Leitsatz:
Das auf Grund einer so genannten Dienstleistungsvereinbarung zum Zwecke der Wohnungssuche gezahlte Honorar (hier: 185,- Euro) kann wegen Verstoßes gegen das Wohnungsvermittlungsgesetz zurückgefordert werden, wenn es nicht zur Vermittlung einer Wohnung kommt.
AG Mitte, Urteil vom 16.7.03 – 18 C 136/03 – [n.rkr.]
Mitgeteilt von RA Henrik Solf
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rückzahlung eines Entgelts für die Nutzung einer Wohnungsdatenbank.
Die Beklagte betreibt eine EDV-Datenbank für Miet- und Immobilienanzeigen. In diese Datenbank speist sie Mietanzeigen ein, die ihr von Haus- und Wohnungseigentümern oder sonstigen Berechtigten für diesen Zweck freigegeben werden. Gegen ein im Voraus zu entrichtendes Entgelt von 185,- Euro bietet die Beklagte Kunden Zugang zu dieser Datenbank für jeweils ein Jahr an. Dabei nennt der Kunde der Beklagten den von ihm bevorzugten Wohnungstyp und erhält auf Abruf Listen mit darauf abgestimmten Wohnungsangeboten aus dem bei der Beklagten vorhandenen Datenbestand. Bei Interesse für eines der Angebote kann sich der Kunde mit dem betreffenden Wohnungsanbieter für Vertragsverhandlungen in Verbindung setzen. Wegen des genauen Inhalts der angebotenen Leistungen wird auf das Vertragsformular und den Leitfaden verwiesen.
Am 22. Mai 2002 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag mit dem vorgenannten Inhalt für die Dauer von einem Jahr. Der Kläger zahlte der Beklagten daraufhin das vereinbarte Entgelt von 185,- Euro. Mit Schreiben vom 8. Januar 2003 begehrte der Kläger die Rückzahlung des Entgelts.
Der Kläger ist der Auffassung, bei dem Vertrag handele es sich um einen Maklervertrag. Die Vereinbarung einer erfolgsunabhängigen, im Voraus zu entrichtenden Vergütung verstoße deshalb gegen § 2 Abs. 1, 4 WoVermG.
Er beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 185,- Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 22. Januar 2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, sie übe keine Nachweis- und Vermittlungstätigkeit im Sinne des WoVermG aus. Der zwischen ihr und dem Kläger abgeschlossene Vertrag falle daher auch nicht unter die genannten Verbotsnormen.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die zulässige Klage ist begründet.
Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung von 185,- Euro aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Wohnungsvermittlungsgesetz (WoVermG) in Verbindung mit §§ 812 ff. BGB zu. Danach kann die Leistung an den Wohnungsvermittler zurückgefordert werden, wenn ein nach dem WoVermG nicht zugestehendes Entgelt geleistet wurde. Die Vertragsgestaltung der Beklagten, wonach für die Leistung ein erfolgsunabhängiges und sofort fälliges Entgelt geschuldet wird, verstößt gegen § 2 Abs. 1 und Abs. 4 WoVermG, nach denen ein Wohnungsvermittler eine erfolgsunabhängige Vergütung und Vorschüsse hierauf nicht vereinbaren darf.
Die Tätigkeit der Beklagten unterfällt dem WoVermG. Nach den Umständen erbringt die Beklagte aus Sicht der Auftraggeber eine Maklertätigkeit. Sie übt zwar keine Vermittlungstätigkeit aus, weist aber die Gelegenheit zum Abschluss von Mietverträgen über Wohnräume im Sinne des § 1 Abs. 1 WoVermG nach. Die dort gegebene Begriffsbestimmung ist in bewusster Anlehnung an die Tätigkeitsmerkmale des § 652 Abs. 1 BGB erfolgt und entspricht damit dem sich aus dieser Bestimmung ergebenden gesetzlichen Leitbild des Nachweismaklers, wenn auch gegenständlich auf Mietverträge über Wohnraum beschränkt (BGH NJW-RR 1995, S. 880).
