Leitsätze:
1. Der Mieter hat einen Anspruch auf Übersendung des Hauswartdienstvertrages in Kopie. Die Kostenerstattung ist in Höhe von 0,25 Euro pro Kopie angemessen.
2. Eine vereinbarte Kautionsregelung bleibt geschuldet, auch wenn die Fälligkeitsvereinbarung (Zahlung bei Mietbeginn in voller Höhe ohne Ratenzahlungsmöglichkeit) unwirksam ist. An Stelle der unwirksamen Vereinbarung tritt die gesetzliche Regelung.
LG Berlin, Urteil vom 3.4.03 – 62 S 387/02 –
Mitgeteilt von RA Bernd Schütze
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… 1) Die Kläger können von dem Beklagten die Übergabe des Originals des Hauswartdienstvertrages für die streitgegenständliche Wohnung nicht verlangen, denn es ist dem Beklagten nicht zumutbar, die Originalunterlagen aus den Händen zu geben. Vielmehr kann dem Informationsbedürfnis der Kläger auf einfacherem Wege durch Einsichtnahme in den Räumen der Hausverwaltung (vgl. Urteil der Kammer vom 29.4.2002 in GE 2002, 860) oder durch Übersendung einer Ablichtung Rechnung getragen werden.
Den Klägern steht gegenüber dem Beklagten allerdings der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf Übersendung des Hauswartdienstvertrages (Vereinbarung über die Hauswartstätigkeit) in Kopie gegen Übernahme der Kopierkosten in der aus der Urteilsformel ersichtlichen Höhe zu. …
Der Hilfsantrag ist auch begründet. Zwar ergibt sich aus dem Gesetz, dass grundsätzlich Belege lediglich vorzulegen sind, d.h. dass dem Mieter entweder am Ort des Mietobjekts oder in den Geschäftsräumen der Hausverwaltung Einsicht in die dort vorzulegenden Originale gewährt werden muss. Ein Anspruch auf Übersendung von Kopien ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz selbst indes nicht. Dementsprechend ist in der mietvertraglichen Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannt, dass ein Mieter jedenfalls nicht global sämtliche Unterlagen der Betriebskostenabrechnungen in Kopie übersandt verlangen kann (LG Düsseldorf ZMR 1998, 167; LG Frankfurt/M. ZMR 1999, 764; AG Brandenburg a.d.H. GE 2003, 55; Schmid, Handbuch der Mietnebenkosten, 7.A., 2002, Rn 3314). Andererseits hat aber ein Mieter nach § 29 Abs. 2 Neubaumietenverordnung (NMV) das Recht, dass ihm Ablichtungen gegen Erstattung der Auslagen des Vermieters zur Verfügung gestellt werden. Zwar gilt diese Regelung unmittelbar nur für preisgebundenen Wohnraum. In Zeiten fortschreitender Kopiertechnik muss sie jedoch in Einzelfällen analog auch für preisfreien Wohnraum angewandt werden (vgl. LG Duisburg WM 2002, 32 f; AG Brandenburg a.d.H., a.a.O.; Schmid a.a.O. Rn 3313). Es richtet sich aber immer auch nach den Umständen und einer Interessenabwägung, inwieweit ein Mieter Belegkopien von dem Vermieter verlangen darf (AG Brandenburg a.d.H., a.a.O.).
Vorliegend bestehen gegen den Anspruch der Kläger auf Übersendung einer Kopie des Hauswartdienstvertrages keine Bedenken, weil es sich dabei um einen konkret bezeichneten einzelnen Beleg handelt und gerade kein Fall eines pauschalen Verlangens „ins Blaue hinein“ gegeben ist. Die Herstellung einer Ablichtung stellt für den Beklagten keinen unverhältnismäßigen Aufwand dar. Die Kostenerstattung in Höhe von 0,25 Euro pro Kopie wird dabei allgemein als angemessen angesehen (AG Brandenburg a.d.H., a.a.O.; LG Berlin GE 2002, 1563). Es kann hier auch dahinstehen, ob – wie der Beklagte behauptet – die Kläger am 27.7.2001 bereits Einsicht in den Hauswartvertrag genommen haben. Zwar kann der Mieter nach dem Wortlaut des § 29 NMV die Übersendung von Kopien nur an Stelle der Belegeinsicht verlangen, jedoch findet nach allgemeiner Ansicht, der sich die Kammer ausdrücklich anschließt, hierbei der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) Anwendung (Schmid a.a.O., Rn 3314 m.w.N.; Schach in GE 2003, 96 m.w.N.). Der Mieter muss im Einzelfall neben der Einsicht auch die Möglichkeit haben, anhand von Kopien bestimmten Fragen zu Hause in Ruhe nachgehen zu können (Schach a.a.O.). Eine solche Möglichkeit muss vorliegend den Klägern nach Ansicht der Kammer auch eröffnet werden, weil sie sich nur auf diese Weise ein umfassendes Bild von den durch die Hauswartstätigkeit verursachten Kosten machen können. Entgegenstehende berechtigte Interessen des Beklagten oder sonstiger Dritter greifen nicht durch. Insbesondere kann sich der Beklagte nicht auf Datenschutzgesichtspunkte berufen, weil diese gegenüber dem Informationsinteresse der Kläger zurücktreten, wobei solche Informationen, die für die Abrechnung ohne Bedeutung sind (wie etwa das Alter des Hauswarts), auf den Kopien geschwärzt werden können (vgl. v. Seldeneck, Betriebskosten im Mietrecht, 1999, Rn 3706; Schmid a.a.O. Rn 3289).
