Leitsätze:
1. Eine Quotenhaftungsklausel, die dem Vermieter einen Abgeltungsanspruch von 100 % gibt, wenn die letzten Schönheitsreparaturen bei Vertragsende länger als 5 Jahre zurückliegen, ist unwirksam.
2. Die Unwirksamkeit einer solchen Quotenhaftungsklausel erstreckt sich wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot auch auf die Überwälzung der Schönheitsreparaturen.
3. Die mangelhafte Durchführung von Schönheitsreparaturen begründet für den Vermieter nur dann einen Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung, wenn sich ein Zustand, der zuvor noch akzeptabel war, verschlechtert bzw. für den Vermieter bei zukünftigen Renovierungsarbeiten ein zusätzlicher Aufwand entsteht.
4. Ein Verzugsschaden nach § 280 BGB setzt den substantiierten Vortrag des Vermieters voraus, dass für die Wohnung ein potenzieller Nachmieter vorhanden war. Stehen im Gebäude Wohnungen leer, sind die Anforderungen an die Darlegungslast insofern besonders hoch.
LG Berlin, Urteil vom 25.7.02 – 67 S 413/01 –
Mitgeteilt von RA Berndt Hintzelmann
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… a) Das Mietverhältnis zwischen den Parteien ist durch die ordentliche Kündigung, welche die Beklagten mit Schreiben vom 26.11.1999 erklärt haben, mit Wirkung zum 30.11.2000 beendet worden.
b) In Erfüllung seiner Rückgabeverpflichtung aus § 556 Abs. 1 BGB a.F. hat der Mieter nach Beendigung des Mietverhältnisses seinem Vertragspartner den unmittelbaren Besitz an der Mietsache einzuräumen, was bei einem Mietverhältnis über Räume die vollständige Entfernung der Sachen des Mieters und die vollständige Übergabe der vorhandenen Wohnungsschlüssel voraussetzt.
aa) Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten ihrer Rückgabeverpflichtung in Bezug auf die streitgegenständliche Wohnung erst am 1.2.2001 nachgekommen sind. Auch die Quittung, mit welcher der Geschäftsführer der Klägerin den Erhalt der vorhandenen Wohnungsschlüssel bestätigt hat, datiert vom 1.2.2001. Es ist davon auszugehen, dass die mangelnde Rückgabe der gemieteten Wohnung dem grundsätzlichen Willen der Klägerin widersprach (vgl. BGH, NJW 1983, 112), denn eine Fortsetzung des streitgegenständlichen Mietverhältnisses wurde von den Parteien nicht in Erwägung gezogen.
bb) Die Beklagten können sich nicht darauf berufen, dass sich die Klägerin seit dem 1.12.2000 in Annahmeverzug befunden habe, denn die Beklagten haben die Rückgabe der streitgegenständlichen Wohnung bis dahin nicht auf ordnungsgemäße Weise angeboten (§§ 293, 294 BGB a.F.). Zwar haben die Beklagten die Klägerin mit Schreiben vom 17.11.2000, vom 20.11.2000 und vom 27.11. 2000 mehrfach aufgefordert, sich zur Durchführung einer gemeinsamen Wohnungsbesichtigung in den gemieteten Räumen einzufinden, ohne jedoch deren gleichzeitige Rückgabe anzukündigen. Ein Anspruch der Beklagten auf die Durchführung einer gemeinsamen Wohnungsbesichtigung mit der Klägerin hat nicht bestanden.