Der Nachweismakler benennt einen dem Kunden bis zu diesem Zeitpunkt als Interessent nicht bekannten möglichen Vertragspartner für den angestrebten Vertragsschluss (Kotzian-Marggraf, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 652 Rn. 24). Der Auftraggeber muss durch den Nachweis in die Lage versetzt werden, in konkrete Verhandlungen über den gewünschten Hauptvertrag einzutreten. Dazu ist erforderlich, neben der Beschreibung des Objekts den Namen und die Adresse des künftigen Vertragspartners anzugeben, anderenfalls läge lediglich eine Ermittlungsmöglichkeit vor, die als Nachweis nicht hinreicht (OLG Hamm vom 8. Juli 1991, VersR 1992, S. 312).
Die von der Beklagten auf Grund des Vertrages mitgeteilten Informationen stellen mehr als eine bloße Ermittlungsmöglichkeit dar, denn die Wohnung wird anhand der konkreten Adresse, näheren konkreten Angaben zur Ausstattung (u.a. Zimmeranzahl, Beschaffenheit von Bad, Küche usw.) sowie des Mietzinses beschrieben und eine namentliche Kontaktperson mit Telefonnummer ausgewiesen (vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichte Unterlagen). Bei der angegebenen Kontaktperson dürfte es sich in der Regel um den Eigentümer oder einen zur Vermietung berechtigten Bevollmächtigten handeln, wie sich auch aus dem Vertragstext der Klägerin ergibt, wonach der Kunde sich direkt mit dem inserierenden Eigentümer – ohne Zwischenschaltung von Vermittlern – in Verbindung setzen könne (Anlage zur Klageschrift). Der Adressat kann auf Grund dieser Angaben also unmittelbar mit dem Vermieter in Kontakt treten und in konkrete Verhandlungen über den gewünschten Hauptvertrag eintreten, ohne dass es weiterer Ermittlungen seinerseits bedarf. Es ist dem Kunden der Klägerin auch zumutbar, in konkrete Verhandlungen einzutreten, denn die Angebote sind anhand der Suchkriterien vorgefiltert und vom Umfang überschaubar (anders OLG München vom 7. November 1973, BB 1973, S. 1551, für eine Interessenliste mit 500 Namen). Dass unter Umständen einzelne Nachweise durch zwischenzeitliche Vermietung nicht mehr aktuell sind, weil es an der für einen Nachweis erforderlichen Vertragsbereitschaft fehlt, ändert an der Einordnung nichts, denn diese Gefahr besteht wegen der Schnelllebigkeit auf dem Wohnungsmarkt ohnehin, weshalb es ausreicht, wenn die Nachweise im Wesentlichen tauglich sind (teilweise wird eine Quote von 1:5 für hinreichend erachtet, Reuter, in: Staudinger, BGB, 1994, § 652 Rn. 35). Zudem wirbt die Beklagte mit einer ständigen Aktualisierung ihrer Angebote (Werbeinfo, Anlage zur Klageschrift) und prägt damit die Erwartung der Kunden an die geschuldete Leistung.
Dass die Beklagte in ihren Vertragsbedingungen darauf hinweist, dass sie unter keinen Umständen in die späteren Vertragsverhandlungen zwischen dem inserierenden Eigentümer und den Abonnenten eingreift, steht der Annahme der Nachweismaklertätigkeit nicht entgegen, denn durch den erteilten Nachweis hat der Nachweismakler seine geschuldete Tätigkeit regelmäßig erbracht, ohne dass es auf weitere Vermittlungsbemühungen ankommt (Kotzian-Marggraf, in: Bamberger/Roth, BGB, 2003, § 652 Rn. 24).
Bestärkend sei hinzugefügt, dass selbst wenn die von der Beklagten erbrachte Leistung nicht als Nachweismaklertätigkeit im eigentlichen Sinne einzuordnen wäre, die Anwendbarkeit des WoVermG gegeben wäre. Wenn die Wohnungsvermittlertätigkeit nämlich untechnisch verstanden wird als eine Tätigkeit in der Absicht, zwei Rechtspersönlichkeiten aufeinander zuzuführen, um ihnen die Möglichkeit eines Vertragsschlusses zu eröffnen und zwar nach Kontaktaufnahme mit dem Interessenten und Feststellung seiner Wünsche (KG vom 26. März 1992, AIZ 1992 H 11 A 150), stellt sich die Tätigkeit der Beklagten als Vermittlungstätigkeit dar, denn sie liefert zielgerichtet Adressen von Vermietern, also von Personen, die Mietverträge abschließen.
