Leitsätze:
1. Eine Kautionsvereinbarung, die ohne Hinweis auf die Ratenzahlungsmöglichkeit den Mieter verpflichtet, bei Vertragsabschluss und nicht bei Beginn des Mietverhältnisses die Sicherheit zu leisten, ist unwirksam.
2. Gegen den Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Mietsicherheit aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann der Vermieter nicht aufrechnen, weil dem § 242 BGB entgegensteht.
LG Berlin, Beschluss vom 2.12.02 – 61 S 259/02 –
Mitgeteilt von RA Henrik Solf
Urteilstext
Hinweis- und Auflagenbeschluss:
… Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Mit Recht hat das Amtsgericht seine Entscheidung damit begründet, die zwischen den Parteien bestehende Kautionsabrede sei unwirksam und die Berufungsbeklagten könnten gegen den Rückforderungsanspruch der Klägerin nicht aufrechnen.
Die vollständige Unwirksamkeit der in Nr. 3 der Anlage zum Mietvertrag vom 8.7.1997 getroffenen Kautionsvereinbarung nach § 9 AGBG entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer, weil nicht nur entgegen § 550 b BGB a.F. keine Teilzahlungsmöglichkeit gewährt wird, sondern die Mietsicherheit bereits bei Abschluss des Vertrages gefordert wird.
Gegen den Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung der Mietsicherheit aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB können die Berufungskläger nicht aufrechnen, weil dem § 242 BGB entgegensteht (vgl. LG Potsdam GE 2002, 262; LG Berlin GE 96, 741; LG Bremen NJW-RR 93, 19; OLG Frankfurt am Main ZMR 91, 105 f; AG Dortmund WM 97, 212). Denn Sinn und Zweck der Gründe, die zur Unwirksamkeit der Kautionsabrede führen, erfordern ein solches Aufrechnungsverbot. Wäre dem Vermieter nämlich trotz Unwirksamkeit der Kautionsvereinbarung eine Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Mietverhältnis gegen den Rückzahlungsanspruch des Mieters möglich, bliebe das Verbot des § 550 b Abs. 3 BGB folgenlos. Dies schon alleine deshalb, weil es nur in Ausnahmefällen dazu kommen dürfte, dass der Mieter die Unwirksamkeit der Kautionsabrede während des ungekündigten Mietverhältnisses erkennen und er in der Folge seinen Bereicherungsanspruch realisieren wird. …
Anmerkung der Redaktion:
Kaution und Ratenzahlung
Ist eine Kautionsvereinbarung, die gegen das Ratenzahlungsgebot verstößt, insgesamt unwirksam oder nur insoweit, als Ratenzahlung ausgeschlossen ist? Diese Frage beschäftigt die deutschen Gerichte nach wie vor. Wir hatten in MM 7+8/02, Seite 9 noch von einer überwiegend mieterfreundlichen Meinung bei den Mietkammern des LG Berlin berichten können. Dies hat sich geändert. Mittlerweile steht es in Berlin vier zu zwei für die „vermieterfreundliche“ Ansicht.
Teilweise wird die Ansicht vertreten, dass eine Formularklausel in einem Wohnraummietvertrag, die den Mieter entgegen § 551 Abs. 2 BGB zur Zahlung der Mietkaution bei Abschluss des Vertrags in einem Betrag verpflichtet, nur insoweit nichtig sei, als Ratenzahlung ausgeschlossen ist; die Vereinbarung einer Kautionsleistung sei im Übrigen wirksam. Die Folge dieser Ansicht ist, dass der – versehentlich – gezahlte Kautionsbetrag vom Mieter nicht zurückverlangt werden kann. Begründet wird diese Auffassung damit, dass der Schutzzweck des § 551 BGB die gänzliche Unwirksamkeit der Kautionsabrede nicht erfordere. Der Mieter werde durch die getroffene Regelung auch nicht schutzlos gestellt, denn den durch die Zahlung der Kaution zu Mietbeginn etwa durch eine Kreditaufnahme entstandenen Schaden habe der Vermieter unter dem Gesichtspunkt der positiven Forderungsverletzung zu ersetzen. Einen über diesen Mindeststandard hinausgehenden Schutz fordere § 551 Abs. 2 BGB nicht (LG Berlin – Zivilkammer 64 – GE 89, 147; LG Berlin – Zivilkammer 62 – GE 02, 1564; LG Berlin – Zivilkammer 63 – GE 02, 1067 und GE 02, 1563; LG Berlin – Zivilkammer 65 – GE 02, 1562).
Die Gegenmeinung hingegen hält den Mieter für berechtigt, bei einer wegen Verstoßes gegen § 551 Abs. 2 BGB unwirksamen Kautionsvereinbarung die Kautionszahlung gänzlich zu unterlassen, da die Kautionsvereinbarung insgesamt nichtig sei. Aus Unkenntnis geleistete Kautionssummen können zurückgefordert werden (LG Berlin – Zivilkammer 67 – MM 01, 495; GE 02, 55; LG Berlin – Zivilkammer 61 – GE 01, 1468). Begründet wird diese Auffassung damit, dass bei einer geltungserhaltenden Reduktion mit der Folge, dass die Vereinbarung nur insoweit nichtig wäre, als Ratenzahlung ausgeschlossen wurde, der Schutzzweck des § 551 BGB leer liefe. Dieser Vorschrift könne nur dadurch wirksam Geltung verschafft werden, dass Verstöße gegen sie zur vollständigen Unwirksamkeit der Kautionsabrede führen. Es könne schließlich nicht unterstellt werden, dass der Gesetzgeber eine funktionslose Vorschrift habe schaffen wollen. Die 61. Zivilkammer des LG Berlin hat jüngst ihre Rechtsauffassung nochmals bekräftigt.
09.05.2017