Leitsätze:
Eine fristlose Kündigung wegen eines wichtigen Grundes erfordert dessen spezifizierte Angabe im Kündigungsschreiben. Bei einer Kündigung wegen Lärmbelästigungen ist es daher erforderlich, dass diese in quantitativer und zeitlicher Hinsicht konkretisiert werden.
AG Wedding, Urteil vom 5.6.02 – 8a C 26/02 –
Mitgeteilt von RA Hans-Joachim Gellwitzki
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist Eigentümerin der Liegenschaft T.-Str. in Berlin. Die Beklagten sind Mieter der Wohnung im 1. Obergeschoss, rechts – Wohnung Nr. 4 – in der vorbenannten Liegenschaft. Die Beklagten bewohnen die Wohnung mit ihren beiden Kindern, einem 18-jährigen Sohn und einer 1991 geborenen Tochter. Grundlage des am 15.6.1992 geschlossenen Mietverhältnisses ist unter anderem die Haus- und Benutzungsordnung der Klägerin, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.
Die Klägerin begehrt die Räumung der Wohnung, nachdem sie mit Schreiben vom 28.11. 2001 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärte. Darin heißt es unter anderem wie folgt:
(…) trotz mehrfacher Aufforderung und bereits erfolgter letztmaliger Abmahnung vom 21.9.2001 lassen Sie nicht davon ab, sich vertragswidrig zu verhalten. So halten Sie die Ruhezeiten nicht ein, lärmen während der Ruhezeiten in der Wohnung und schlagen Haus-, Wohnungs- und Zimmertüren derartig laut zu, dass sich die Nachbarn nachhaltig beeinträchtigt fühlen. Darüber hinaus schlagen Sie immer wieder auch Keller- und Garagentüren derart laut zu, dass der Lärm für die Mitmieter nicht mehr zu ertragen ist. Insbesondere das Zuschlagen des Garagentores zu jeder Tages- und Nachtzeit beeinträchtigt die Mieter der über der Garage liegenden Wohnung ganz erheblich. Weiterhin weigern Sie sich nachdrücklich, das Hoftor zu schließen und so zur Sicherung der Wohnanlage beizutragen. Zusätzlich lassen Sie immer wieder nach Verlassen des Kellers das Licht in den Kellergängen an. (…)
Dem Kündigungsschreiben gingen Abmahnungsschreiben vom 21.9.2001 und vom Oktober 1997 voraus, auf deren Inhalt Bezug genommen wird. Mit den Abmahnungsschreiben und der Kündigung reagierte die Klägerin auf ihr von Mitmietern vorgetragene Beschwerden über die Beklagten wegen Lärmbelästigung sowie Unterlassens des Schließens des Hoftores und Ausschaltens des Kellerlichtes.
Die Klägerin behauptet, die Beklagten würden die Ruhezeiten nicht einhalten und sich generell laut verhalten. Im Jahr 2001 hätten die Belästigungen ein starkes Ausmaß angenommen und hielten noch an. Im Einzelnen behauptet die Klägerin, die Beklagten hätten in der Zeit vom 2.10.2001 bis 6.11.2001 zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten in 28 in der Klageschrift näher genannten Fällen das Garagentor laut zugeschlagen, so dass sich der Mitmieter F. gestört gefühlt habe. Zugleich sei jedesmal das Hoftor nicht geschlossen worden. Ferner sei in der Zeit vom 20.11.2001 bis 21.1.2002 in 25 in der Klageschrift näher ausgeführten Fällen in der Wohnung der Beklagten Lärm verursacht worden, wodurch sich der Mitmieter gestört gefühlt habe. …
… Die Beklagten sind der Ansicht, die Kündigung sei bereits unwirksam, weil die vorangegangene Abmahnung nichtig sei. Die Abmahnung vom 28.10.1997 liege zu lange zurück, um die Kündigung vom 28.11.2001 rechtfertigen zu können. Zudem enthalte die Abmahnung nur Allgemeinplätze und keine konkreten Vorwürfe. Außerdem verstoße die Kündigung gegen § 569 Abs. 4 BGB. Denn die Kündigung enthalte ebenfalls nur Allgemeinplätze. Es werde nicht konkret dargelegt, wann sich welche angeblichen Vorfälle nach der Abmahnung vom 21.9.2001 zugetragen haben sollen.
Die Beklagten bestreiten die gegen sie erhobenen Vorwürfe und wenden ein, ein äußerst ruhiges Familienleben zu führen. Das in der Nachkriegszeit ohne besondere Lärmdämmung errichtete Haus sei sehr hellhörig. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Räumung der streitbefangenen Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB n.F., denn das Mietverhältnis wurde durch die Kündigung vom 28.11.2001 nicht beendet. Ein Herausgabeanspruch aus anderen Vorschriften besteht ebenfalls nicht.