2) Wie das Amtsgericht zutreffend ausgeführt hat, haben die Kläger gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Kaution in Höhe von 1679,59 Euro gemäß § 812 BGB, weil sie die Kaution nicht rechtsgrundlos gezahlt haben. Die aus BI. 11 d.A. ersichtliche Klausel des § 22 des Mietvertrages ist wirksam. Zwar ist die Regelung des § 23 Nr. 9 des Mietvertrages, welche die Mieter verpflichtet, die Kaution bei Mietbeginn sofort in voller Höhe zu zahlen, wegen Verstoßes gegen den hier noch maßgeblichen § 550 b Abs.1 Satz 3 BGB a.F. nichtig. Die Nichtigkeit beschränkt sich jedoch allein auf die Fälligkeitsregelung des § 23 Nr. 9 MV und ergreift nicht die in § 22 geregelte grundsätzliche Verpflichtung zur Kautionszahlung. Der entgegenstehenden Ansicht, wonach ein Verstoß gegen § 550 b Abs.1 Satz 3 BGB zur Nichtigkeit der gesamten Kautionsabrede führt (LG Potsdam MM 2002, 54; LG Gießen WM 2002, 51; LG München 1 GE 2001, 699), kann nicht gefolgt werden. Denn die beiden Klauseln sind bereits optisch im Vertragstext voneinander getrennt und lassen sich nach ihrem Wortlaut sinnvoll und verständlich voneinander getrennt beurteilen. Die (wirksame) Regelung des § 22 MV ist aus sich heraus sprachlich verständlich und bedarf eines Rückgriffs auf § 23 Nr. 9 MV schon deshalb nicht, weil sie die Fälligkeit der Kaution selbstständig regelt. Denn § 22 MV verweist bezüglich der „Zahlung, Zweckbestimmung, Verwendung und Verzinsung“ auf die gesetzlichen Bestimmungen. Dabei ergibt eine am Wortlaut orientierte Auslegung des Begriffs „Zahlung“, dass hiervon die Art und Weise der Zahlung und mithin auch ihre Fälligkeit umfasst ist, so dass für die Fälligkeit nach § 22 MV gerade § 550 b Abs.1 Satz 3 BGB gilt.
Auch die Schutzfunktion des § 550 b BGB a.F. erfordert nicht die Annahme der Unwirksamkeit der Kautionsabrede insgesamt. Denn Sinn und Zweck der Ratenzahlung ist es, dem durch den Umzug regelmäßig finanziell belasteten Mieter nicht sofort die gesamte Kaution abzuverlangen. Hat der Mieter jedoch die Zahlung geleistet, so ist er nicht mehr schutzbedürftig, da er offenkundig über genügend Liquidität verfügt. Er kann sodann jedoch einen ihm etwa durch eine Kreditaufnahme entstandenen Schaden unter dem Gesichtspunkt der positiven Vertragsverletzung ersetzt verlangen. …
Die Revision zum Bundesgerichtshof wird im Hinblick auf die unterschiedliche Rechtsprechung zum Umfang der Unwirksamkeit der Kautionsabrede zu Gunsten der Kläger zugelassen. Der grundsätzlichen Bedeutung der Sache steht nicht entgegen, dass es sich bei § 550 b BGB a.F. um auslaufendes Recht handelt, denn § 551 BGB n.F. enthält inhaltsgleiche Regelungen. …
09.05.2017