Dass die Beklagte ihr Entgelt abweichend von dem gesetzlichen Leitbild eines Maklers gestaltete, kann der Anwendung des WoVermG nicht entgegenstehen, da es für die Anwendbarkeit auf die konkret geschuldete und erbrachte Leistung und nicht auf den Charakter der Gegenleistung ankommt. Anderenfalls würde die Anwendung des WoVermG davon abhängen, ob ein Erfolgshonorar ohne Vorschusspflicht vereinbart wurde und die Verbote eines erfolgsunabhängigen Honorars und einer Vorschusspflicht würden vollständig leer laufen.
Der von der Beklagten herangezogene Vergleich mit Immobilienanzeigen in Tageszeitungen geht fehl. Einmal richten sich diese an einen unbekannten Adressatenkreis, wohingegen nach den Bedingungen der Beklagten eine Weitergabe der Mietangebote an Dritte untersagt ist (Anlage zur Klageschrift). Entsprechend hebt die Beklagte die Exklusivität ihrer Angebote besonders hervor („… in speziellen, exklusiv für die Abonnenten …“, Anlage zur Klageschrift). Die Leistung der Beklagten unterscheidet sich mithin auch von einer bloßen Zusammenstellung von Zeitungsanzeigen. Zum anderen ist beim Erwerb einer Tageszeitung Vertragsinhalt nicht der Nachweis von Anmietungsmöglichkeiten für Wohnraum. Auch der Vergleich mit Internetangeboten von Tageszeitungen geht fehl, denn dieser ist unentgeltlich und die Nutzung erfolgt gänzlich ohne Vertragsschluss.
Die Tätigkeit der Beklagten unterfällt auch dem Schutzzweck des Wohnungsvermittlungsgesetzes, wonach Missstände bei der Wohnungsvermittlung zu beseitigen, die Wohnungssuchenden von wirtschaftlich ungerechtfertigten Belastungen zu schützen und unlautere Geschäftsmethoden sowie missliebige Vertragsgestaltungen zu verhindern sind (Regierungsbegründung, BT-Drs. VI/1549). Nach Sinn und Zweck des Gesetzes sollen Wohnungssuchende für alle Dienste im Zusammenhang mit der Wohnungssuche erst dann zahlen müssen, wenn diese erfolgreich war (KG a.a.O.). Anderenfalls könnten sich geschäftstüchtige Gewerbetreibende dadurch, dass sie noch weniger tun als ein erfolgloser Makler, Einnahmequellen auf Kosten von Personen schaffen, die geschützt werden sollen (KG a.a.O.). Vorliegend handelt es sich um eine wirtschaftlich ungerechtfertigte Belastung eines Wohnungssuchenden, der ohne Erfolgsgarantie einen nicht nur unwesentlichen Betrag zahlen muss.
Verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf Artikel 12 Abs. 1 GG oder europarechtliche Bedenken bestehen nicht. Bei der Beklagten handelt es sich um eine inländische juristische Person und Berufsausübungsregeln zu Gunsten von Wohnungssuchenden sind im Grundsatz möglich. Die Berufswahl wird nicht beeinträchtigt, da der Beklagten lediglich die Entgeltgestaltung vorgegeben wird. § 812 Abs. 1 BGB kommt zu Gunsten der Beklagten nicht zur Anwendung, denn dadurch würde die Wertung des WoVermG unterlaufen.
Somit stellt sich das Entgelt von 185,- Euro der Sache nach als Vorschuss dar, wobei der Erfolg noch ungewiss ist. Dies wollte das Gesetz ohne Rücksicht auf die Bezeichnung und die Höhe der Leistung verhindern. …
Die Berufungszulassung beruht auf § 511 Abs. 4 Ziffer 2 ZPO, da das Geschäftsmodell der Beklagten nicht wegen des geringen Streitwerts einer – soweit ersichtlich noch nicht erfolgten – Entscheidung des Berufungsgerichts entzogen werden soll.
Anmerkung der Redaktion:
Vgl. auch LG Berlin vom 4.6.2003 – 26 O 168/03 –
15.03.2013