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung vom 28.11.2001 sind die durch das Mietrechtsreformgesetz vom 19.6.2001 (BGBl. I S. 1149) am 1.9.2001 in Kraft getretenen Vorschriften anzuwenden. Die Überleitungsvorschrift des Art. 229, § 3 Abs. 1, Nr. 1 EGBGB, wonach altes Mietrecht Anwendung findet, ist nicht einschlägig. Sie stellt auf den Zugang einer Kündigung vor dem 1.9.2001 ab.
1. Die Kündigung des Mietverhältnisses ist unwirksam, denn die Voraussetzungen des §569 Abs. 4 BGB n.F. liegen nicht vor. Nach dem durch das Mietrechtsreformgesetz neu eingeführten § 569 Abs. 4 BGB ist die Angabe des wichtigen Grundes, der zur Kündigung führt, Wirksamkeitsvoraussetzung. Nach Ansicht des Gerichts erfüllt der Inhalt des Kündigungsschreibens vom 28.11.2001 die Voraussetzungen nicht, weil es den wichtigen Grund nicht hinreichend wiedergibt. Das Kündigungsschreiben nennt zwar das jeweilige Fehlverhalten, das den Beklagten vorgeworfen wird. Beispielhaft sei hier erwähnt, das laute Zuschlagen der Keller- und Garagentür und das Lärmen während der Ruhezeiten in der Wohnung. Hinsichtlich der zeitlichen – ungefähren – Einordnung des vorgeworfenen Fehlverhaltens und der Häufigkeit seines Auftretens macht es hingegen keine ausreichenden Angaben. Eine solche Konkretisierung ist jedoch im vorliegenden Fall erforderlich. Aus dem Kündigungsschreiben geht hingegen nur hervor, dass es sich um Vorfälle nach der Abmahnung vom 21.9. 2001 handelt.
Zur Klärung der Frage, welche Anforderungen an den Inhalt der Kündigung zu stellen sind, konnte das Gericht bei seiner Entscheidungsfindung auf Grund der Neueinführung des § 569 Abs. 4 BGB nicht auf bereits ergangene Rechtsprechung zurückgreifen. Veröffentlichte Urteile hierzu sind nicht bekannt. Eine Juris-Anfrage unter der Norm § 569 Abs. 4 BGB blieb ergebnislos. Die herangezogene Kommentarliteratur erschöpft sich in allgemein gehaltenen Ausführungen. So wird vertreten, der entsprechende Sachverhalt müsse derart konkret angegeben werden, dass er von anderen Kündigungstatbeständen unterschieden werden könne (Kinne/ Schach, Miet- und Mietprozessrecht, 3. Aufl., S. 744, Rdnr. 27). Ein vertragswidriges Verhalten oder ein vertragswidriger Zustand müsse nach Gegenstand, Ort und Zeit hinreichend beschrieben werden (Palandt-Weidenkaff, 61. Aufl., § 569 BGB, Rdnr. 24).
Nach anderer Ansicht dürfen an die Angaben der Kündigungsgründe keine übermäßigen Anforderungen gestellt werden (Haas, Das neue Mietrecht, § 569 BGB, Rdnr. 5). Die Angaben des Kündigungsgrundes sei hier für den Kündigungsgegner von geringerer Bedeutung, als es für die ordentliche Kündigung des Vermieters gemäß § 573 Abs. 3 der Fall sei. Dagegen spricht jedoch, dass durch die unmittelbar eintretende Räumungsverpflichtung das Bedürfnis des Mieters nach einer dezidierten Erklärung für die Handlungsmotive des Vermieters sogar noch stärker als bei Ausspruch einer ordentlichen Kündigung ist (BT-Drs 14/4553 S. 91).
Nach Ansicht des Gerichts ist der wichtige Grund jedenfalls derart zu spezifizieren, dass der von der Kündigung betroffene Mieter die Möglichkeit hat, zu überprüfen, ob die erhobenen Vorwürfe zutreffend sind. Denn Sinn und Zweck der Vorschrift ist, dass der Mieter prüfen kann, ob die in der Kündigung erhobenen Vorwürfe zutreffend sind, und er die Rechtslage einschätzen kann. Diese Möglichkeit besteht nicht, wenn die im Kündigungsschreiben erhobenen Vorwürfe derart pauschal sind, dass dem Mieter eine Prüfung und Einlassung hierauf nicht möglich ist. Im Falle einer Kündigung wegen Lärmbelästigung ist daher erforderlich, dass diese in quantitativer und zeitlicher Hinsicht konkretisiert werden. …
16.03.2013