c) Der Anspruch auf Nutzungsentschädigung gemäß § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. orientiert sich an dem vereinbarten Mietzins, sofern nicht bei einem Mietverhältnis über Räume die ortsübliche Vergleichsmiete verlangt wird. Die von den Beklagten geschuldete Bruttokaltmiete belief sich zuletzt auf einen Betrag von 1056,88 DM, was zwischen den Parteien auf Grund der Feststellungen der Kammer in dem Parallelverfahren 67 S 48/00 unstreitig ist. Die Staffelmietvereinbarung in § 7 Abs. 2 b) des Mietvertrages vom 10.7.1990 ist gemäß § 134 BGB in Verbindung mit § 5 Abs. 2 WiStG unwirksam, soweit sie eine höhere Bruttokaltmiete als 1056,88 DM ausweist. Infolgedessen kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die Vertragsparteien in § 7 Abs. 2 b) eine Nutzungsentschädigung von 1635,83 DM vereinbart hätten. Der Anspruch der Klägerin auf Nutzungsentschädigung für die Monate Dezember 2000 und Januar 2001 beschränkt sich auf eine Gesamtsumme von 1056,88 DM x 2 Monate = 2113,76 DM.
4. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz wegen unzulänglich durchgeführter/unterlassener Schönheitsreparaturen, der sich aus § 326 Abs. 1 BGB a.F. ergeben würde. Zwar haben sich die Beklagten in § 7 Nr. 5 des Mietvertrages vom 10.7.1990 zur Durchführung der Schönheitsreparaturen in der von ihnen gemieteten Wohnung verpflichtet, was eine im Gegenseitigkeitsverhältnis stehende Hauptleistungspflicht des Mietverhältnisses darstellt. Jedoch wird die Vereinbarung über die Verpflichtung der Beklagten zur Durchführung der Schönheitsreparaturen durch die unwirksame Quotenhaftungsklausel in Nr. 10 der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 10.7. 1990 ergänzt, woraus sich eine vollständige Unwirksamkeit der Klauselkombination herleitet.
a) Die Quotenhaftungsklausel in Nr. 10 der Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 10.7.1990 ist wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 AGBG unwirksam (vgl. LG Berlin – 64 S 382/91 -, GE 1992, 1331; LG Berlin – 62 S 87/96 -, GE 1996, 1183; Schmidt-Futterer [Langenberg], § 548 BGB a.F. Rn. 69), denn sie gibt dem Vermieter einen Abgeltungsanspruch von 100 %, wenn die letzten Schönheitsreparaturen bei Vertragsende länger als fünf Jahre zurückliegen. Hierdurch wird der Vermieter von dem Erfordernis der Fristsetzung und Ablehnungsandrohung gemäß § 326 Abs. 1 BGB a.F. freigestellt. Der Mieter kann die Schönheitsreparaturen nur bis zum Ende des Mietverhältnisses und nicht mehr auf Grund der Aufforderung des Vermieters innerhalb der von ihm gesetzten Nachfrist nachholen, so dass der von der gesetzlichen Regelung angestrebte Interessenausgleich zum Nachteil des Mieters umgangen wird (LG Berlin, – 64 S 382/91 -, GE 1992, 1331). Die Quotenhaftungsklausel ist wegen des Verbots der geltungserhaltenden Reduktion insgesamt unwirksam.
b) Die Unwirksamkeit der Quotenhaftungsklausel erstreckt sich auch auf die Überwälzung der Schönheitsreparaturen. Die vollständige Unwirksamkeit der Klauselkombination ergibt sich aus dem inneren Sachzusammenhang, denn der Mieter weiß nicht, ob er bei Nichtdurchführung der Schönheitsreparaturen zum Ende des Mietverhältnisses einem direkten Zahlungsanspruch des Vermieters ausgesetzt ist oder ob das formelle Verfahren nach § 326 Abs. 1 BGB a.F. eingehalten werden muss, so dass ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des AGBG vorliegt (LG Berlin – 62 S 87/96 -, GE 1996, 1183).
5. Die Klägerin kann den gegenüber den Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Schadensersatz wegen unzulänglich durchgeführter Schönheitsreparaturen auch nicht aus positiver Forderungsverletzung herleiten.
a) Zwar muss ein Mieter, der bei Beendigung des Mietverhältnisses Renovierungsarbeiten vornimmt, obwohl er zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nicht verpflichtet ist, für deren fachgerechte Erledigung sorgen. Jedoch begründet die mangelhafte Durchführung von Schönheitsreparaturen nur dann einen Schadensersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung, wenn sich ein Zustand, der zuvor noch akzeptabel war, verschlechtert bzw. für den Vermieter bei zukünftigen Renovierungsarbeiten ein zusätzlicher Aufwand entsteht (Schmidt-Futterer-Langenberg, Mietrecht, § 548 BGB Rn. 158).
