Leitsatz:
Die vor Beschlagnahme gegenüber dem Vermieter erklärte Mängelanzeige wirkt gegenüber dem Zwangsverwalter fort.
LG Berlin, Urteil vom 9.1.03 – 61 S 128/02 –
Mitgeteilt von RA Johann Heinrich Lüth
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Der Kläger kann Mietzinsnachforderungen von der Beklagten für die Zeit von Januar bis Oktober 2001 nur in dem von dem Amtsgericht erkannten Umfang verlangen. Denn der Mietzins war gemäß § 536 BGB/ §537 BGB a.F. wegen der jedenfalls im Streitzeitraum unstreitig schadhaften Fenster, nicht jedoch wegen des entfernten Treppenläufers gemindert.
Der Umstand, dass die Beklagte die Mängel nur – vor dem Beginn der Zwangsverwaltung – der Gemeinschuldnerin angezeigt hatte, steht der Minderung nicht gemäß § 536c BGB/§ 545 BGB a.F. entgegen. Denn der Mieter ist zur Anzeige neu auftretender Mängel nicht ständig erneut, sondern nur einmalig verpflichtet. Bei Wechsel des Vermieters oder Hinzukommens weiterer Vermieter muss er die Anzeige nicht wiederholen. Dies ist jedenfalls für den Vermieterwechsel gemäß §566 BGB/§ 571 BGB a.F. allgemeine Ansicht, weil der neue Vermieter in das Mietverhältnis in seiner bestehenden Form eintritt. Die besondere Stellung des Zwangsverwalters gebietet es nicht, hiervon abzuweichen und eine weitere – im Gesetz nicht ausdrücklich geregelte – Anzeigepflicht zu begründen. Denn auch die Beschlagnahme nach §§ 148 I, 20 II ZVG i.V.m. § 1124 II BGB erfasst die Mietzinsforderungen nur in der Gestalt, wie sie im bisherigen Verlauf des Mietverhältnisses angelegt waren und ohne die Zwangsverwaltung (allein) in der Person des Gemeinschuldners entstanden wären, also zum Beispiel unter Berücksichtigung vorangegangener Mieterhöhungen wie auch etwaiger zwischenzeitlicher Kündigungen, die die Entstehung der Forderungen auch in der Person des Zwangsverwalters verhindern würden. Inwieweit rechtsgeschäftliche Gestaltungen des Gemeinschuldners und des Mieters auf die Entstehung des Mietzinsanspruchs Einfluss hätten, ist dabei unerheblich. Denn die Minderung reduziert den Mietzins kraft Gesetzes. Ist ihre Wirkung vor Beginn der Zwangsverwaltung eingetreten, weil die Negativvoraussetzung des § 536 II BGB nicht vorlag, so entstehen auch die von der Beschlagnahme umfassten zukünftigen Forderungen von vornherein nur in der geminderten Höhe.
Die von dem Kläger herangezogenen Entscheidungen des Landgerichts Berlin (GE 1987, 519; GE 1998, 360) vermögen seine Ansicht nicht zu stützen. Beide Entscheidungen befassen sich nur mit der Frage, inwieweit die Mieter gegen den Zwangsverwalter selbstständige Ansprüche geltend machen können (Kautionsrückzahlung, Nebenkostenabrechnung), während hier nur über Einwendungen des Mieters gegen die Forderung des Zwangsverwalters zu entscheiden ist. Soweit der Kläger sich darauf beruft, dass in seiner Person die Rechte neu entständen, also kein Forderungsübergang vorliege, ist dies keine Besonderheit der Zwangsverwaltung. Denn auch bei dem Erwerber gemäß § 566 BGB findet nicht ein Forderungsübergang, sondern eine Neuentstehung der Rechte nach Maßgabe des bisherigen Mietvertrages statt (BGH, NJW 1962, 1390).
Die in der Praxis womöglich eingeschränkten Möglichkeiten des Zwangsverwalters, von einer Minderungsanzeige Kenntnis zu erlangen und eine Information durch den Gemeinschuldner zu erzwingen, ermöglichen ebenfalls nicht, gemäß § 242 BGB die Verpflichtung des Mieters zu erneuter Anzeige zu begründen. Denn der Zwangsverwalter hat ohne weiteres die Möglichkeit, außer dem Mietvertrag und der letzten Mieterhöhung auch Mängelanzeigen oder sonstige etwa die Miethöhe beeinflussenden Umstände bei dem Mieter zu erfragen. Ob die fehlende Antwort auf eine solche Frage zu einem Rechtsverlust des Mieters führen könnte, braucht nicht entschieden zu werden, weil der Kläger jedenfalls in dem Schreiben vom 6.12.2000 nur nach bestimmten Urkunden und Umständen gefragt hat, die die Mängelanzeige nicht betrafen. …
28.12.2017