Leitsätze:
1. Die formularvertragliche Abwälzung der Schönheitsreparaturen ist unwirksam, wenn sie sowohl die laufenden Schönheitsreparaturen als auch die Verpflichtung zur Anfangsrenovierung beinhaltet und der finanzielle Ausgleich für die Anfangsrenovierung nicht angemessen ist.
2. Zur Frage der Angemessenheit eines finanziellen Ausgleichs bei gleichzeitiger Übernahme der Anfangsrenovierung.
AG Mitte, Urteil vom 11.2.03 – 25 C 362/01 –
Mitgeteilt von RA Jörg Grützmacher
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch gemäß § 326 BGB a.F. steht der Klägerin nicht zu, weil keine wirksame vertragliche Abwälzung der gemäß § 548 BGB a.F. grundsätzlich dem Vermieter obliegenden Erhaltungsmaßnahmen, zu denen auch die Schönheitsreparaturen zählen, vorgenommen wurde.
Vorliegend wurden die Schönheitsreparaturen den Beklagten im Wege eines Formularmietvertrages auferlegt (vgl. § 3 Ziffer 6 des Formularmietvertrages). Weil die Beklagten mietvertraglich auch zur Durchführung einer Anfangsrenovierung verpflichtet wurden und ein angemessener finanzieller Ausgleich nicht erfolgte, ist die Formularklauseln unwirksam.
a) Es ist grundsätzlich zulässig, dass der Vermieter die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen durch eine Formularklausel auf den Mieter abwälzt, da ihn die Übertragung nicht unangemessen benachteiligt. Im Einzelfall ergeben sich indes häufig Probleme. Sie resultieren daraus, dass fraglich sein kann, welcher Inhalt einer Klausel beizumessen ist (Freizeichnung oder Abwälzung), ob ein Verstoß gegen das Übermaßverbot des § 9 AGBG vorliegt und dass zwischen Anfangs-, laufender und Schlussrenovierung zu unterscheiden ist (vgl. Schmidt-Futterer, Mietrecht, 3. Auflage 1999, zu § 548 BGB Rz 42 m.w.N.). Zu beachten ist, dass eine unwirksame Übertragung vorliegt, wenn eine Gesamtregelung, die aus einem Individual- und einem Formularteil besteht, den Mieter übermäßig belastet. Dies kann der Fall sein, wenn der Mieter individualvertraglich die Anfangsrenovierung übernimmt und sich zugleich durch eine Formularklausel zur laufenden Dekoration verpflichtet. Hier ist der Formularteil unwirksam, so dass der Mieter nur die Anfangsrenovierung schuldet, der Vermieter hingegen die laufenden Arbeiten. Die Verteilung der Pflichten des Mieters auf verschiedene Paragraphen ist irrelevant, ebenso ob sie in einzelnen Teilen bei separater Betrachtung zulässig erscheinen. Maßgeblich ist vielmehr der Summierungseffekt auch von jeweils für sich genommen unbedenklicher Klauseln (vgl. Schmidt-Futterer, a.a.O., Rz 43 m.w.N.). Übernimmt der Mieter individualvertraglich die Anfangsrenovierung und formularvertraglich zugleich die laufenden Schönheitsreparaturen, so liegt eine Störung des Äquivalenzverhältnisses vor, weil der Mieter doppelt belastet wird. Die Formularklausel kann aber im Einzelfall unbedenklich sein, wenn die Parteien auf andere Weise einen finanziellen Ausgleich für den Mieter herbeiführen. Dies kann etwa durch Gewährung eines Renovierungskostenzuschusses für die Anfangsrenovierung oder durch die mietfreie Überlassung des Wohnraums für eine bestimmte Zeit geschehen. Der finanzielle Ausgleich beseitigt die unangemessene Benachteiligung aber nur dann, wenn die Leistung des Vermieters in einem angemessenen Verhältnis zum Umfang der notwendigen Arbeiten steht (vgl. zum Ganzen Schmidt-Futterer, a.a.O., Rz 63).
b) Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagten gemäß Ziffer 22 der Zusatzvereinbarung eine Anfangsrenovierungspflicht übernommen haben. Ausweislich des Wortlauts der Vertragsbestimmung war die Wohnung von den Beklagten komplett zu renovieren. In der Bestimmung heißt es weiter, dass zu den Renovierungsarbeiten gehört: das Entfernen der alten Tapete; das Kleben neuer Tapete; deckender Anstrich der Tapete; Streichen (weiß) von Fenstern, Türen und Fußleisten. Dem Vortrag der Klägerin, Ziffer 22 der Zusatzvereinbarung bedeute, dass die Mieter sich nur insoweit verpflichtet hätten, die Wohnung „komplett“ zu renovieren, als diese renovierungsbedürftig gewesen sei und Arbeiten nicht von der Klägerin übernommen worden seien, folgt das Gericht dem nur teilweise. Dass den Beklagten nicht Arbeiten oblagen, die die Klägerin übernehmen wollte bzw. im Verlaufe der Renovierung zusätzlich übernommen hat, liegt auf der Hand. Wenn sich die Klägerin zur Frage des Umfangs der Anfangsrenovierungspflicht auf ein Wohnungsabnahmeprotokoll vom 30.6.1996 beruft, aus dem sich ergeben soll, dass die Beklagten ganz überwiegend nur Malerarbeiten hätten vornehmen müssen, nicht hingegen einen Austausch der Tapeten, weil die Wohnung schönheitsreparaturmäßig in keinem besonders schlechten Zustand gewesen sei, so erachtet das Gericht dies nicht für zutreffend. Es wird gerade nicht vorgetragen, dass das Protokoll vom 30.6.1996 Gegenstand der Vertragsverhandlungen mit den Beklagten, die den Mietvertrag am 2.10. 1996 unterzeichnet haben, gewesen ist, oder dass darauf Bezug genommen worden wäre. Wäre das Protokoll Grundlage für den Umfang der Anfangsrenovierung gewesen, hätte es nahe gelegen, die Formulierung der Ziffer 22 entsprechend anzupassen oder es als Anlage in die Vereinbarung einzubeziehen. Dies ist gerade nicht erfolgt. Dass Ziffer 22 der Zusatzvereinbarung zu einem späteren Zeitpunkt entsprechend des Protokolls vom 30.6.1996 insbesondere auf den Austausch der Tapete bezogen geändert worden wäre, ist nicht ersichtlich. Deshalb geht das Gericht – da die Klägerin nachträglich das Streichen der Innenfenster übernommen hat – davon aus, dass die Anfangsrenovierungspflicht den Austausch der Tapete in allen Zimmern, die malermäßige Überarbeitung der neuen Tapete sowie den Anstrich der Türen (mit Ausnahme einer Flügeltür und der Badezimmertür) beinhaltete.
c) In Ziffer 22 der Zusatzvereinbarung ist bestimmt, dass die Mieter sich verpflichten, die Wohnung komplett zu renovieren und dass sie dafür für die Zeit vom 1.10.1996 bis 31.12. 1996 Mietfreiheit erhalten, also nur die Betriebskostenvorschüsse zu entrichten haben. Der Anfangsrenovierungspflicht steht dementsprechend nominell ein finanzieller Ausgleich von 3 x 1200 DM = 3600 DM gegenüber.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die in Ziffer 23 der Zusatzvereinbarung aufgeführten, von der Klägerin vorzunehmenden Arbeiten nicht in die Berechnung des Ausgleichsbetrages einzubeziehen. Dagegen spricht zunächst der Wortlaut und die systematische Stellung der Vorschrift. Während in Ziffer 22 der Zusatzvereinbarung ausdrücklich bestimmt ist, dass die Mieter für die Übernahme der Renovierung („dafür“) eine Mietfreiheit von drei Nettokaltmieten erhalten, weist Ziffer 23 der Zusatzvereinbarung keinen Bezug zu der Anfangsrenovierungspflicht auf. So bestimmt Ziffer 23 nur, dass für die Durchführung der nachfolgenden Arbeiten (…) zwischen Mieter und Vermieter Einigkeit (herrsche). Eine Verknüpfung zu Ziffer 22 erfolgt im Vertragstext – obwohl dies ohne weiteres möglich gewesen wäre – nicht; es bleibt insoweit offen, aus welchen Beweggründen heraus sich die Klägerin zu weiteren Arbeiten bereit erklärt hat. Soweit die Klägerin in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 21.1.2003 vorträgt, die in Ziffer 23 aufgeführten Arbeiten seien auf von den Beklagten geäußerte Wünsche zurückzuführen, sie hätten sich nur unter der Voraussetzung, dass die genannten Arbeiten vom Vermieter vorgenommen würden, mit der Übernahme der verbleibenden restlichen Schönheitsreparaturen bereit erklärt, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Beklagten haben bereits mit Schriftsatz vom 18.10.2001 vorgetragen, dass es sich bei den genannten Arbeiten um Maßnahmen gehandelt habe, die erforderlich gewesen seien, um den Beklagten den vertraglich geschuldeten Mietgebrauch einzuräumen. Die Beklagten sehen dementsprechend in Ziffer 23 ein Maßnahmenpaket zur Herstellung eines Äquivalenzverhältnisses zwischen Mietzins und Mietsache. Bereits im Termin vom 7.1.2003, als ausführlich über die Problematik diskutiert wurde, hat der Beklagtenvertreter in Abrede gestellt, dass die Maßnahmen in Ziffer 23 als Gegenleistung für die Anfangsrenovierung vereinbart worden seien. Gleichwohl hat die Klägerin ihren Vortrag, wonach die in Ziffer 23 festgehaltenen Arbeiten eine Gegenleistung gerade für die Anfangsrenovierung sein soll, nicht unter Beweis gestellt. Im Ergebnis kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, dass die in Ziffer 23 aufgeführten Maßnahmen als Gegenleistung für die Anfangsrenovierung vereinbart wurden.