b) Der Kostenvoranschlag der Firma A. GmbH vom 22.6.2001 umfasst in Bezug auf sämtliche Renovierungsarbeiten nur Positionen, die auch angefallen wären, wenn die Beklagten während der gesamten Dauer ihres Mietverhältnisses von zehn Jahren keine Schönheitsreparaturen durchgeführt hätten.
aa) In Bezug auf die Wand- und Deckenflächen, die mit Raufasertapeten versehen waren, haben die Beklagten unwidersprochen dargetan, dass sie zunächst nur einen neuen Anstrich hätten auftragen wollen. Allerdings hätten sie feststellen müssen, dass sich die mehrfach überklebten Raufasertapeten abzulösen begannen, weshalb sie sich zu deren Abriss entschlossen hätten. Demnach hätte die Notwendigkeit einer Erneuerung der Raufasertapeten auch dann bestanden, wenn die Beklagten die Durchführung der Schönheitsreparaturen vollumfänglich der Klägerin überlassen hätten. Den Renovierungsbedarf haben die Beklagten auch nicht deshalb zu verantworten, weil sie die Wand- und Deckenflächen während der Dauer ihres Mietverhältnisses selbst tapeziert hätten, was zwischen den Parteien unstreitig ist.
bb) In Bezug auf die Zimmertüren, die Heizkörper nebst Heizungsrohren, die Scheuerleisten und die Fensterrahmen nebst Fensterbrettern haben die Beklagten unwidersprochen dargetan, dass sie den Untergrund vorbereitet hätten, indem sie die vorhandenen Anstriche abgeschliffen hätten, bevor sie selbst grundiert und lackiert hätten. Demnach haben die Beklagten keine zusätzliche Farbschicht aufgetragen. Der Arbeitsaufwand, den der Kostenvoranschlag der Firma A. GmbH vom 22.6.2001 dokumentiert, wäre auch angefallen, wenn die Anstriche hätten entfernt werden müssen, die bei Einzug der Beklagten in die streitgegenständliche Wohnung vorhanden gewesen sind. Gleiches gilt für die Fußböden im großen Zimmer links, im großen Zimmer rechts, im kleinen Zimmer links und in der Küche. Die Zementflächen im Bereich der Stellplätze der ehemaligen Öfen haben die Beklagten ohnehin nicht bearbeitet. Auch in Bezug auf den Fußboden im kleinen Zimmer rechts haben die Beklagten unwidersprochen dargetan, dass sie jegliche Renovierungsarbeiten unterlassen hätten, nachdem sie die vorhandene Holzschicht entfernt und festgestellt hätten, dass die rissigen und farbbefleckten Dielen nicht lackiert gewesen seien.
c) Da der Kostenvoranschlag der Firma A. GmbH vom 22.6.2001 ein detailliertes Leistungsverzeichnis umfasst, war es unter dem Gesichtspunkt der richterlichen Aufklärungspflicht (§ 139 Abs. 1 ZPO) nicht geboten, der Klägerin im Anschluss an die mündliche Verhandlung eine Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme zu geben.
6. Soweit die Klägerin von den Beklagten Schadensersatz wegen der Beschädigung von Einrichtungsgegenständen verlangt, hat sie einen Anspruch aus positiver Forderungsverletzung auf Erstattung der Kosten für den Austausch des Handwaschbeckens im Badezimmer und für den Austausch der Arbeitsplatte des Spülbeckens in der Küche, die sich auf 415,17 Euro (350 DM + 350 DM = 700 DM + 16 % MwSt. (112 DM) = 812 DM) belaufen.
