ihre diesbezügliche Erklärung auch nicht gemäß §§ 119, 142 BGB wirksam angefochten. Auch wenn sie bei Erstellung des Zustimmungsbegehrens auf Grund einer Trennung der Mieter- von der Prozessakte nicht berücksichtigt hat, dass sie sich in einem Räumungsrechtsstreit mit den Beklagten befindet, so handelt es sich nicht um einen Eigenschafts- oder Erklärungsirrtum, der gemäß § 119 BGB zur Anfechtung berechtigen könnte, sondern alleine um einen rechtlich irrelevanten Motivirrtum. Sich mit einer anderen Person in einem Rechtsstreit zu befinden, ist keine Eigenschaft der anderen Person. Denn ein Rechtsstreit ist vorübergehender Natur und haftet der anderen Partei nicht auf Dauer an. Eine einseitige Abstandnahme von ihrem Zustimmungsbegehren mit Schreiben vom 30.11.2001 war jedenfalls nach erklärter Zustimmung der Beklagten am 29.11.2001 nicht mehr möglich.
Auch die erneute Kündigung vom 30.11. 2001 hat das Mietverhältnis nicht beendet. Gemäß § 573 I BGB n.F. setzt eine derartige ordentliche Kündigung ein berechtigtes Interesse an der Kündigung seitens der Klägerin voraus. Ein solches hat sie nicht dargelegt. Insbesondere ist ein etwaiger vertragswidriger Gebrauch der Beklagten oder eine fehlende Rücksichtnahme der Beklagten auf den Erhalt der Mietsache in der Vergangenheit kein ausreichender Grund. Denn dieses widerspricht der Novationswirkung des § 558 BGB n.F.. Es oblag der Beklagten, gemessen an § 138 ZPO ausreichend darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagten einen etwaigen vertragswidrigen Gebrauch nach ihrer Zustimmung zu dem Mieterhöhungsbegehren fortgesetzt hätten oder auf den Erhalt der Mietsache nicht ausreichend Rücksicht genommen hätten. Diesbezüglich hat die Klägerin nicht vorgetragen. Hierzu wäre sie aber durch eine Beschreibung eines vergrößerten Schadensbildes in der Lage gewesen. …
Anmerkung der Redaktion:
ebenso: LG Berlin v. 19.6.95 – 61 S 30/95 -; AG Charlottenburg v. 19.9.96 – 5 c C 184/96 -, MM 97, 153
anders: LG Berlin v. 24.7.78 – 61 S 113/78 – GE 78, 628 = WM 80, 12; LG Düsseldorf v. 2.2.93 – 24 S 562/92 -, DWW 93, 104
vgl. auch Kammergericht v. 11.10.01 – 8 U 2024/00 -, GE 02, 128
16.03.2013