Leitsatz:
Vereinbaren die Mietvertragsparteien Jahre nach Vertragsabschluss mündlich die „Verschiebung“ einer Staffelmietsteigerung für ein Jahr, liegt hierin ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis des § 557 a Abs. 1 BGB, mit der Folge, dass ab diesem Zeitpunkt die Staffelmietvereinbarung insgesamt unwirksam wird.
LG Berlin, Urteil vom 20.7.04 – 65 S 75/04 –
Mitgeteilt von RA Wolfgang Schäfer
Urteilstext
Aus den Entscheidungsgründen:
… Allerdings ist die Staffelmietvereinbarung nach Ansicht der erkennenden Kammer durch die Änderungsvereinbarung vom August 1999 unwirksam geworden, weil die Schriftform nicht eingehalten wurde. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Parteien im August 1999 mündlich eine zweite Verschiebung der nach dem Mietvertrag vorgesehenen Erhöhung ab Juli 1999 vereinbart haben. Die Klägerin hat den entsprechenden Vortrag der Beklagten zwar zunächst bestritten, im Schriftsatz vom 19.11.2003 jedoch zugestanden, dass die Parteien die Staffel zweimal und nicht nur einmal ausgesetzt hatten.
Diese Änderungsvereinbarung genügte für sich unstreitig nicht der gesetzlichen Schriftform (vgl. Palandt-Weidenkaff BGB 63. Aufl. § 557 a Rn. 5; Emmerich-Sonnenschein-Weitemeyer: Mietrecht 8. Aufl. § 557 a BGB Rn. 9; Schmidt-Futterer-Börstinghaus 7. Aufl. § 10 MHG Rn. 89; Sternel III Rn. 34) des damals geltenden § 10 Abs. 2 MHG (§ 557 a Abs. 1 n.F. BGB). Die Schriftform des § 126 BGB ist zwingend, sie kann auch nicht mündlich oder durch schlüssiges Verhalten abbedungen werden (Sternel a.a.O.) und gilt auch für Änderungen der ursprünglich der Schriftform unterfallenden Abreden.
Diese Formunwirksamkeit erfasst vorliegend aber auch die ursprüngliche Staffelmietvereinbarung im Mietvertrag. Grundsätzlich führt der Formmangel bei einer Änderungsvereinbarung dazu, dass auch der ursprünglich formwirksam abgeschlossene Vertrag der Schriftform entbehrt (BGH NJW 1994, 1649; BGHZ 50, 39, 43, 99, 54; Emmerich-Sonnenschein-Emmerich § 550 Rn. 19), weil wegen der Formungültigkeit der späteren Änderung der Gesamtinhalt des Vertrages nicht mehr in vollem Umfang von der Schriftform gedeckt ist.
Die so genannte „Auflockerungsrechtsprechung“ des BGH (BGHZ 42, 333; 50, 39; 52, 25; NJW 1992, 2283; 1998, 62; 1999, 2517) kann hier nicht herangezogen werden, denn die Voraussetzungen liegen nicht vor. Die zitierten Fälle betreffen schriftlich vereinbarte Änderungen, die lediglich den Erfordernissen der Einheitlichkeit der Urkunde nicht genügten, weil sie mit dem Ursprungsvertrag nicht fest verbunden wurden. Der BGH hat in derartigen Fällen die Schriftform dennoch als gewahrt angesehen, wenn die Änderung auf den ursprünglichen Vertrag Bezug nimmt und ihrerseits die essentialia eines Miet- oder Pachtvertrages enthielt. Der wesentliche Punkt bei den Erwägungen stellen die Interessen eines Erwerbers dar, der auch bei derartigen Änderungen den aktuellen Inhalt des Vertrages aus Urkunden ersehen kann. Vorliegend ist aber die letzte Staffelmieterhöhung lediglich mündlich geändert worden, so dass es auf die Frage der Einheitlichkeit der Urkunde überhaupt nicht ankommt.