d) Die für die Anfangsrenovierung gewährte Mietfreiheit für drei Monate (3 x 1200 DM) ist indes kein angemessener Ausgleich für die Übernahme der Anfangsrenovierung, weshalb nach dem oben Gesagten die Überwälzung der Schönheitsreparaturen gemäß § 3 Ziffer 6 des Mietvertrages unwirksam ist.
aa) Nach Auffassung des Gerichts kann die für drei Monate gewährte Mietfreiheit für die Bemessung des finanziellen Ausgleichs nicht in vollem Umfang in Ansatz gebracht werden. Eine Mietfreiheit ist für den Mieter dann als finanzieller Ausgleich wertlos, so lange er die von ihm zu renovierende Wohnung nicht zu Wohnzwecken nutzen kann, sondern in ihr ausschließlich die ihm übertragenen Renovierungsarbeiten durchführt. Dann nämlich führt die Mietfreiheit für ihn nicht zu einem messbaren Vorteil, weil er in der zu renovierenden Wohnung noch nicht wohnen kann, sondern noch seine alte Wohnung nutzt, für die Mietzins zu entrichten ist. Die Mietfreiheit muss deshalb, um einen angemessenen Ausgleich zu schaffen, von ihrer Dauer her so kalkuliert sein, dass sie dem Mieter tatsächlich einen spürbaren geldwerten Vorteil bringt. Das ist erst dann der Fall, wenn er die Wohnung – während oder nach der Renovierung – tatsächlich bewohnen kann.
Angesichts des Umfangs der hier geschuldeten Anfangsrenovierung (insbesondere Austausch der gesamten Tapete) und der Größe der Wohnung (140 qm) geht das Gericht davon aus, dass die Beklagten die Wohnung zumindest einen Monat lang angesichts der ihnen aufgegebenen Arbeiten nicht nutzen konnten. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Beklagten Laien sind und für sie eine Wohnungsrenovierung deshalb langwieriger und zeitaufwendiger ist als für einen Handwerker. Die Klägerin selbst geht in ihrem Schriftsatz vom 12.11.2001 davon aus, dass die Arbeiten innerhalb von drei Wochen hätten durchgeführt werden können. Die Berechnung aus dem Schriftsatz vom 21.1.2003, wonach vornehmlich Malerarbeiten als Anfangsrenovierung geschuldet sein sollten, weshalb ein Zeitansatz von 58 Stunden ausreichend sein soll, ist angesichts des festgestellten Umfangs der Anfangsrenovierung unrealistisch. Die gewährte Mietfreiheit kann hiernach allenfalls in Höhe eines Betrages von 2400 DM als finanzieller Ausgleich berücksichtigt werden.
bb) Diesem finanziellen Ausgleich sind die vom Mieter zu erbringenden Renovierungsleistungen gegenüberzustellen, die sich aus Materialkosten und Kosten für die Eigenarbeit zusammensetzten. Legt man als Minimalposten zu Grunde, dass eine Person an sechs Tagen pro Woche für 10 Stunden beschäftigt ist bei einem – von der Klägerin selbst – in Ansatz gebrachten Stundensatz von 15 DM, so ergibt sich bereits eine geldwerte Eigenleistung in Höhe von 3500 DM. Hinzuzurechnen wären die üblichen Materialkosten für Tapete, Farbe, Pinsel etc. Hierzu hat die Klägerin keine Angaben gemacht, obwohl sie, worauf sie im Termin hingewiesen wurde, für die Frage der Angemessenheit des im Vertrag vorgesehenen finanziellen Ausgleichs und damit für das Verhältnis zwischen Mietfreiheit und der Kosten der vom Mieter geschuldeten Renovierungsleistung darlegungs- und beweispflichtig ist. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass der über die Mietfreiheit gewährte finanzielle Ausgleich angemessen ist. …
31.12.2016