Leitsätze:
1. Der Ausfall der Heizungsanlage in der Wohnung berechtigt den Mieter zu einer Mietzinsminderung von 70 % der Nettokaltmiete.
2. Ein Annahmeverzug des Mieters hinsichtlich der Mängelbeseitigung kann bei umfänglichen Instandsetzungsarbeiten nur eintreten, wenn der Vermieter in seinem wörtlichen Angebot die geplanten Arbeiten vollständig beschreibt und diese Arbeiten dem Gebot der Rücksichtnahme entsprechen.
3. Der Vermieter hat bei Dauernutzung der vermieteten Wohnung durch Untermieter gemäß § 242 BGB einen Anspruch darauf, die Identität dieser Personen zu erfahren.
LG Berlin, Urteil vom 29.7.02 – 61 S 37/02 –
Mitgeteilt von RAen Christoph Müller & Ernst Warner
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist im Hinblick auf die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung rückständigen Mietzinses überwiegend begründet (I). Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, waren die Kosten wegen der Räumungsklage den Klägerinnen aufzuerlegen (II 2) und die Kosten der Auskunftsklage der Beklagten (II 1).
I. Die Klägerinnen haben gegen die Beklagte für den streitgegenständlichen Zeitraum von November 1999 bis November 2000 lediglich in Höhe von 733,51 Euro (1434,63 DM) einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses gemäß § 535 Abs. 2 BGB. Dies folgt vor allem daraus, dass der Mietzins im Streitzeitraum wegen der unzureichenden Beheizbarkeit der Wohnung und wegen der unvollständigen Renovierung nach Anschluss der Heizungsanlage gemindert war. Außerdem hat die Beklagte gegen die verbleibende Mietzinsforderung mit minderungsbedingten Überzahlungen wirksam aufgerechnet. Weiterhin haben die Klägerinnen in ihrer Berechnung des Zahlungsrückstandes die tatsächlichen Zahlungen der Beklagten unvollständig eingestellt.
1. Der Mietzins war während der Heizperiode 1999/2000 (Oktober 1999 bis April 2000) um 70 % gemindert; von Mai 2000 bis November 2000 war der Mietzins wegen der unvollständigen Renovierung nach Einbau der Heizungsanlage um 10 % gemindert.
Der Ausfall der Heizungsanlage in den Wintermonaten und die hieraus resultierende mangelnde Beheizbarkeit der Wohnung ist ein erheblicher Mangel und hat daher die Minderung des Mietzinses zur Folge. Die Minderung war nicht gemäß § 242 BGB wegen eines Annahmeverzuges der Beklagten hinsichtlich der Mängelbeseitigung ausgeschlossen. Ein solcher Annahmeverzug lag nicht vor; denn die Klägerinnen haben die Mängelbeseitigung nicht ordnungsgemäß angeboten. Insbesondere stellen die Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 24.7.1999 und vom 30.8.1999 kein wörtliches Angebot im Sinne von § 295 BGB dar. Gleiches gilt für die verschiedentlichen telefonischen Kontaktaufnahmen im Juli und August 1999 sowie für das Schreiben der Hausverwaltung vom 22.7.1999.
Zwar war zur Herbeiführung des Annahmeverzuges ein wörtliches Angebot ausreichend; denn die Bewirkung der geschuldeten Handlung setzte die Duldung des Zutritts und damit die Mitwirkung der Beklagten voraus. Auch das wörtliche Angebot muss aber der geschuldeten Leistung so, wie sie zu bewirken ist, entsprechen (vgl. § 294 BGB). Zu einem ordnungsgemäßen Angebot gehörte daher nicht nur das Angebot des in der Wiederherstellung der Beheizbarkeit liegenden Leistungserfolges, sondern auch das Angebot einer gehörigen Leistungshandlung. Denn der Gläubiger ist zur Annahme einer Leistung nicht verpflichtet, wenn er die angebotene Leistungshandlung nicht zu dulden hat.
In diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob es sich bei Wiederherstellung der Heizungsanlage um eine Instandsetzungsmaßnahme oder um eine Modernisierung der Mietsache gehandelt hat. Zwar sind bei der Instandsetzung der Mietsache im Sinne von §541 a BGB a.F. nicht ebenso strenge Anforderungen an die Ankündigung der geplanten Maßnahmen zu stellen wie bei der Modernisierung von Wohnraum (vgl. § 541 b Abs. 2 BGB a.F.). Aber auch die Instandsetzung von Wohnraum, mit anderen Worten: die Mängelbeseitigung, hat so zu erfolgen, dass unnötige Beeinträchtigungen des Mieters vermieden werden (vgl. nur Palandt, BGB, 61. Auflage, § 554 Rn. 6). Wegen dieses Rücksichtnahmegebotes ist der Vermieter bei der Bestimmung seiner Leistungshandlung nicht frei. Dies hat zur Folge, dass ein Annahmeverzug des Mieters hinsichtlich der Mängelbeseitigung, sofern hierzu umfängliche Instandsetzungsarbeiten erforderlich werden, nur dann eintreten kann, wenn der Vermieter in seinem wörtlichen Angebot die geplanten Arbeiten vollständig beschreibt und diese Arbeiten dem Gebot der Rücksichtnahme entsprechen.
Insofern kommen als ordnungsgemäße wörtliche Angebote nur die Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerinnen vom 24.7. 1999 und vom 30.8.1999 in Betracht. Denn nur in diesen Schreiben wird die beabsichtigte Leistungshandlung überhaupt beschrieben. Doch auch diese Schreiben genügen den Anforderungen nicht. Denn zum einen wird in ihnen die Leistungshandlung nur unzureichend dargestellt. Dies gilt insbesondere für die bloße Bezugnahme auf einen beigefügten Wohnungsgrundriss im Schreiben vom 24.7.1999, aus dem sich lediglich die Leitungsführung der geplanten Heizung ergibt. Aber auch die Informationen im nachfolgenden Schreiben vom 30.8.1999 sind unzureichend. Denn in ihm wird ausdrücklich nicht Stellung genommen zu dem Maß der Rücksichtnahme auf mietereigene Einbauten. Auch fehlen weiterhin Angaben zu den genauen Arbeitszeiten und zur Sicherstellung der Wasserversorgung während der Arbeiten. Zum anderen sind die Schreiben als wörtliches Angebot auch deshalb unzureichend, weil die letzten Informationen erst einen Tag vor Beginn der geplanten Arbeiten übermittelt wurden. Zur Begründung des Annahmeverzuges muss das wörtliche Angebot dem Gläubiger jedoch so zugehen, dass er sich nach der Prüfung angemessen zu seinem Inhalt äußern kann.
Der Mietzins war daher bis zur endgültigen Wiederherstellung der Beheizbarkeit der Wohnung im Mai 2000 gemindert. Die Kammer erachtet eine Minderung von 70 % des Nettokaltmietzinses für angemessen. Dabei ist berücksichtigt, dass die Beklagte durch die Aufstellung von Gasheizungen halbwegs erträgliche Zimmertemperaturen herstellen konnte. Denn die Minderung hat sich objektiv an der Beeinträchtigung des Mietgebrauchs zu orientieren; dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beeinträchtigung erst durch Maßnahmen des Mieters reduziert werden konnte.
Von Mai 2000 bis November 2000 war der Mietzins weiterhin um 10 % gemindert, weil die Klägerinnen die Wohnung nach Einbau der Heizungsanlage nur unvollständig renoviert haben. Angesichts der detaillierten Beschreibung der Renovierungsmängel durch die Beklagte, zumal unter Vorlage von Fotos, ist das einfache Bestreiten des so beschriebenen Zustandes der Wohnung durch die Klägerinnen nicht ausreichend. Es hätte den Klägerinnen vielmehr oblegen, zu der Durchführung von Abschlussarbeiten näher vorzutragen. Der Minderungssatz von 10 % ist angemessen, weil die nicht unerheblichen Renovierungsmängel jeden einzelnen Raum der Wohnung betreffen, weshalb sich der Beklagten die Wohnung im Minderungszeitraum geradezu „als Baustelle“ darbot.
