Leitsatz:
Auch im Falle einer schweren – das Verschulden ausschließenden – Erkrankung des randalierenden Mieters ist von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses auszugehen, wenn auf andere Art und Weise der Hausfrieden nicht gewahrt werden kann.
AG Charlottenburg, Urteil vom 28.5.03 – 207 C 151/03 –
Urteilstext
Aus dem Tatbestand:
Die Klägerin ist die Eigentümerin des in der M.-Straße in Berlin belegenen Hausgrundstücks. Die Beklagte ist auf Grund des Mietvertrages vom 14.8.1986, der mit der früheren Eigentümerin abgeschlossen ist, die Mieterin der im 4. Obergeschoss belegenen Einzimmerwohnung. Im Jahr 2002 kam es zu mehreren Vorfällen, auf Grund derer die Beklagte mit dem Schreiben vom 16.10.2002 abgemahnt wurde. …
Da es erneut zu Vorfällen kam, kündigte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit dem Schreiben vom 15.1.2003 das Mietverhältnis fristlos. In dem Kündigungsschreiben, das durch Gerichtsvollzieher zugestellt wurde, heißt es u.a.: „Am 5. und 6.10.2002 haben Sie wiederholt Mitmieter des oben genannten Hauses mit Ausdrücken beschimpft und gedroht, die in Ihrer Wohnung befindliche Gasleitung für den Durchlauferhitzer in der Küche zu öffnen. Des Weiteren haben Sie wiederholt am 5. und 6.10.2002 in dem Hause M.-Straße sowohl die Haustür als auch Ihre Wohnungseingangstür zugeworfen.
In der Nacht vom 7. zum 8.10.2002 hörten Sie sehr laut Musik, welche in dem gesamten Haus M.-Straße zu hören war. Der herbeigerufenen Polizei und Feuerwehr öffneten Sie nicht die Tür. Auf Grund der extremen Lautstärke, die aus Ihrer Wohnung drang, wurde eine Fensterscheibe durch Polizei und Feuerwehr eingeschlagen, um den Zugang zu Ihrer Wohnung zu ermöglichen. Sodann wurde die Musik durch die Polizei abgestellt und das kaputte Fenster durch eine Holzplatte von innen von der Feuerwehr abgedeckt.
In den Tagen vom 8. bis 13.10.2002 befestigten Sie ein weißes Laken an der zu Ihrer Wohnung gehörenden Balkonbrüstung mit der Aufschrift: „Go Nuts wear no Fuckers Fuel.“ Die von der Feuerwehr eingeschlagene Fensterscheibe haben Sie mit Holzbrettern von außen vernagelt und diese Bretter mit den Wörtern beschmiert: „Lernt Popp-Fick im Puff/ Free Horses Free Child/Ihr impotenten Schwänze“. Des Weiteren haben Sie Ihre Klingel an der Wohnungstür mit blauer Farbe überstrichen und an die Klingel und auf die sich unter der Klingel befindliche Fassade mit blauem Filzstift verschiedene Namen geschrieben, unter anderem „Udo Lindenberg/Rolf Eden“.
In den Tagen vom 20. bis 27.10.2002 beschmierten Sie Ihren Briefkasten mit schwarzem Filzstift. Des Weiteren übermalten Sie die metallfarbenen Fensterbretter der Küche und des Bades Ihrer Wohnung mit blauer Farbe. Außerdem kam es zu weiteren extremen Lärmbelästigungen durch lautes Musikhören und Hämmern beziehungsweise Bohrarbeiten.
Diesbezüglich wurden Sie mit weiterem Schreiben vom 30.10.2002 durch die Hausverwaltung P. im Namen der Vermieterin nochmals abgemahnt. Weiterhin wurde Ihnen angekündigt, dass bei weiteren Pflichtverletzungen das Mietverhältnis fristlos gekündigt werde.
Bei zwei persönlichen Gesprächen am 5.11. und 19.11.2002 in den Büroräumen der beauftragten Hausverwaltung belegten Sie gegenüber den Mitarbeitern Frau K. und Herrn K. weitere Mitmieter mit rassistischen Ausdrücken. Außerdem bezeichneten Sie Herrn K. als „Ossi“ und den Geschäftsführer der Komplementärin als „Kroaten“.
Am Vormittag des 4.12.2002 hörten Sie wiederum sehr lautstark Musik und klopften an die Decke und Wände der benachbarten Wohnungen. Erst bei Erscheinen der Polizei gegen 12.00 Uhr unterließen Sie diese Lärmbelästigungen. Gegen Nachmittag fingen Sie erneut mit den genannten Lärmbelästigungen an. Gegen 16.30 Uhr bohrten Sie mit der Schlagbohrmaschine in die Hausfassade, um das Fenster mit Brettern zu verschließen. Gegen 19.00 Uhr erschien dann die Polizei.
Eine besonders schwerwiegende Vertragsverletzung begingen Sie am 1.1.2003 gegen 8.00 Uhr, indem Sie diverse Gegenstände, unter anderem zwei Stühle, Geschirr, eine Musikanlage, einen kleinen Fernseher und einen Tannenbaumhalter von Ihrem im 4. Obergeschoss gelegenen Balkon auf die Auffahrt, den Bürgersteig und die Straße herunterwarfen und dadurch Leib und Leben anderer Mitmieter und Hausbewohner konkret gefährdeten. Der Hauswart und ein weiterer Fußgänger wurden durch Scherben und Splitter getroffen. Die sofort herbeigerufene Polizei war gegen 8.20 Uhr vor Ihrer Wohnung. Da Sie die Wohnungstür nicht öffneten, schlug die Polizei das Küchenfenster ein und verschaffte sich so Zugang zu der von Ihnen innegehaltenen Wohnung. Daraufhin wurden Sie in Handschellen von der Polizei abgeführt.“
Die Klägerin meint, die Fortsetzung des Mietverhältnisses sei unzumutbar. …
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klage ist begründet, denn die Klägerin kann gemäß § 546 BGB die Herausgabe der streitbefangenen Wohnung verlangen, da durch die fristlose Kündigung vom 15.1.2003 das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis beendet worden ist.
Die Klägerin kann auch Erstattung der Kosten in Höhe von 14,62 Euro für die Zustellung verlangen, da durch das Verhalten der Beklagten die fristlose Kündigung notwendig war und die Kosten insofern durch sie verursacht worden sind.
Die Klägerin hat im Einzelnen substantiiert dargelegt, aus welchen Gründen eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für sie nicht zumutbar ist. Gegenüber dem Vorbringen der Klägerin ist das summarische Bestreiten der Beklagten nicht erheblich.
Es ist offensichtlich, dass die Vorfälle durch die Erkrankung der Beklagten verursacht worden sind. Diese Erkrankung lässt unter anderem darauf schließen, dass der Beklagten möglicherweise ihr Verhalten zu dem damaligen Zeitpunkt überhaupt nicht bewusst war. Für die Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses kommt es jedoch nicht darauf an, ob den Mieter ein Verschulden an den Vorfällen trifft oder ob er schuldlos handelte. Auch im Falle einer schweren Erkrankung ist deshalb von einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Mietverhältnisses auszugehen, wenn auf andere Art und Weise der Hausfrieden nicht gewahrt werden kann. Das mehrfache Erscheinen der Polizei bestätigt im Übrigen das Vorbringen der Klägerin. Dieser ist eine Fortsetzung des Mietverhältnisses im Interesse der anderen Mieter des Hauses nicht zuzumuten. …
15.03.2013