Der BGH dehnt zwar auch bei formunwirksamen Ergänzungsverträgen, die den Inhalt des ursprünglichen Vertrages im Übrigen nicht ändern, die Folgen des Formverstoßes nicht auf den ursprünglichen formgültigen Vertrag aus, wenn durch die Änderung in den Inhalt des Ursprungsvertrages nicht eingegriffen wird, sondern dieser lediglich verlängert wird oder ein neuer Mieter eintritt (BGHZ 50, 39; 65, 49). Die Begründung dieser Entscheidungen stellt aber maßgeblich darauf ab, dass durch eine reine Verlängerung oder den Eintritt eines neuen Mieters der formgültige Mietvertrag an sich gar nicht betroffen ist, sondern nur erweitert würde und ein Erwerber durch die Möglichkeit einer Kündigung bezüglich solcher Erweiterungen ausreichend geschützt sei.
Diese Grundsätze sind auf die hier zu beurteilende Änderung aber nicht anwendbar. Der Schutzzweck der Schriftform in § 10 MHG besteht zwar hauptsächlich in der Warnfunktion für die Vertragsparteien bezüglich langfristiger Bindungen, daneben soll die Schriftform aber auch der Beweissicherung im Hinblick auf einen Eigentümerwechsel dienen (Schmidt-Futterer-Börstinghaus a.a.O. § 10 MHG Rn. 89). Diese Beweissicherung ist durch die Abreden der Parteien hier in Frage gestellt. Durch die zweimalige Verschiebung der Staffel geht die aktuell vereinbarte Miethöhe nicht mehr aus dem Mietvertrag hervor, denn die Parteien haben – auch wenn sie es so nennen – nicht lediglich einzelne Staffeln ausgesetzt, sondern jeweils vereinbart, dass zum nächsten Erhöhungszeitpunkt nicht die im Mietvertrag vereinbarte Miethöhe, sondern die ein bzw. zwei Jahre zuvor geltende gezahlt werden soll. Damit ist die gesamte Staffelmietvereinbarung in ihrer Struktur verändert worden und kein einziger Betrag ab dem 1. Juli 1999 ist noch gültig. Dies stellt eine wesentliche Änderung der gesamten Vereinbarung dar, weil im Grunde eine neue Staffelung festgelegt wurde. Es kann also für die Staffelung nicht davon ausgegangen werden, dass hier nur eine unselbstständige Ergänzung oder Verlängerung der im Übrigen unberührt bleibenden Vereinbarung vorliegt, sondern dass die gesamte Regelung auch für die Zukunft verändert wurde. Im Hinblick auf den Schutz eines Erwerbers lässt sich daher die Schriftform für die im Mietvertrag enthaltene Staffelung nicht mehr halten, denn ein Erwerber kann ohne Kenntnis der mündlichen Vereinbarung vom August 1999 eben nicht alleine auf Grund der ihm überlassenen Urkunden beurteilen, welcher Mietzins derzeit geschuldet ist.
Die Berufung der Beklagten auf die mangelnde Schriftform ist auch nicht treuwidrig. Zwar kann es gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn der Mieter sich auf Grund einer nur mündlich vereinbarten Senkung der Miete wegen der fehlenden Schriftform durch vorzeitige Kündigung aus dem Vertrag lösen möchte (BGHZ 65, 49, 55). Vorliegend geht es aber nicht darum, dass die Beklagte aus der fehlenden Schriftform einen weiteren Vorteil zieht, sondern nur die Rechtsfolge der Vereinbarungen selbst geltend macht, nämlich die Aufhebung der Staffel. Im Übrigen hat sich die Klägerin selbst nicht vertragstreu verhalten, indem sie auf die Anfragen der Beklagten vom Juni 2000 und 9.5.2001 nicht geantwortet hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO. Die Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 543 Abs. 2, 708 Nr. 10 analog 713 ZPO.
Die erkennende Kammer hält Voraussetzungen der Zulassung der Revision nicht für gegeben. Die Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Änderung von formbedürftigen Verträgen sind geklärt und es ist insoweit auch keine uneinheitliche Rechtsprechung ersichtlich, die eine Entscheidung des Revisionsgerichts erforderte. Die Beurteilung einer Treuwidrigkeit hängt ausschließlich von den Umständen des Einzelfalles ab und hat bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung.
28.12.2017