2. Es ergibt sich demnach unter Berücksichtigung der Zahlungen der Beklagten der aus der nachfolgenden Tabelle ersichtliche Mietrückstand: …
… Dagegen dringt die Aufrechnung der Beklagten mit den Kosten für die Gasheizung der Wohnung in den Wintermonaten nicht durch. Zwar kommt insofern ein Schadensersatzanspruch gemäß § 538 Abs. 1 BGB a.F. oder ein Aufwendungsersatzanspruch gemäß § 538 Abs. 2 BGB a.F. in Betracht. Die Beklagte hat aber nicht dargelegt, dass ihr ein Schaden oder ein besonderer Mangelbeseitigungsaufwand entstanden ist. Denn die Beheizungskosten sind Kosten, die dem Mieter ohnehin zur Last fallen. Als Schaden oder besonderer Mangelbeseitigungsaufwand ersatzfähig sind demnach nur die Mehrkosten, die die normalen Heizkosten übersteigen. Hierzu trägt die Beklagte aber nichts vor.
II. Soweit der Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, waren gemäß § 91 a ZPO die Kosten wegen der Räumungsklage den Klägerinnen aufzuerlegen und die Kosten der Auskunftsklage der Beklagten.
1) Die Kosten der Auskunftsklage waren der Beklagten aufzuerlegen, weil diese voraussichtlich im Rechtsstreit unterlegen gewesen wäre. Der Vermieter hat bei Dauernutzung der vermieteten Wohnung durch andere Personen als die des Mieters gemäß § 242 BGB einen Anspruch darauf, die Identitäten dieser Personen zu erfahren.
Denn die Auskunft ist zur Anspruchssicherung gegen diese Personen im Falle der Schädigung der Mietsache erforderlich. Vorliegend ergibt sich zudem aus § 20 des Mietvertrages, dass es dem Vermieter auf eine Identifizierbarkeit der Nutzer ankam.
2) Die Kosten der Räumungsklage waren den Klägerinnen aufzuerlegen, weil sie insoweit im Rechtsstreit unterlegen gewesen wären. Denn weder die Zahlungsverzugskündigung vom 15.11.2000 noch die fristlose Kündigung wegen „vollständiger Gebrauchsüberlassung und Auskunftsverweigerung“ vom 20.2.2001 haben das Mietverhältnis beendet.
Die Voraussetzungen einer Zahlungsverzugskündigung gemäß § 554 Abs. 1 BGB a.F. liegen nicht vor. Im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung war die Beklagte für die Monate November 1999 bis April 1999 jeweils mit 160,11 DM im Zahlungsrückstand, für Mai 2000 mit 2018,49 DM sowie für Juni 2000 bis November 2000 mit jeweils 126,82 DM. Unter weiterer Berücksichtigung eines Zurückbehaltungsrechtes wegen der vorhandenen Mängel in Höhe des 5-fachen Minderungsbetrages ergibt sich lediglich für Mai 2000 ein Verzug der Beklagten in Höhe von 736,42 DM; im Übrigen lag ein Verzug der Beklagten nicht vor.
Hinsichtlich der Kündigung wegen vollständiger Gebrauchsüberlassung fehlt es an den Voraussetzungen des § 553 BGB. Denn der Kündigung ist eine Abmahnung nicht vorausgegangen. Auch wegen Auskunftsverweigerung konnten die Klägerinnen nicht fristlos kündigen. Die Kündigung nach § 554 a BGB a.F. ist nur dann begründet, wenn die Beklagte durch ihr Verhalten in einem solchen Maße ihre Verpflichtungen verletzt hat, dass den Klägerinnen ein Festhalten an dem Mietverhältnis nicht zugemutet werden konnte. Da die Beklagte auf die Aufforderung der Klägerinnen lediglich untätig geblieben ist und bereits seit Jahren eine Wohngemeinschaftsnutzung ohne entsprechende Auskünfte praktiziert worden war, vermag die Kammer eine besondere Schwere des Vertragverstoßes nicht zu erkennen.
Die Kostenentscheidung im Übrigen beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO analog. Von einer Anordnung nach § 711 ZPO wurde gemäß § 713 ZPO abgesehen, weil die Voraussetzungen, unter denen ein Rechtsmittel gegen das Urteil stattfindet, unzweifelhaft nicht vorliegen. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt 20000 Euro nicht (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO).
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
22.11.2016