a) In Bezug auf das Handwaschbecken im Badezimmer haben die Beklagten dargetan, dass die Sanitärkeramik bereits bei ihrem Einzug in die streitgegenständliche Wohnung beschädigt gewesen sei, was die Klägerin bestritten hat. Grundsätzlich würde die Beweislast für die Behauptung, dass sich das Handwaschbecken im Badezimmer bei Übergabe der Wohnung an die Beklagten in einem einwandfreien Zustand befunden habe, die Klägerin treffen. Allerdings haben die Beklagten das „Wohnungs-Übergabeprotokoll“ vom 10.7.1990 unterzeichnet, dass sich gemäß § 1 Nr. 4 als Bestandteil des Mietvertrages über die streitgegenständlichen Räume darstellte. In dem „Wohnungs-Übergabeprotokoll“ ist das Handwaschbecken im Badezimmer neben anderen Einrichtungsgegenständen ausdrücklich aufgeführt worden. Das „Wohnungs-Übergabeprotokoll“ endet mit der Feststellung: „Die Wohnung befindet sich in einem ordnungsgemäßen Zustand.“ Einen Vorbehalt im Hinblick auf einzelne Einrichtungsgegenstände haben die Beklagten nicht erklärt, woraus sich eine Beweislastumkehr ergibt. Die Beklagten haben für die Behauptung, dass die Sanitärkeramik bereits bei ihrem Einzug in die streitgegenständliche Wohnung beschädigt gewesen sei, keinen Beweis angeboten. Gleiches gilt, soweit die Klägerin behauptet hat, für die Arbeitsplatte des Spülbeckens in der Küche, die sich bei Übergabe der Wohnung an die Beklagten in einem einwandfreien Zustand befunden habe.
b) In Bezug auf die Badewanne sind in dem Kostenvoranschlag der Firma A. GmbH vom 22.6.2001 die Kosten für deren kompletten Austausch beziffert worden, ohne dass sich aus dem Vorbringen der Klägerin die Notwendigkeit für diese Maßnahme ergeben würde.
c) Soweit die Klägerin von den Beklagten ursprünglich die Auswechselung beschädigter Fensterscheiben, die Reinigung sämtlicher Fensterscheiben, die Reinigung des Stromzählers in der Diele, die Entfernung des Telefonkabels in der Diele und die Reinigung des Ventilators im Badezimmer verlangt hat, sind diese Positionen in dem Kostenvoranschlag der Firma A. GmbH vom 22.6.2001 nicht berücksichtigt worden.
7. Schließlich hat die Klägerin keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Zahlung des Mietzinses für die Monate Februar 2001 bis Mai 2001, der sich aus § 286 Abs. 1 BGB a.F. ergeben würde. Zwar ist die Geltendmachung eines derartigen Verzugsschadens gemäß § 557 Abs. 1 Satz 2 BGB a.F. grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Jedoch genügt die Darstellung der Klägerin schon deshalb nicht den Anforderungen an die prozessuale Darlegungspflicht, weil die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen hat, dass ein potenzieller Nachmieter für die streitgegenständliche Wohnung vorhanden gewesen sei. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Klägerin um eine zügige Weitervermietung der Räumlichkeiten bemüht hatte. Angesichts der leer stehenden Wohnungen, die in dem Gebäude S.-Straße in Berlin vorhanden sind, stellen sich die Anforderungen an die prozessuale Darlegungspflicht als besonders hoch dar.
8. Die von der Klägerin geltend gemachten Zinsansprüche ergeben sich aus §§ 284 Abs. 2, 288 Abs. 1 BGB a.F. Die Fälligkeit der Nutzungsentschädigung gemäß § 557 Abs. 1 Satz 1 BGB a.F. richtet sich nach der Fälligkeit der vorhergehenden Mietzinszahlungen (BGH, NJW 1974, 556), die nach § 8 Nr. 1 des Mietvertrages vom 10.7.1990 kalendermäßig bestimmt war. Die Klägerin hat die Feststellungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil, soweit sie die Höhe der geltend gemachten Zinsansprüche betreffen, mit der Berufung nicht angegriffen. …
Anmerkung der Redaktion:
Die in der Entscheidung zitierten Paragraphen entsprechen der bis zum 31.8.2001 geltenden Rechtslage.
16.03.2013